Vaterstetten:Gegen das Vergessen

Vaterstetten: Bürgermeister Georg Reitsberger (links) und sein Bruder Willi Reitsberger laden am Sonntag zum Gedenktag ein.

Bürgermeister Georg Reitsberger (links) und sein Bruder Willi Reitsberger laden am Sonntag zum Gedenktag ein.

(Foto: Christian Endt)

Am Sonntag erinnert der Krieger- und Soldatenverein beim 90. Gründungsfest an Opfer aus der Region

Von Sandra Langmann, Vaterstetten

Um den Gefallenen des 1870er-Krieges zu gedenken, wurde einst eine Gedenktafel errichtet. Die Kameraden, die nach dem Krieg nicht nach Hause zurückkehrten, wurden darauf verewigt. Zu diesem Zeitpunkt ahnte noch niemand, dass die viel größere Katastrophe mit dem Ersten Weltkrieg noch bevorstand, erzählt Vaterstettens Bürgermeister Georg Reitsberger bei einem Treffen im Biergarten des Gasthofes Landlust.

1927, als der Krieger- und Soldatenverein (KSV) unter dem Namen Krieger- und Veteranenverein gegründet wurde, genügte dann eine einfache Gedenktafel nicht mehr. Zu viel Menschenunwürdiges war geschehen und sollte auch nicht mehr vergessen werden. "Die Menschen zogen voller Begeisterung in den Krieg", so Willi Reitsberger, Vorstand des KSV. Dass dieser zu einem Stellungskrieg ausartete, damit hatte keiner gerechnet. "Die dachten, die kommen zu Weihnachten wieder zurück", ergänzt sein Bruder Georg Reitsberger, Bürgermeister und Vereinsmitglied. "Man hatte das Bedürfnis, den tapferen Soldaten, die ihr Leben im Krieg gelassen hatten, ein Denkmal zu setzen."

Die Weihung des Kriegerdenkmals am 31. Juli 1927, das im Dorfkern der Gemeinde steht, war zugleich auch das Gründungsfest des KSV. Mit Gottesdienst und Fahnenweihe wurde dieses zu einem denkwürdigen Ereignis. Der knieende Soldat gilt seither als Sinnbild für die Trauer um die Opfer des Krieges. Die Fahne des KSV wurde damals eigens in Bonn angefertigt, den Gottesdienst an diesem Tag vor 90 Jahren hielt der Militärgeistliche Pater Rupert Mayer, ein Mann der später, während des Zweiten Weltkriegs, ins KZ kam.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, der noch mehr Opfer forderte, musste das Denkmal um zwei Flanken erweitert werden. Der Großvater von Georg und Willi Reitsberger war zu dieser Zeit Ortsvorstand und für die Organisation verantwortlich. Seit 1927 hatte der Vaterstettener Verein jedes Jahr eine geistliche Gedenkfeier organisiert. Unter dem nationalsozialistischen Regime war dies allerdings nicht mehr möglich. Die Kirche ließ man außen vor, und auch Vereine waren aufgrund des deutschen Gemeinschaftssinnes unerwünscht.

"Vereine waren zu individuell", so Georg Reitsberger. Bei der Gedenkfeier war zwar musikalische Begleitung gewünscht, die Musiker fehlten aber. Da mussten die Buben der Volksschule mit Trommeln einspringen, erzählt der Rathauschef. Sein Vater und sein Großvater haben ihm und seinen Brüdern viel von den damaligen Geschehnissen erzählt. "Daher wollte ich nicht in den Wehrdienst", erklärt der Bürgermeister. Aber auch auf dem Hof sei er unentbehrlich gewesen. Seine Brüder leisteten hingegen Wehrdienst - auch Willi Reitsberger, der nach 15 Monaten 1978 als Soldat dem Verein beitrat und seit 1999 Vorsitzender im KSV ist.

Seit der Gründung vor 90 Jahren hat sich beim Traditionsverein einiges geändert. 1927 hatte der KSV 35 Mitglieder - heute sind es 125. Das ist darauf zurückzuführen, dass auch beitreten kann, wer keine militärische Laufbahn vorzuweisen hat. Jeder kann Mitglied werden, der gewillt ist, die Aufgaben des Vereins zu fördern - auch, wer keinen Wehrdienst geleistet hat. "Auch Frauen sind herzlich willkommen", betont Willi Reitsberger. Vor einigen Jahren sei das noch unvorstellbar gewesen.

"Seit 72 Jahren hat es bei uns keinen Krieg mehr gegeben", erzählt der Bürgermeister, und das müsse man einfach mehr zu schätzen wissen. "Diese Wertschätzung möchten wir den Leuten näherbringen." Die Geschichten, die ihm früher sein Großvater erzählt hatte, müssen auch heute weitergegeben werden. Was passierte, dürfe nicht in Vergessenheit geraten, ist Georg Reitsberger überzeugt. Dafür steht der Krieger- und Soldatenverein Vaterstetten.

Und auch durch Städtepartnerschaften möchte die Gemeinde Anteilnahme zeigen. Am 14. Juli findet der französische Nationalfeiertag statt, an dem die Partnerstadt Allauch zu Besuch in Vaterstetten ist. "Auch Frankreich war vor Kurzem erst wieder Opfer des Terrors, das hat auch uns betroffen", sagt der Bürgermeister. Als der Amoklauf in München passierte, habe man in Allauch ebenso Anteilnahme gezeigt. "Man ist füreinander da." Nicht nur mit Frankreich, sondern auch mit den USA sind die Vaterstettener in Kontakt. Am 19. Juli 1944 stürzte ein amerikanischer Bomber nach dem schwersten Fliegerangriff in München über Vaterstetten ab. Vier Mitglieder überlebten den Absturz, an der Absturzstelle wurde eine Gedenktafel errichtet. Die Amerikaner zeigten sich davon tief beeindruckt und luden Georg Reitsberger zu einem Rundflug nach Texas ein.

Heute sei der Terror unser größter Feind und man müsse überall für mehr Sicherheit sorgen, so Reitsberger. "Doch wir müssen glücklich und dankbar sein, dass man noch gemütlich im Biergarten sitzen darf. "

Das 90. Gründungsfest des Krieger- und Soldatenvereins Vaterstetten beginnt am Sonntag um 8 Uhr mit Empfang und Weißwurstessen. Von 9 Uhr an geht es zum Gottesdienst, zum Kriegerdenkmal und dann wieder zurück zum Volksfestplatz.

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