Vaterstetten:Martin Luther ganz nahe

Chorkonzert Petrikirche

Der Vortrag des Jugendchors der Musikschule Vaterstetten ist ein kräftiger Beweis dafür, wie sich anspruchsvolle Themen auf musikalischem Weg den nachwachsenden Generationen nahebringen lassen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ein fröhliches Singspiel von Markus Nickel erzählt in der Baldhamer Petrikirche lebendig aus dem Leben des Reformators - locker und volksnah

Von Ulrich Pfaffenberger, Vaterstetten

Das Lutherjahr, so steht zu erwarten, wird uns in seinem Verlauf noch eine ganze Reihe erbaulicher und andachtsvoller Konzerte bescheren. Schließlich ist die hohe Zeit deutscher Kirchenmusik eng mit dem Protestantismus verwoben. Allen voran Bach, Bach und Bach. Die Besucher des Singspiels "Ein feste Burg ist unser Gott" am Sonntagabend in der Evangelischen Petrikirche zu Baldham indes haben sich für einen anderen musikalischen Einstieg in die Feierlichkeiten zum reformatorischen Jubeljahr entschieden. Dafür wurden sie herzerfrischend belohnt.

Es war weniger der musikalische Anspruch, vielmehr die volksnahe - und damit Luther entsprechende - Erzählweise eines historischen Stoffs, der die eineinhalbstündige Aufführung auszeichnete. Neben dem programmatischen Titel zog sich dieses Motiv des Theologen durch die Texte und Lieder, ein Motiv auch seines Handelns bei der Umgestaltung der Kirche: Nähe zu den Menschen, Nähe zum täglichen Leben. Als Zeugen eines fiktiven Dialogs zwischen Martin Luther und seinem Porträtisten Lucas Cranach, gesprochen von Stefan Opitz und Carolin Schubert, bewegten sich die Zuhörer durch die umwälzenden Zeiten vor 500 Jahren, wobei weniger die Weltgeschichte im Vordergrund stand, sondern die Motive des ehemaligen Mönchs und frisch verheirateten Vordenkers. Dem - dafür einen besonderen Applaus - der gastgebende Pastor mit großem Geschick und hoher schauspielerischer Sprachkunst eine mitreißende Stimme verlieh.

Auch die zahlreichen volksliedhaften Anklänge in den Titeln des von Markus Nickel schlüssig und flott komponierten Singspiels ließen die distanzierenden Jahrhunderte zwischen dem Geschehen und uns Heutigen auf ein Minimum schrumpfen. Aus der typischen Kirchentags-Klangwolke von Klavier (Matthias Gerstner), Querflöte (Daniela Gerstner), Schlagzeug (Johannes Buck) und Chor drangen anregende Gedanken ans Ohr. Über das Gemeindeleben, über Berufung und Begeisterung, über Liebe und Gottvertrauen wurde da so leichthin und ungekünstelt gesungen und musiziert, dass es eine Freude war. Ja, so sollen Singspiele sein, "Edutainment" in ihrer frühesten Form, einst ersonnen, um des Lesens unkundige mit unterhaltsamer Begleitung an Wissen und Bildung heranzuführen. Ganz im Sinne Luthers, im Geist der Volksaufklärung.

Der Jubilate-Chor zeigte sich bestens aufgelegt, inspiriert von der frohen Botschaft, die es zu vermitteln galt. Wie stets trennscharf in der Stimmführung, souverän in den Harmonien und akkurat in den Einsätzen lieferten die Sängerinnen und Sänger eine überzeugende Vorstellung. Gleiches gilt für den Jugendchor der Musikschule Vaterstetten, der den Abend mit einer kleinen musikalischen Reise durch die Reformation eröffnet hatte, "Hier stehe ich, ich kann nicht anders" aus der Feder von Christian Bur. Der lebendige Vortrag der jungen Choristen, die erkennbar verstanden hatten, wovon sie da sangen, war ein kräftiger Beweis dafür, wie sich ethische, moralische und geschichtliche Themen auf musikalischem Weg den nachwachsenden Generationen nahebringen lassen. Ein schönes, ertragreiches Feld ist das für eine erweiterte und obendrein heitere Musikpädagogik.

Es ist mit Blick auf diesen Abend nur zu gut verständlich, wie ein enger Freund Bachs, als der Zornedings Kantor und Kirchenmusiker Matthias Gerstner gelten darf, sich in solch vermeintlich musikalische Niederungen begeben konnte, statt am oberen Rand des kompositorischen Anspruchs zu kratzen. Ein Martin Luther, so steht zu vermuten, hätte genauso entschieden: Warum soll man sich, um Gottes Willen, einem so historiengeschwängerten, theologiedurchwachsenen Stoff nicht auch ganz locker nähern dürfen? Dafür vom voll besetzten Gotteshaus reichlich und herzlich Beifall.

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