Süddeutsche Zeitung

Vaterstetten:Gänse, Politik und Platzerl

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Der stellvertretende Bild-Chefredakteur Nikolaus Blome ist zu Gast bei der Vaterstettener CSU

Von Theresa Parstorfer, Vaterstetten

Die letzten Teller mit den Überresten einiger Martinsgänse wurden noch aus dem Festsaal im Wirtshaus "Zum Altschütz" getragen, als der stellvertretende Bild-Chefredakteur, Nikolaus Blome, von seinem Platz an der mittleren Tafel aufstand, um sich hinter dem Rednerpult zu positionieren. Während am Sonntagabend der beginnende Winter mit Regensturm an die Türen pochte, war die Stimmung beim traditionellen Gansessen des Vaterstettener Ortsverbandes der CSU freudig-gespannt angesichts des diesjährigen Besuchs aus Berlin. Alljährlich lädt der Ortsverband der CSU einen "profilierten Medienvertreter ein, seine Sicht auf unser Land" darzulegen, so Michael Kundler, Ortsvorsitzender der CSU, in seiner Begrüßungsrede. In Nikolaus Blome hatte sich der Verband nicht nur einen preisgekrönten Journalisten, sondern auch deutschlandweit beliebten Talkshowgast ins Haus geholt. Blome, der in der wöchentlich auf Phoenix ausgestrahlten Show "Augstein und Blome" den konservativen Part übernimmt, habe zumindest in dieser Hinsicht Überschneidungspunkte mit der Partei, fuhr Kundler fort. Einiges, was im Freistaat passiere, verstehe er jedoch nicht, gab Blome einige Minuten später zu. Von "tribalen Strukturen" - Gelächter - bis hin zu dem, was die CSU in den vergangenen zwei Jahren veranstaltet habe, "wenn man das überhaupt Kurs nennen kann" - schallendes Gelächter. Während der Bild-Vize die Einzigartigkeit der Christsozialen betonte, was ihr Selbstverständnis als einzig wahre "Staatspartei" sowie ihre "grandiose Spannkraft" anging, erntete er zustimmenden Applaus für den Kritikpunkt, die Partei habe in jüngster Zeit versucht, "Tiger und Kätzchen" zugleich zu sein, mit fatalen Folgen für das Wahlergebnis.

In seinem Vortrag über die Frage, ob derzeit ein "Rechtsruck" durch die Bundesrepublik gehe, lieferte Blome eine "wie bei Bild" kurze Analyse des "müden" Wahlkampfes sowie eine Prognose für die möglicherweise bevorstehende Jamaika-Koalition, die Neuwahlen um jeden Preis vorzuziehen sei. Das "Flüchtlingsthema" - explizit vermied er das Wort "Krise" - sei sowohl für den Ausgang der Wahl als auch für die künftige Regierung entscheidend. Als "soziales Thema" müsse es verstanden und behandelt werden, und dabei spiele die "Provinz ohne negative Konnotation" eine wichtige Rolle. Bessere Anbindung der ländlichen Regionen sei unerlässlich, wenn die Integration Geflüchteter funktionieren solle. Ambulanz und Polizei sei da so ein Punkt. Acht Minuten dürfe ein Krankenwagen an einen Einsatzort brauchen, führte Blome als Beispiel für die vielerorts noch verbesserungswürdigen Standards an.

Tragischerweise, aber nicht ohne eine Prise Schicksalsironie, konnte der Vaterstettener Rettungsdienst beweisen, dass er diese Standards erfüllt. Als bei einer Dame im Publikum der Kreislauf kollabierte, benötigten die Sanitäter keine sechs Minuten, was jedoch gewiss auch daran lag, dass sich die Rettungszentrale direkt neben dem Wirtshaus befindet.

Nach einiger Aufregung konnte die Veranstaltung fortgesetzt werden, und Blome bewies Taktgefühl, indem er Besserungswünsche aussprach und auf jegliche humorvolle Bezugnahme auf zuvor Gesagtes verzichtete. Stattdessen dekonstruierte er im letzten Teil seines Vortrages die anfangs gestellte Frage nach dem "Rechtsruck". Mit dem Begriff könne er noch nicht so viel anfangen, da die AfD als "Protestpartei" zwar eine "Partei wie keine andere" sei, aber die konservative Mitte - also CDU/CSU - durchaus noch die Chance hätte, zu verhindern, dass aus einem kurzlebigen Phänomen eine "gewandelte, bürgerlich konservative AfD" würde. Das sei möglich, nicht weil Merkel verspreche, nun völlig neue Politik zu betreiben, sondern weil sie allein durch die Wahrnehmung, dass dies ihre letzte Amtszeit sein wird, "anders gesehen werden kann". Horst Seehofer hingegen müsse aufpassen, sich nicht zwischen die Stühle zu setzen, zwischen denen seine Partei gerade stehe. Eine Metapher, die erneut Anlass zu Gelächter bot und nach einer kurzen Fragerunde wurde Blome mit einem großen Korb "Platzerl" - nicht "Plätzchen" - für seinen mutigen Ausflug in die Mitte der bayerischen Provinz gedankt.

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Quelle:
SZ vom 14.11.2017
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