Vaterstetten:Die schwierige Definition von Freiheit

Vaterstetten: Mit Interesse folgten etwa 40 Gäste den Ausführungen der früheren Ministerin zum Thema Datenschutz.

Mit Interesse folgten etwa 40 Gäste den Ausführungen der früheren Ministerin zum Thema Datenschutz.

(Foto: Christian Endt)

Die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sprach in Vaterstetten

Von Jan Schwenkenbecher, Vaterstetten

Freiheit, was ist das eigentlich? Ist Freiheit, wenn Bürger ohne Angst leben können, weil der Staat alles tut, um Anschläge, um Terrorismus zu verhindern? Oder ist Freiheit, wenn der Staat sich dahin gehend zurückhält, wenn er nicht abhört und mitliest? Ist Freiheit Sicherheit oder ist Freiheit Privatsphäre? Dieser nicht ganz einfachen Frage widmete sich Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, seit 1978 Mitglied der FDP, am Montagabend im Gasthaus Landlust im Reitsbergerhof in Vaterstetten. "Mehr Sicherheit und individuelle Freiheitsrechte - ein Widerspruch?", hieß der Vortrag, den die ehemalige Bundesjustizministerin auf Einladung des Ebersberger Kreisverbands der FDP hielt.

Freiheit bedeute einerseits, "sich unkontrolliert bewegen zu können", so Leutheusser-Schnarrenberger. Andererseits aber auch, "sicher zu sein, in seinem persönlichen Bereich nicht beobachtet und kontrolliert zu werden". Die Hoffnung auf eine einfache Antwort, wie beides gemeinsam erreicht werden könne, nahm Leutheusser-Schnarrenberger den etwa 40 Zuhörern gleich zu Beginn ihres Vortrags: "Können wir diesen Widerspruch auflösen? Nein, können wir nicht." Das heißt für sie aber nicht, dass man sich der Problematik nicht stellen sollte. "Wir, die FDP, nähern uns diesem Thema in Hinblick auf die grundrechtlich verbürgten Freiheitsrechte", so Leutheusser-Schnarrenberger. Grundgesetz und Menschenrechte seien ihr als gelernte Juristin heilig. "Wir setzen uns schon dafür ein, dass der Staat das Gewaltmonopol hat", sagte sie, "ansonsten hätte es ja einfach der Stärkere." Dabei müsse man jedoch die richtige Balance finden zwischen Freiheit und innerer Sicherheit. "Der Staat muss leisten, wozu er in der Lage ist", so Leutheusser-Schnarrenberger, "aber: wozu er in der Lage ist, unter Wahrung der Kernelemente der Freiheit."

Leutheusser-Schnarrenberger machte deutlich, dass sie nicht grundsätzlich dagegen ist, dass der Staat Daten sammelt. Sie gab sich als Pragmatikerin. Man müsse sich immer fragen, so Leutheusser-Schnarrenberger, was denn was bringe. "Es geht nicht darum, den Daten-Heuhaufen immer größer zu machen." Denn dann würde auch die Nadel immer kleiner. Die Mindestanforderung an Maßnahmen müsse immer sein, dass "es einen konkreten Anlass gibt".

Eine Haltung, die man auch an Eckdaten ihrer Karriere beobachten kann. 1996 trat die gebürtige Mindenerin freiwillig als Bundesjustizministerin zurück, da sie gegen die geplante akustische Wohnraumüberwachung war, für die sich die FDP nach einer Mitgliederbefragung ausgesprochen hatte. 2007 erhob sie Verfassungsbeschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung, die Klage wurde 2010 angenommen.

Auf Basis dieser Haltung positionierte sich Leutheusser-Schnarrenberger am Montagabend auch klar gegen die Union. Eine einjährige Präventivhaft für Gefährder, die dann immer wieder um ein Jahr verlängert werden könne, wie sie die bayerische Regierung einführen möchte; eine elektronische Fußfessel für Gefährder, für die Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) wirbt und die im sogenannten BKA-Gesetz das Bundeskabinett passiert hat - das sei alles falsch. Eine Vorbeugehaft von bis zu 14 Tagen sei auch jetzt schon juristisch möglich. Und eine Fußfessel für Personen, die letztlich noch gar nichts verbrochen hätten, sei ein viel zu großer Eingriff. "Alle möglichen Mechanismen, alle Eingriffsrechte, werden nicht zu absoluter Sicherheit führen", so Leutheusser-Schnarrenberger. Und spätestens, "wenn die eigene Verfassung verletzt wird, gerät die Balance außer Kontrolle."

In solchen Fällen sei Deutschland aber gut aufgestellt. "Viele andere Staaten", so Leutheusser-Schnarrenberger zum Abschluss des Vortrags, "beneiden uns darum, dass wir beim Bundesverfassungsgericht gegen Gesetze vorgehen können." Ob sie bei diesem Satz ein konkretes Gesetz im Sinn hatte, sagte sie nicht.

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