Kommunale FinanzenKlagen kann nicht schaden

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Im März vor vier Jahren schlitterte die Greensill-Bank in die Pleite und nahm einige Millionen Euro aus Vaterstetten mit. Dort stellt man nun Strafanzeige gegen die damals Verantwortlichen.
Im März vor vier Jahren schlitterte die Greensill-Bank in die Pleite und nahm einige Millionen Euro aus Vaterstetten mit. Dort stellt man nun Strafanzeige gegen die damals Verantwortlichen. (Foto: Patrik Stollarz/afp)

Vaterstetten stellt Strafantrag gegen Verantwortliche der Greensill-Pleite, durch welche die Gemeinde mehr als fünf Millionen Euro verloren hat.

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Die Gemeinde Vaterstetten geht strafrechtlich gegen die mutmaßlich Verantwortlichen der Greensill-Pleite vor. Wie Bürgermeister Leonhard Spitzauer (CSU) nun auf Nachfrage erklärte, habe Vaterstetten Strafantrag wegen Insolvenzverschleppung gegen die damals bei der bremisch-australischen Pleitebank Zuständigen gestellt. Dies diene vor allem dazu, eine mögliche Verjährung der Vorwürfe zu verhindern, denn dies könnte auch zivilrechtliche Ansprüche der Gemeinde verfallen lassen.

Etwas mehr als vier Jahre ist es nun her, da erschütterten Nachrichten vom anderen Ende der Welt die Gemeinde Vaterstetten und besonders deren ohnehin nie besonders gut gefüllte Kassen. Die Greensill Bank mit Hauptsitz in Australien, die vier Jahre zuvor die Nord-Finanz Bank AG in Bremen übernommen hatte, wurde von der deutschen Bankenaufsicht Bafin quasi über Nacht stillgelegt. Offenbar hatten die Australier weltweit Schuldscheine – auch ungedeckte – aufgekauft, was in den Bilanzen zunächst nach einem rasanten Wachstum ausgesehen hatte. Als sich zu viele dieser Rechnungen als uneintreibbar herausstellten, brach das System zusammen, die Bank war bankrott. Davon betroffen war auch Vaterstetten, die Gemeinde hatte seit Jahren einen Teil ihrer Rücklagen bei der Bank geparkt, zum Zeitpunkt der sich abzeichnenden Pleite immerhin 5,5 Millionen Euro.

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Die Gemeinde wurde dadurch zu einem Gläubiger im Insolvenzverfahren, genau wie weitere Kommunen. 26 der betroffenen Städte- und Gemeinden hatten sich nach der Pleite zusammengeschlossen, um gemeinsam ihre Ansprüche an der Insolvenzmasse kund zu tun. Bis sich hier allerdings Erfolge einstellen – also die Kommunen zumindest einen Teil des Anlagevermögens zurückbekommen – kann es noch Jahre dauern.

Davon geht auch Bürgermeister Spitzauer aus, laut dem Insolvenzverwalter sei mit einer Verfahrensdauer von etwa zehn Jahren zu rechnen – somit wäre mit einem Abschluss erst Anfang des kommenden Jahrzehnts zu rechnen. Wohl vor diesem Zeithorizont ist auch die nun von der Gemeinde gestellte Anzeige zu sehen, diese diene dazu, so der Rathauschef, eine mögliche Verjährung bestimmter Straftatbestände zu verhindern.

Auch der Insolvenzverwalter hat sein Vorgehen verschärft, er fordert 92 Millionen Euro von früheren Greensill-Managern

Laut Strafgesetzbuch unterbricht die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens die Verjährung. Konkret hat die Gemeinde Vaterstetten Strafantrag wegen Insolvenzverschleppung gestellt, die strafrechtliche Verjährungsfrist liegt hier bei fünf, jene für zivilrechtliche Ansprüche indes nur bei drei Jahren, letzteres gilt auch für fahrlässige Fälle. Sollten die Ermittler allerdings eine Fahrlässigkeit ausschließen, steht hier auch immer der Verdacht des Betruges im Raum, und hier kennt das Zivilrecht einige Ausnahmen von der Drei-Jahres-Regel.

Dass die Verantwortlichen bei Greensill mutwillig gehandelt haben, hält man in Vaterstetten zumindest für wahrscheinlich, daher eben der Strafantrag. Laut Spitzauer sei die Gemeinde als Kundin nie über mögliche Probleme informiert worden, „wir haben das erst gemerkt, als die Bafin den Laden zugemacht hat“.

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Nicht nur in Vaterstetten hält man den Greensill-Managern strafbares Fehlverhalten vor, bereits zum Jahreswechsel hat die zuständige Staatsanwaltschaft Bremen ihre Ermittlungen in der Banken-Pleite noch einmal intensiviert: Wie zunächst die Wirtschaftswoche berichtete, gebe es mittlerweile 13 Verdächtige, darunter einige Aufsichtsräte. Ihnen wird vorgeworfen, die Lage der Bank besser dargestellt zu haben, als sie tatsächlich ist – das könnte, sollte sich der Verdacht bewahrheiten, als Betrug oder Bilanzfälschung gewertet werden.

Gegen diesen Personenkreis geht der Insolvenzverwalter, Michael Frege, in der Sache Greensill nun auch zivilrechtlich vor: Wie diese Woche bekannt wurde, hat Frege Ansprüche gegen ehemalige Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrates gestellt. Laut Handelsblatt fordert der Insolvenzverwalter genau 92.422.545,64 Euro von insgesamt sieben früher bei Greensill tätigen Personen.

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Auch dies beobachte man in Vaterstetten aufmerksam, so Spitzauer. Schließlich zahle diese Summe – so ein Gericht dem Insolvenzverwalter folgt, und das Geld bei den Beklagten aufzufinden ist – in die Insolvenzmasse ein. Wie viel die Großgemeinde am Ende aber tatsächlich wieder zurückbekommt, ist völlig offen. Vor einigen Jahren wurde einmal der Wert von 30 Prozent genannt, das wären immerhin 1,65 Millionen Euro.

Fast hätte Vaterstetten auch einmal bereits eine Million Euro aus einem Gerichtsverfahren zur Causa Greensill verbuchen können: Die Gemeinde hatte den Finanzvermittler, der die Anlagen bei der zunächst noch rein bremischen Bank eingefädelt hatte, auf Schadenersatz verklagt. 2022 gab das Landgericht München und 2023 in der Berufungsverhandlung das Oberlandesgericht der Forderung aus Vaterstetten statt. Im vergangenen Jahr verwarf diese letztinstanzlich aber der Bundesgerichtshof.

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