Süddeutsche Zeitung

Vaterstetten:Gesparter Konflikt

Weil sich in Vaterstetten Anwohner gegen den Bau von Gehwegen stemmen, wird die Sanierung einer Straße zum Teil verschoben. Womöglich für lange Zeit, denn der Gemeinderat beschließt zugleich Kürzungen beim Straßenbau

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Dass die Verkehrswege in der Großgemeinde Vaterstetten hauptsächlich Wege für den motorisierten Verkehr seien, wird oftmals beklagt. Doch es gibt auch die Gegenposition, dass man doch bitte mehr Rücksicht auf das Auto nehmen möchte. Offenbar wohnen besonders viele Vertreter dieser Sichtweise in der Dahlienstraße, denn von dort hatte die Gemeinde viel Widerspruch zu einer geplanten Straßensanierung erreicht. Streitpunkt ist, dass mit der Erneuerung der Fahrbahn auch Gehwege gebaut werden sollen, welche die Anwohner mit Verweis auf dann eventuell wegfallende Parkmöglichkeiten ablehnen. Nun hat die Gemeinde dem Protest nachgegeben. Der Abschnitt der Dahlienstraße, wo besonders viele Ausbaugegner wohnen, wird erst einmal nicht saniert.

Möglich macht dies die Kategorisierung des Straßennetzes in Vaterstetten, diese wurde vor einigen Jahren eingeführt, um den Sanierungsbedarf abschätzen zu können. Dazu sind seit 2013 sämtliche Straßen untersucht und mit einer Note von eins bis sieben versehen worden, je nach Zustand. Die kaputtesten Straßen der Kategorie sieben sind inzwischen alle saniert, nun steht die Kategorie sechs an. In diese fallen laut Bauamt die Alpenrosenstraße und die Dahlienstraße - letztere aber nur zum Teil. Denn wie Bauamtsleiterin Brigitte Littke nun in der Gemeinderatssitzung erklärte, sei genau genommen nur der östliche Teil bis zur Abzweigung Kirchenweg ein Sanierungsfall. Der Westteil falle in die Kategorie fünf und müsste daher nicht unbedingt ertüchtigt werden.

Damit bleiben dann auch die von den Anwohnern so hartnäckig bekämpften Gehwege weg, insgesamt 49 Einwände hatten die Gemeinde erreicht. Allerdings machte Littke auch klar, dass dort, wo ausgebaut wird, auch die Gehwege entstehen. Dabei orientiere man sich zum einen an den "Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen", einem seit 2007 als Leitfaden für Kommunen verwendetem Regelkatalog, als auch an den vorhandenen Straßenbreiten. Die sind in dem betreffenden Gebiet überdurchschnittlich: Zwischen sechs und zehn Metern, "das ist Gewerbegebiets-Standard für Lastwagenverkehr" so Littke.

Neben Frieden mit den Anwohnern gewinne die Gemeinde aber durch den Teilausbau auch noch etwas anderes, betonte Bürgermeister Leonhard Spitzauer (CSU): nämlich 311 000 Euro. So viel weniger muss man laut Kalkulation des Bauamtes ausgeben, wenn der westliche Teil der Dahlienstraße bleibt, wie er ist. 577 000 Euro kostet die Maßnahme nun insgesamt. Was gerade in der aktuell unsicheren Finanzlage durch die Corona-Krise nicht ungelegen kommt. Weshalb die Verwaltung gleich noch einen weiteren Beschlussvorschlag einreichte. Heuer sollen zwischen 700 000 und 800 000 Euro im Straßenbaubudget eingespart werden, kommendes Jahr sogar bis zu 1,5 Millionen Euro.

Was Michael Niebler ausdrücklich begrüßte, der CSU-Fraktionssprecher verwies darauf, dass man ansonsten ausgerechnet im Corona-Jahr einen Straßenbauetat von rund 2,5 Millionen hätte, was mehr als eine Million über dem langjährigen Durchschnitt liege. In dem Zusammenhang halte er in der Dahlienstraße "den Vollausbau aus haushaltspolitischen Gründen nicht für nicht vertretbar". Etwas kritischer sah dies Zweite Bürgermeisterin Maria Wirnitzer (SPD), sie stimmte zwar der Zurückstellung zu, erinnerte aber daran, dass die Gemeinde auf dem westlich der Dahlienstraße gelegenen Grundstück eine Kita bauen wollte. Wenn dort dann einmal kleine Kinder unterwegs seien, "braucht es den Fußweg". Ihr Fraktionskollege Josef Mittermeier beantragte daher, zumindest die Planung für die komplette Dahlienstraße schon einmal auf Vorrat zu beschließen, was aber keine Mehrheit fand.

Klaus Willenberg (FDP) stellte die Frage, ob man es sich in der Corona-Krise und den damit verbundenen Haushaltsrisiken überhaupt leisten könne, Anliegerstraßen auszubauen. Dies sei eine gemeindliche Pflichtaufgabe, sagte Littke, und da man angesichts der Kapazitäten im Bauamt nur etwa drei solcher Vorhaben pro Jahr betreuen könne, "sollten wir es schon voranbringen, trotz Corona". Was aber wohl bedeute, dass wenn die Dahlienstraße West jetzt nicht ausgebaut werde, "das auch in 30 Jahren nicht kommt", meinte Benedikt Weber (CSU). Schließlich stünden etwa 40 Straßen der Kategorie sechs auf der Agenda, die dann alle zuerst saniert werden müssten. Die 30 Jahre mochte der Bürgermeister zwar nicht bestätigen. Dass es aber etwas dauern könne, bis es im Westen der Dahlienstraße etwas Neues gibt, sei auf jeden Fall richtig - es stehe ja auch nicht im Beschluss, für wie lange die Maßnahme zurückgestellt werde.

Dies wurde bei der anschließenden Abstimmung zwar einstimmig beschlossen, gegen den Zeitplan, im kommenden Frühjahr mit der Sanierung der östlichen Dahlienstraße und der Alpenrosenstraße zu beginnen, stimmten Willenberg, seine Fraktionskollegin Renate Will, Weber und aus seiner Fraktion noch Ilona Dreier, Theresa Fauth und Stefan Huber. Diese sechs Gegenstimmen gab es auch zum Sparprogramm für den Straßenbau.

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SZ vom 23.11.2020
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