Vaterstetten:Der hungrige Patient

Vaterstettens Haushalt steht 2017 ganz im Zeichen des Schulneubaus, daran wird sich in den kommenden Jahren auch nichts ändern. Was sich aber ändern muss, da sind sich alle einig, ist die Einnahmensituation

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Nicht nur die Leber wächst mit ihren Aufgaben, wie es ein bekanntes Sprichwort behauptet, dies gilt auch in Haushaltsfragen. So steigt das Volumen des Vaterstettener Verwaltungshaushaltes heuer erstmals über die Marke von 50 Millionen, insgesamt werden in der Kämmerei der Großgemeinde 77,6 Millionen Euro ausgegeben und eingenommen. Wobei letzteres zunehmend ein Problem ist, fraktionsübergreifend gab es darum Forderungen, die Einnahmensituation der Gemeinde zu verbessern. Darüber, wie das geschehen soll, dürfte es aber noch viel Diskussionsbedarf geben.

Christl Mitterer (CSU) verglich die Situation der Gemeindekasse mit der eines Patienten. "Überall zwickt und zwackt es", der Grund dafür: "schlechte Ernährung", also zu wenig Einnahmen. Wie schlecht die Lage ist, hatte zuvor Kämmerer Markus Porombka dargestellt. Besonders bei der Gewerbesteuer gebe es ein strukturelles Problem. Insgesamt 7,5 Millionen Euro werde man daraus heuer wohl erzielen - was nicht nur um gut eine halbe Million weniger ist als vergangenes Jahr, auch im bayernweiten Vergleich schneidet Vaterstetten schlecht ab. Eine Gemeinde dieser Größe müsste eigentlich das Doppelte an Einnahmen aus der Gewerbesteuer erzielen.

Eine Tatsache, aus der man sehr unterschiedliche Schlüsse ziehen kann, wie die Debatte zeigte. Herbert Uhl (FW) bemängelte, das Strukturproblem seien weniger die mangelnden Einnahmen, als die fehlende Ausgabendisziplin: "Ich möchte gar nicht aufzählen, was hier im vergangenen Jahr alles an neuen freiwilligen Leistungen beschlossen wurde." Manfred Schmidt (FBU/AfD) kritisierte ebenfalls mangelnden Sparwillen, die ausbleibende Gewerbesteuer dagegen sei der Beweis, dass sich "Flächenfraß" nicht lohnt. Gemeint ist das neue, 30 Hektar große Gewerbegebiet in Parsdorf, dessen Einnahmen hinter den Erwartungen zurück bleiben. Dies abschließend zu beurteilen, dafür sei es noch zu früh, sagte dagegen CSU-Fraktionssprecher Michael Niebler, bei jedem Gewerbegebiet gebe es "Anfangs-Verluste", er empfahl, bis zu einem endgültigen Urteil mindestens fünf Jahre zu warten. "Das Gewerbegebiet Parsdorf war richtig", sagte auch SPD-Fraktionssprecher Sepp Mittermeier. Er regte aber auch an, bei künftigen Gewerbegebieten solle man auf "mehr Qualität statt Quantität" setzen, also kleine und mittlere Betriebe ansiedeln, die auch hier Steuern zahlen. In Parsdorf habe man eindeutig auf den "falschen Branchen-Mix" gesetzt, meinte auch Stefan Ruoff (Grüne), das Gewerbe bringe der Gemeinde wenig ein, erzeuge dafür aber viel Verkehr, für den man nun eine Umgehungsstraße bauen müsse.

Kreisel, Kreisverkehr - Parsdorf

Für das neue Parsdorfer Gewerbegebiet und seine Straßen wurde viel Fläche verbraucht - die Einnahmen für die Gemeinde sind eher gering.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

In diesem Zusammenhang sorgte eine Aussage des Bürgermeisters für etwas Verwirrung. Georg Reitsberger (FW) erklärte nämlich vor der Debatte - nachdem er den Haushalt als solide gelobt hatte - dass er diesem nicht zustimmen könne, eben weil dort auch Geld für die Umgehungsstraße eingeplant ist, die er aus Kostengründen und wegen des hohen Flächenverbrauchs ablehne. Es sei "kein guter Stil", einmal gefasste Grundsatzentscheidungen ständig abzulehnen, bemängelte Mittermeier. Er warf den Kritikern der Umgehung außerdem vor, ihr "grünes Gewissen" sehr selektiv einzusetzen "als es um die Ausweisung des Gewerbegebiets ging, war es nicht so ausgeprägt". Mitterer stellte dem Kämmerer die Frage, was denn der Gemeinde drohe, folge das Gremium dem Beispiel des Bürgermeisters. Dann gebe es eine "haushaltslose Zeit", so die Antwort, in der keine Investitionen - egal, ob Umgehungsstraße oder Feuerwehrauto - möglich seien. Auch Renate Will (FDP) nannte es "eine sehr ungewöhnliche Haltung, dass der Bürgermeister den Haushalt der eigenen Kämmerei ablehnt".

Was Reitsberger dann aber doch nicht tat. Bei der Abstimmung über den Haushalt lehnte er lediglich den Finanzplan - einen mehr oder weniger groben Ausblick der Jahre 2018 und folgende - ab, weil darin die großen Ausgaben für die Umfahrung eingestellt sind. Dies wolle er als "einen Schuss vor den Bug" verstanden wissen, bei der Umfahrung noch einmal umzudenken. Reitsberger würde die sehr raumgreifende Trasse, die derzeit im Planfeststellungsverfahren ist, gerne fallen lassen zugunsten einer flächenschonenderen Variante. Auf Nachfrage sagte der Bürgermeister, dass er den Haushalt ablehnen wolle, sei ein Missverständnis gewesen. Reitsberger bleibt aber bei seiner Kritik an der Ortsumfahrung, die nicht nur zu viel Fläche verbrauche, "wir haben auch kein Geld dafür".

Denn die Gemeinde, das wurde ebenfalls in der Sitzung deutlich, hat in den kommenden Jahren ein anspruchsvolles Investitionsprogramm vor sich. Noch im März beginnt der Bau der neuen Grund- und Mittelschule, 40 Millionen Euro werden bis 2019 dafür fällig, alleine heuer sind es 12,6 Millionen. Bezahlt werden kann dies nur durch neue Schulden und einen kräftigen Griff in die Rücklagen. Diese werden bis 2019 von jetzt 26,6 Millionen auf rund 600 000 Euro sinken, während die Schulden im gleichen Zeitraum von 6,7 auf 18,4 Millionen steigen. Erst 2020, nach dem Verkauf des alten Schulgrundstücks, ist Entspannung in Sicht.

Die Zahlen

Gesamtvolumen: 77,6 Mio. Euro

Verwaltungshaushalt: 50,2 Mio. Eiro

Vermögenshaushalt: 27,4 Mio. Euro

Größte Einnahmen

Einkommensteuer: 19,4 Mio. Euro

Gewerbesteuer: 7,5 Mio. Euro

Grundsteuer: 3,8 Mio. Euro

Größte Ausgaben/Investitionen

Kreisumlage: 13,4 Mio. Euro

Neubau Schule: 12,6 Mio. Euro

Personalkosten: 8,5 Mio. Euro

Schuldenstand aktuell: 6,7 Mio. Euro

Ende 2017 (Plan): 10,2 Mio. Euro

Ende 2019 (Plan): 18,4 Mio. Euro

Ende 2020 (Plan): 16,9 Mio. Euro

Rücklagen aktuell: 26,3 Mio. Euro

Ende 2017 (Plan): 14,8 Mio. Euro

Ende 2019 (Plan): 0,6 Mio. Euro

Ende 2020 (Plan): 19,1 Mio. Euro

Aber nur vorübergehend, denn die nächsten Großprojekte stehen bereits auf der Liste. Etwa die Wendelsteinschule und das Rathaus, beide gelten als zu klein und nicht mehr im besten Zustand. Der Verwaltungssitz musste kürzlich für rund 330 000 Euro notsaniert werden - ansonsten wäre er aus Brandschutzgründen stillgelegt worden. An der Schule stand vor zwei Jahren ebenfalls eine Notmaßnahme an, für 100 000 Euro wurde das einsturzgefährdete Turnhallendach geflickt. Parallel dazu läuft in den kommenden Jahren die Sanierung der Schule an der Brunnenstraße, was nach derzeitigem Stand mindestens 2,15 Millionen Euro kosten wird.

Anderes wird man sich dagegen wohl versagen müssen, etwa den Bürgersaal oder die Umgestaltung des Vaterstettener Ortszentrums. Diese Wünsche, so der Bürgermeister, seien derzeit "unerfüllbar". Insgesamt wurde der Haushaltsentwurf gegen die Stimme von Manfred Schmidt (FBU/AfD) gebilligt.

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