Die Quantenphysik kommt vermutlich im Alltag eines Kindergartens eher selten vor – in Vaterstetten aber zumindest bei der Planung von Kitaplätzen. Bürgermeister Leonhard Spitzauer (CSU) nutzte das sogenannte Welle-Teilchen-Modell für einen rhetorischen Ausflug in die höheren Naturwissenschaften: Beim Licht könne man nicht sagen, ob es Welle oder Teilchen sei, bei der Kinderbetreuung sei jedoch ersteres der Fall.
Das bezieht sich auf die aktuellen Zahlen der Einrichtungen im Gemeindegebiet, für das im September begonnene Betreuungsjahr ergibt sich eine eher entspannte Situation. Laut Jasmin Marussis-Kley vom Amt für Familie, Jugend und Bildung betrifft das besonders den Krippenbereich. Hier seien die Anmeldungen im Vergleich zum Vorjahr deutlich von 347 auf nun noch 191 zurückgegangen.
In den vergangenen Jahren sind Geburtenrate und Zuzug zurückgegangen
Die Warteliste wird dadurch ein gutes Stück kürzer. Elf Kinder standen Ende September noch darauf, das sind nicht nur gut zwei Drittel weniger als im vergangenen Jahr, mit 57 freien Plätzen – wenn auch nicht in der jeweiligen Wunscheinrichtung – könne man heuer jedem Kind einen Platz anbieten, hieß es. Dasselbe gelte im Bereich Kindergarten, wo es Ende September rein rechnerisch 82 freie Plätze gab, dem gegenüber standen 31 Kinder auf der Warteliste. Insgesamt werden in den Vaterstettener Kindergärten 246 Mädchen und Buben betreut. Bei der nachschulischen Betreuung, also Hort, Ganztagsklasse und Mittagsbetreuung, stehen gerade einmal neun Kinder auf der Warteliste bei 88 freien Plätzen.
Ursache ist laut Verwaltung zum einen die Demografie: Es sei ein Geburtenrückgang zu verzeichnen. Zum anderen sei auch der Zuzug nach Vaterstetten 2022 und 2023 im Vergleich zu den Jahren zuvor zurückgegangen. Aber auch Politik und Verwaltung hätten zur Entspannung der Lage beigetragen, merkten Maximilian Mack (CSU) und Cordula Koch (SPD) an. Sie verwiesen auf das 2023 beschlossene Maßnahmenpaket, wonach die Kita-Träger mit jährlich 400 000 Euro bezuschusst werden. Dies geschah nach massiven Protesten zahlreicher Eltern, diese hatten sich darüber beschwert, dass es in den Kitas immer wieder zu zahlreichen Ausfällen bei der Betreuung gekommen war.

Kinderbetreuung in Vaterstetten:Geldsegen aus dem Rathaus
Lange wurde in Vaterstetten um eine Förderung der Kinderbetreuung gerungen. Nun wurden die Ergebnisse vorgestellt. Die Gemeinde bezuschusst die Träger mit zusätzlichen 400 000 Euro pro Jahr - doch strukturelle Probleme bleiben bestehen.
Damit habe man „einen Großbrand bei der Betreuung“ löschen können, sagte Mack, laut Koch hat sich das Zuschussprogramm „auf jeden Fall bewährt“. Sie dankte auch ausdrücklich dem Amt für Familie, Jugend und Bildung, „es ist in der Kinderbetreuung immer schwierig, punktgenau zu reagieren“.
Die nächste Herausforderung dürfte wohl im Bereich der nachschulischen Betreuung liegen, vermutete Zweite Bürgermeisterin Maria Wirnitzer (SPD). Hintergrund ist, dass mit Beginn des übernächsten Schuljahres ein Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung von Grundschulkindern besteht, zunächst für die ersten Klassen, in den Folgejahren entsprechend mehr. Das sei „die nächste Welle“, meinte Wirnitzer – die nach den Zahlen der Verwaltung aber nicht allzu hoch ausfallen dürfte. Laut Marussis-Kley nehmen an den vier Grundschulstandorten bereits jetzt zwischen 85 und 90 Prozent der Kinder ein Betreuungsangebot wahr, heuer sind das insgesamt 240.

Vaterstettener Modell:Ganztag wird verlängert
An der Vaterstettener Grund- und Mittelschule wird es auch nach dem Ausstieg der Awo als Träger weiterhin Nachmittagsunterricht geben.
Trotzdem: In den kommenden Jahren sollen in allen Bereichen der Kinderbetreuung weitere Kapazitäten geschaffen werden. Das derzeit wegen Sanierung und Trägerwechsel geschlossene Kinderhaus an der Carl-Orff-Straße soll zum kommenden Betreuungsjahr wieder öffnen. Allerdings steht laut Spitzauer noch nicht fest, mit welchem Angebot. So könne man die Hortbetreuung eventuell ins derzeitige OHA, das frühere Jugendzentrum, auslagern.
Ein großes Fragezeichen ist bislang die alte Schule
Ohnehin werde in den kommenden Jahren ein weiterer Hort gebaut, da die Kita in der alten Grundschule nach und nach dort ausziehe. Zunächst, voraussichtlich Anfang 2026, werden Krippe und Kindergarten ins neue Kinderhaus St. Anna umziehen. Wie lange der Hort in der Grundschule bleiben soll und wie man einen Nachfolgestandort organisiert, darüber müsse der Gemeinderat aber noch entscheiden, sagte Spitzauer auf Nachfrage von Axel Weingärtner (Grüne).
Dieser hatte wissen wollen, was denn aus den Plänen geworden sei, das Grundstück der alten Schule zu verkaufen: „Leerstand kostet Geld und wir brauchen Einnahmen“, mahnte er angesichts knapper Kassen und vieler Projekte auf der Agenda. Dem wollte der Bürgermeister zwar nicht widersprechen, merkte aber an, man solle es mit dem Verkauf nicht überstürzen: „Mit etwas Haushaltsdisziplin könnten wir dort vielleicht den kommunalen Wohnungsbestand erweitern.“ Ob es so kommt, und welche Wellenbewegungen das dann bei der Kinderbetreuung auslöst, ist derzeit wohl mindestens so schwer zu beantworten wie manche Frage der höheren Physik.