Vaterstetten:Klangwelten im Kontrast

Lesezeit: 2 min

Erhebliche Anforderungen an das Publikum stellen Cellist Nicolas Altstaedt und Pianist Alexander Lonquich im Seniorenwohnpark Vaterstetten. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Cellist Nicolas Altstaedt und Pianist Alexander Lonquich bieten beim Rathauskonzert mit Beethoven und Fauré ein Erlebnis

Von Claus Regnault, Vaterstetten

Das Vaterstettener Rathauskonzert von Nicolas Altstaedt, Violoncello, und Alexander Lonquich, Klavier, war in mehrfacher Hinsicht ein großes Ereignis. Auf dem Programm standen vier Duette, die zwei Sonaten op. 102 von Ludwig van Beethoven und einrahmend die zwei Sonaten op. 109 und op. 117 von Gabriel Fauré. Abgesehen davon, dass das Duo alle vier Werke hinreißend interpretierte, war es wie ein Moment der ersten Begegnung. Denn kaum jemand im Publikum, einschließlich der mithörenden Musiker, hatte diese vier Werke schon einmal gehört. So wurde Musik des frühen 19. Jahrhunderts (1815) und des frühen 20. Jahrhunderts (1918 und 1921) für das Publikum im Seniorenwohnpark zu einer Art Uraufführungserlebnis.

Die beiden Beethoven-Sonaten könnten tatsächlich Musik des 20. Jahrhunderts sein, so ungewöhnlich, ja neu, ist ihre dem Spätwerk Beethovens zugehörige Musiksprache. Schon der frühe Biograf Paul Bekker (1911) beschreibt diese Sonaten als "Dichtungen, unter deren spröder Tonsprache sich eine kühne, über die gewohnten Ausdrucksgrenzen emporstrebende Phantasie verbirgt... Was die Stücke durch Erweiterung des Ausdrucksbereichs gewannen, büßten sie durch den Fortfall der ihnen unentbehrlichen äußeren Reize ein." Dennoch hält Bekker diese Stücke für die "formal und inhaltlich bedeutendsten Schöpfungen Beethovens auf dem Gebiet der duettierenden Kammermusik", auch wenn ihnen "die erforderliche klangsinnliche Gewandung fehlt".

So mutet es fast wie eine beabsichtigte Täuschung an, wenn die erste Sonate C-Dur mit einem langsamen, fast improvisatorisch freien Satz von blühender Melodik eingeleitet wird, um dann in ein geradezu grimmiges Allegro zu münden. Musik der Überraschung, der fordernden Hörerfahrung, gestenreich dramatisch.

Die Interpretation durch das Duo in Vaterstetten verwirklichte die wechselnde Sprachgestik dieser Sonaten aufregend deutlich. Nicolas Altstaedt erwies sich dabei als ein Cellist, der sein Instrument weniger zum gesanghaften als zum sprachnahen Ausdrucksträger verwandelt. Dabei hat er in Alexander Lonquich einen "Begleiter", der eine phänomenale Anschlagskultur mit der Fähigkeit zu feinster dynamischer Abstufung verbindet.

Die Besonderheit des Programms bestand in der Gegenüberstellung zweier Klangspären, nämlich der herben Welt Beethovens mit der zurückhaltenden, blütenhaft schönen Klangwelt Gabriel Faurés. Seine zwei Cellosonaten waren dank ihrer Zartheit und Farbigkeit wie ein Sommertraum, eingebettet und umzäunt gegen die emotionale Heftigkeit Beethovens. Faurés beeindruckend vornehme Zurückhaltung, verbunden mit romantischem Formbewusstsein, wurde jedoch gerade durch diesen Kontrast erlebbar. Beide Komponisten hatten das Schicksal der frühen Ertaubung zu bewältigen, Fauré leise, Beethoven mit gewaltig gesteigerter Emotion. Schmuckstück in Faurés 2. Sonate ist der verhalten zärtliche Trauermarsch, den er zum Gedenken an den Tod Napoleons I. für eine Feier im Pariser Invalidendom komponiert hatte und dessen starke elegische Qualität er durch Übernahme in seine Cellosonate für die Nachwelt retten wollte.

Das Publikum reagierte mit starkem Beifall auf die erhebliche Anforderung dieses großartig zusammengestellten Programms und wurde mit einer brillanten Zugabe belohnt, dem Pizzicato-Scherzo aus der Cellosonate op. 65 von Benjamin Britten.

© SZ vom 31.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: