Mitten in Vaterstetten:Wimmeln würde reichen

Baustellen sind oft faszinierend zum Zuschauen - beim Zuhören hält sich die Begeisterung dann doch eher in Grenzen.

Von Wieland Bögel

Beim Blick aus dem Fenster denkt man unwillkürlich an den kürzlich verstorbenen Ali Mitgutsch. Der Zeichner und Bilderbuchautor war ja für seine Wimmelbilder bekannt und berühmt, auch Baustellen kommen darauf gelegentlich vor. An jener, die bereits seit sechs Wochen da draußen zugange ist, hätte er bestimmt viel Inspiration für ein weiteres Baustellenbild finden können.

Jeden Tag mehr oder weniger pünktlich - also so zwischen halb sieben und halb acht - geht es los: Zuerst wimmelt es von Fahrzeugen. Gut, so eindrucksvolle, wie auf Ali Mitgutschs Bildern oder gar auf der Bauma sind jetzt keine dabei, aber immerhin sind es viele. Die nicht einmal 100 Meter lange Straße wird nach und nach zugeparkt mit Transportern, Lastwagen mit und ohne Anhänger, Bauschuttcontainern. Ab und zu fährt ein kleiner Bagger von einem der Anhänger herunter, auf das Baugrundstück, dort ein bisschen auf und ab und am Abend dann wieder zurück auf den Anhänger. Ab und zu versucht auch der eine oder andere Anlieger sein eigenes Fahrzeug in Bewegung zu setzen, nicht immer ganz einfach: Dann muss sich nämlich oft die ganze Baumaschinenschar in Bewegung setzen, bis eine Lücke gerade groß genug ist, dass ein Auto aus der Garage fahren kann, danach fahren alle wieder zurück. Auch sonst ist viel Betrieb - um so mehr, wenn man bedenkt, dass da bloß eine Doppelhaushälfte umgebaut wird. Den ganzen Tag läuft irgendwer irgendwo hin, manchmal mit, manchmal aber auch ohne Schubkarre. Es wird auf Gerüste und wieder heruntergeklettert, es werden Sachen und Werkzeuge herum- und wieder zurückgetragen, dass es nur so wimmelt.

Der nennenswerte Unterschied zu den beliebten Wimmelbüchern ist nun aber, dass sich diese durch angenehme Lautlosigkeit auszeichnen - was von der Baustelle nebenan beim allerbesten Willen nicht behauptet werden kann. Wäre es nicht so lästig, man könnte es durchaus faszinierend finden, was in einem doch relativ überschaubaren Haus eineinhalb Monate lang nahezu durchgehend gebohrt und gepresslufthämmert werden kann. Nach laienhafter Berechnung des Zuhörers dürfte dort mittlerweile keine einzige Wand oder Decke mehr vorhanden sein - einschließlich der Außenfassade. Vielleicht gefällt es den Bauarbeitern aber auch auf dieser einen Baustelle so gut, dass sie sich Bohr- und Hämmermaterial von anderen Baustellen mitbringen, um sie hier weiterzubearbeiten. Deswegen auch das Gewimmel. Das bei Ali Mitgutsch immer deswegen sehr viel schöner war, weil seine Werke nie als Hörbuch erschienen sind.

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