"Illegale Rodungen":Vaterstetten: Grundbesitzer lässt 150 Bäume fällen

"Illegale Rodungen": Mit schwerem Gerät sind Arbeiter am vergangenen Wochenende auf dem Grundstück in Baldham angerückt und haben etwa 150 Bäume gefällt.

Mit schwerem Gerät sind Arbeiter am vergangenen Wochenende auf dem Grundstück in Baldham angerückt und haben etwa 150 Bäume gefällt.

(Foto: Privat)

Nach Auskunft der Gemeinde gab es nur für vier Bäume eine Genehmigung. Anwohner alarmieren deshalb die Polizei.

Von Daniela Gorgs, Vaterstetten

Plötzlich ging alles ganz schnell: Innerhalb weniger Stunden war das Stückchen Wald auf dem Grundstück an der Baldhamer Erika-Köth-Straße regelrecht abrasiert. Der Harvester, eine Forstmaschine mit Greifarm, Zange und Säge, mähte auf der 10 000 Quadratmeter großen Fläche reihenweise Fichten um. Am vergangenen Freitag seien innerhalb von zwei Stunden 30 bis 50 Bäume gefallen, am darauffolgenden Samstagvormittag weitere 50, wie ein Anwohner schätzt. Wegen dieser "illegalen Rodungen" hatten Anwohner Samstagfrüh die Polizei angerufen.

Die Baumfällarbeiten aber stoppte der Zweite Bürgermeister Martin Wagner (CSU). Am Samstagmittag, als er gerade am Infostand für seine Partei warb, erreichte ihn der Anruf eines Anwohners am Mozartring. Weil er den Ersten Bürgermeister nicht erreichte, fuhr Wagner selbst zur Erika-Köth-Straße. Nachdem er sich die Genehmigung der Rodungsarbeiten zeigen ließ, stoppte er sofort die Fällaktion. Wie Wagner berichtet, hatte der Besitzer lediglich die Erlaubnis, vier Rotfichten umzuschlagen. Dort, wo Fichten in drei bis vier Reihen standen, liegen jetzt Baumstämme quer. Wagner schätzt, dass etwa 150 Bäume gefällt wurden. Nach Angaben der Anwohner wurden die Bäume in den 1960-Jahren vom damaligen Besitzer gepflanzt.

In der Nacht zum Freitag fegte der Orkan drei Bäume um, die die Feuerwehr sorgfältig zur Seite räumte. Die vier Fichten, die gefällt werden durften, waren vom Borkenkäfer befallen. Ob die weiteren schätzungsweise 100 bis 140 Bäume illegal gefällt wurden, wird jetzt ein Baumsachverständiger begutachten. Der Geschäftsführer der Gemeindeverwaltung Vaterstetten, Georg Kast, sagt, es werde möglicherweise ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen den Besitzer eingeleitet werden. Der Leiter des Umweltamtes der Gemeinde, Wolfgang Kuhn, wird sich an diesem Dienstag ein Bild verschaffen und das Ausmaß der Ordnungswidrigkeit feststellen. Dem Besitzer sei bereits schriftlich mitgeteilt worden, dass er wegen der Beweissicherung die gefällten Bäume nicht wegräumen darf.

"Komischerweise" immer am Freitagnachmittag

In der Gemeinde Vaterstetten gilt seit 1984 eine Baumschutzverordnung. Danach dürfen alle Bäume ab einem Umfang von einem Meter und mit mehr als 100 Zentimetern Höhe über dem Boden nur mit Genehmigung des örtlichen Umweltamtes verändert oder gefällt werden. Außerdem gibt es während der Vogelbrut besondere Schutzzeiten. Letzteres muss dem Besitzer bekannt gewesen sein. In den letztmöglichen Tagen Ende Februar ließ er die Bäume umlegen. Seit Sonntag, 1. März, sind Fällaktionen in Privatgärten wegen der Baumbrüter untersagt, erläutert Kast. Solche Aktionen passierten "komischerweise" immer am Freitagnachmittag, wenn die Gemeindeverwaltung nicht mehr erreichbar ist, sagt der Vaterstettener Geschäftsleiter. Er habe schon mit dem Leiter der Polizeiinspektion Poing gesprochen, wie man sich in solchen Fällen künftig besser vernetzen könne.

"Illegale Rodungen": Der Gemeinde Vaterstetten zufolge waren nur vier Fällungen rechtmäßig.

Der Gemeinde Vaterstetten zufolge waren nur vier Fällungen rechtmäßig.

(Foto: Privat)

Eine Polizeistreife rückte am Samstagvormittag nach dem Anruf eines Anwohners zur Erika-Köth-Straße in Baldham aus. Weil die Beamten keine unrechtmäßige Abholzung erkennen konnten, hätten sie die Aktion nicht gestoppt, teilt die Polizeiinspektion Poing mit. Es habe eine Genehmigung der Gemeinde vorgelegen. Um nach dem Sturm weiteren Schaden abzuwenden, hätten die Waldarbeiter erklärt, dass sie mit einer "mündlichen Genehmigung" auch die weiteren Bäume fällen dürften. So sei es den Beamten mitgeteilt worden.

Der Besitzer hat bereits über eine Anwaltskanzlei die Gemeinde kontaktiert. Der Anwalt möchte sich auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung aber nicht zu der Rodung äußern. Für die Gemeinde Vaterstetten ist die Fällaktion sehr ärgerlich. "Gott sei Dank waren es nur Fichten", sagt der Zweite Bürgermeister. Martin Wagner hofft, dass der Besitzer dazu verdonnert wird, für jeden möglichen illegal gefällten Stamm einen Laubbaum pflanzen zu müssen. Den Anwohnern wird diese Aufforstung so schnell nichts nutzen. Sie können ihre gemieteten Grundstücke vorerst nicht mehr als "schön eingewachsen" beschreiben.

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