Vaterstettener Finanzen:Sommerzeit ist Greensill-Zeit

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Bekommt die Gemeinde Vaterstetten Schadenersatz für die Greensill-Pleite? Darüber entscheidet in zwei Monaten der Bundesgerichtshof. (Foto: Monika Skolimowska/dpa)

Der Prozess um Schadenersatz zwischen der Gemeinde Vaterstetten und einem Anlageberater wegen der Bankenpleite geht in die nächste Runde, diesmal am Bundesgerichtshof – es geht um eine Million Euro.

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Ein früherer Bürgermeister der Großgemeinde verweist gerne darauf, dass alles, was in Bayern mehr als einmal stattfindet, zur Tradition zählt. In diesem Sinne gibt es in Vaterstetten nun offiziell eine Sommer-Tradition: Einen Prozess um Schadenersatz wegen in der Greensill-Pleite verlorene Rücklagen. Im September, genauer am 19. und damit kurz vor Herbstbeginn, geht dieser Prozess in die mittlerweile dritte Runde.

Begonnen hat die Geschichte im März 2021, als die Privatbank Greensill Insolvenz angemeldet hatte. Damit waren auch rund 5,5 Millionen Euro Rücklagen aus der Vaterstettener Gemeindekasse weg. Die Beziehungen zur mittlerweile australischen Bank kamen zustande, als diese 2014 die Bremer Nord-Finanz Bank AG übernommen hatte, bei der Vaterstetten kurz zuvor Kunde wurde. Der größte Teil der geschäftlichen Verbindung zwischen Greensill und Vaterstetten fällt in die Jahre 2017 bis Ende 2020.

Als Reaktion auf die Pleite schloss sich Vaterstetten zum einen mit anderen Kommunen zusammen, denen ebenfalls Geld durch die Bankenpleite abhandengekommen war, die Städte und Gemeinden treten im Insolvenzverfahren als Gläubiger auf. Bis hier Geld fließt, wenn überhaupt, kann dauern: Der Insolvenzverwalter nannte 2022 einen Zeitrahmen von zehn Jahren für das Verfahren. Zum anderen beschloss man in Vaterstetten im Sommer 2021 eine Klage anzustrengen. Gegen wen, wurde zunächst nicht offiziell mitgeteilt, allerdings war schnell von einem „regionalen Finanzvermittler“ die Rede.

Bereits im August 2022 bekam Vaterstetten vor dem Landgericht München I Recht

Das erste Urteil in der Sache fiel dann im August 2022: Das Landgericht München I sah es als erwiesen an, dass die Firma, welche der Gemeinde die Anlagen bei Greensill vermittelt hatte, eine Pflichtverletzung begangen habe und sprach der Gemeinde eine Million Euro als Schadenersatz zu. Konkret ging es darum, dass die Gemeinde noch im Dezember 2020, also wenige Monate vor der Insolvenz von Greensill, weiteres Festgeld dort getätigt hatte, ohne von ihrem Vermittler vor Problemen bei der Bank gewarnt worden zu sein. Über diese hätte der Berater informiert sein müssen, so das Gericht weiter, etwa wegen bereits laufender Ermittlungen der Finanzaufsicht Bafin. Spätestens am 2. März 2021, als die Nachrichtenagentur Bloomberg über eine drohende Schieflage bei Greensill berichtete, hätte der Vermittler reagieren und seine Kunden in Vaterstetten warnen müssen.

Greensill-Pleite
:Vaterstetten bekommt eine Million Euro

Die Gemeinde hat in erster Instanz gegen einen Anlagevermittler vor Gericht gewonnen. Dieses begründet den Schadensersatz mit Pflichtverletzungen des Beklagten.

Von Wieland Bögel

Die Beklagte, eine private Finanzdienstleistungsfirma aus dem Münchner Süden, hatte argumentiert, es gebe einen Haftungsausschluss, der sei auch in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen niedergelegt – dies ließ das Gericht indes nicht gelten. Dabei berief es sich auf einen Auskunftsvertrag, den die Gemeinde mit der Vermittlerfirma geschlossen hatte. Indem letztere ersterer eben keine Auskunft gegeben hatte, habe sie diesen Vertrag „schuldhaft verletzt“ heißt es in der Urteilsbegründung.

Der sich die nächste Instanz ohne Abstriche anschloss. Das Oberlandesgericht verwarf im Sommer 2023 die Berufung der Beklagten mit derselben Begründung wie schon das Landgericht zuvor: Der Finanzvermittler hätte die Gemeinde über die Greensill-Probleme rechtzeitig informieren müssen. Auch die Summe ließ das Gericht unverändert, der Gemeinde stehe eine Million Euro zu.

Zwar hatte das Oberlandesgericht damals keine Revision zugelassen, allerdings legte der Beklagte Beschwerde ein. Damit wird in diesem Sommer der Bundesgerichtshof über die Frage des Schadenersatzes entscheiden. Wie die Gemeinde Vaterstetten mitteilt, lasse sich nicht absehen, ob man die Million nun endlich zugesprochen bekommt: „Eine Tendenz zu einer Beurteilung äußert der Bundesgerichtshof vor einem Termin zur mündlichen Verhandlung nicht. Insofern gibt erst der Verlauf der mündlichen Verhandlung am 19.09.2024 Aufschluss darüber, wie der Bundesgerichtshof die Angelegenheit beurteilt.“

Wie die Gemeinde weiter mitteilt, findet die Verhandlung am 19. September in letzter Instanz statt – eine Fortsetzung der Tradition eines sommerlichen Greensill-Prozesses wird es also nicht geben.

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