Vaterstetten:Im Dialog bleiben

Beim 28. Friedensgespräch der Vaterstettener SPD geht es um das Thema Rechtspopulismus - und um die Perspektiven für den Fortbestand eines gemeinsamen Europa

Von Barbara Mooser, Vaterstetten

Irgendwann wirkte Maria Noichl doch recht irritiert: Ein Patentrezept gegen Rechtspopulismus könne sie jetzt leider nicht anbieten, sagte die SPD-Europaabgeordnete. Einfache Lösungen gebe es in ihren Augen eben nicht. Zuvor hatten mehrere Besucher des 28. Vaterstettener Friedensgesprächs ihre recht düstere Beschreibung des Umgangs mit den extrem Rechten im Europaparlament kritisiert. Überhaupt war es eine leidenschaftliche Diskussion - nicht nur über das Thema Rechtspopulismus an sich, das im Mittelpunkt stehen sollte, sondern auch über die Bedeutung eines gemeinsamen Europa - und wie man es retten kann.

Auch in der Vergangenheit hatte die SPD Vaterstetten bei ihren Friedensgesprächen immer wieder die drängendsten Probleme der Zeit thematisiert. So ging es im vergangenen Jahr um die Brennpunkte Syrien und Irak, im Jahr davor um "Russlands Politik zwischen Krieg und Frieden". Meist waren es außenpolitische Themen gewesen, nun wollten die Sozialdemokraten eine Entwicklung beleuchten, die die Staaten eher von innen heraus zerstört: "Rechtspopulismus - eine Gefahr für den Frieden in Europa" lautete das Thema.

Außer der Rosenheimer Europaabgeordneten war Nicola Hieke von der Landeskoordinierungsstelle "Demokratie leben!" als Expertin in den "Alten Hof" gekommen. Sie lieferte den theoretischen Überbau, berichtete aus ihrer Arbeit und gab auch Ratschläge, wie man im persönlichen Umfeld mit Menschen umgeht, die rechtspopulistische Theorien vertreten. "Das Schlimmste ist, hier zu sagen: Mit dir rede ich nicht mehr, du bist Nazi", sagte Hieke. Es sei wichtig, im Dialog zu bleiben. Dennoch müsse man Rassismus im Alltag klar identifizieren und dürfe sich vor einer Diskussion nicht scheuen. "Nicht zu reagieren ist keine Option", unterstrich auch Noichl, "wenn es unwidersprochen bleibt, setzt sich das fest".

Die Abgeordnete machte deutlich, wie schwierig die Rechten bereits heute den Umgang im Europäischen Parlament machen. "Sie trommeln - sie nehmen sich laut viel Platz", beschrieb Noichl die extrem rechten Abgeordneten, die ihrer Einschätzung nach inzwischen bereits ein Viertel des Parlaments ausmachen. Obwohl sie als Abgeordnete gewählt seien, machten die extrem Rechten immer wieder deutlich, dass sie in Brüssel nicht für Europa arbeiten wollten: "Sie sagen klar, sie wollen Europa als Projekt zerstören." Die richtige Strategie zu finden, sei schwierig, erläuterte Noichl. "Scharfe Waffen" gegen die Länder, in denen Rechtsextreme zunehmend das Sagen haben, gebe es nämlich nicht. Eine Möglichkeit, diese Länder wieder auszuschließen, sofern sie dauerhaft in den Faschismus abrutschten, sei gar nicht vorgesehen, "ein Geburtsfehler der EU", so die Abgeordnete. Für Strafmaßnahmen sei wiederum eine Einstimmigkeit erforderlich, die nicht zu bekommen sei. Noichl kritisierte, dass ein Land bei seiner Aufnahme in die EU zwar eine Reihe von Kriterien zu erfüllen habe, zu denen der Minderheitenschutz, institutionelle Stabilität und die Wahrung der Menschenrechte gehören, aber keine Konsequenzen zu erwarten seien, wenn diese danach nicht mehr eingehalten würden: "Es kann doch nicht sein, dass ich einmal aufgenommen werde und danach tun kann, was ich will!"

Aus dem Publikum erntete Noichl einigen Widerspruch: "Wenn wir die kritischen Staaten in der EU behalten, können wir sie vielleicht nicht heilen, aber vielleicht haben wir sie besser im Blick", sagte eine Besucherin. "Mich wundert die defensive Art, wie du mit Europa umgehst", wandte Peter Dingler, der Gründer der Vaterstettener Friedensgespräche, ein. "Für mich gibt es kein schöneres Projekt in den letzten 70 Jahren als dieses Europa." Ein anderer Besucher warf die Frage auf, inwieweit die SPD, die schließlich Juniorpartner in der Bundesregierung sei, mitverantwortlich für die Zunahme des Rechtspopulismus sei. Einige Zuhörer versuchten bei der Veranstaltung freilich auch, die Debatte in eine ganz andere Richtung zu lenken: Sie verwehrten sich gegen Kritik an der AfD und thematisierten ihrerseits Linksextremismus - bevor sie von Moderator Günter Lenz und den beiden Referentinnen auf ihre Themaverfehlung aufmerksam gemacht wurden.

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