Ortsentwicklung in Vaterstetten:Einladung ans Verwaltungsgericht

Lesezeit: 3 Min.

In der Nähe des Gewerbegebäudes an der Karl-Böhm-Straße in Baldham sollen zwei neue Mehrfamilienhäuser entstehen. Der Bauausschuss ist mehrheitlich dagegen. (Foto: Christian Endt)

Vaterstettens Bauausschuss lehnt einen Bauantrag ab – obwohl dieser Beschluss rechtswidrig ist. In der Debatte wird deutlich: Den Mitgliedern geht es ums Prinzip.

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

„Wir vier kommen schon mal nicht ins Gefängnis“, fasste Bürgermeister Leonhard Spitzauer (CSU) das Ergebnis einer kontroversen Debatte jüngst im Bauausschuss zusammen. Dort war gerade ein Bauantrag mit großer Mehrheit gescheitert, fast alle Ausschussmitglieder, darunter beide Stellvertreter des Rathauschefs, hatten das Vorhaben abgelehnt. Was allerdings keinen Bestand haben dürfte, denn tatsächlich ist der Beschluss – darauf hatte auch die Verwaltung verwiesen – wohl rechtswidrig. Das wussten natürlich auch die Mitglieder des Bauausschusses, doch bei der Ablehnung, das wurde sehr deutlich, geht es den Lokalpolitikern ums Prinzip.

Strafrechtliche Folgen, wie sie der Bürgermeister etwas scherzhaft andeutete, haben die Ausschussmitglieder natürlich keine zu erwarten. Die Justiz wird sich aber vermutlich dennoch des Beschlusses annehmen, in dem Fall das Verwaltungsgericht. Dieses wird immer dann angerufen, wenn es beispielsweise um die Rechtsgültigkeit von Baugenehmigungen geht – das gilt auch, um die Frage zu klären, ob deren Ablehnung rechtsgültig erfolgt ist.

Es gilt ein berüchtigter Paragraf: Gebaut werden darf, was sich in die Umgebung einfügt

Dass das im aktuellen Fall nicht so sein dürfte, hat Bauamtsleiterin Brigitte Littke in der Sitzung des Öfteren deutlich gemacht. Konkret ging es um einen in der Großgemeinde nicht unüblichen Vorgang: Nachverdichtung innerhalb eines Wohngebietes ohne Bebauungsplan. Dabei gilt der Paragraf 34 des Baugesetzbuches, der nicht ganz zu Unrecht ein bisschen berüchtigt ist. Denn danach darf gebaut werden, was sich in die Umgebung einfügt – was nicht nur regelmäßig zu langen Debatten in Bauausschüssen, sondern auch oft zu Verhandlungen am Verwaltungsgericht führt.

Im vorliegenden Fall ist die Lage nach Auffassung des Bauamts indes eindeutig: Anstelle zweier alter sollen auf einem Grundstück in der Blumenstraße zwei neue Häuser gebaut werden. Diese sind in Form und Größe den derzeit dort vorhandenen zwar sehr ähnlich – der Inhalt aber würde deutlich abweichen. Aktuell stehen auf dem Grundstück ein Doppel- sowie ein Reihenhaus, letzteres mit drei Wohneinheiten. Die neuen Häuser sollen dagegen acht und zehn Wohnungen enthalten, deren Zahl würden sich auf dem Grundstück also mehr als verdreifachen.

Dies, so führt es die Bauverwaltung in ihrer Stellungnahme aus, habe aber keine Auswirkungen auf das Einfügungsgebot: „Die absolute Größe der Gebäude nach Grundfläche, Geschosszahl und Gebäudehöhe sind in ihrer Gesamtheit zu betrachten und zu berücksichtigen.“ Und die entspricht eben laut Plan in etwa jener der Vorgängerbauten und der Nachbargebäude. Die nach der Stellplatzsatzung nötigen 22 Parkplätze sollen in einer Tiefgarage entstehen, auch hier sieht die Verwaltung keinen Grund, die Baugenehmigung zu verweigern.

Der Ausschuss bemängelt zu viel Parkverkehr, zu viel Versiegelung und zu kleine Wohnungen

Wohl aber die Mehrheit im Ausschuss, wo sich die Diskussion schnell gegen das Vorhaben drehte. Stefan Huber (CSU) etwa verwies auf die bereits jetzt meist zugeparkten Anliegerstraßen in der Gegend. David Göhler (Grüne) bemängelte, dass durch die Tiefgarage deutlich mehr Fläche auf dem Grundstück versiegelt würde, als es derzeit der Fall ist. Dritter Bürgermeister Roland Meier (FW) ätzte: Zumindest müsse nicht befürchten, dass durch das Bauvorhaben zusätzliche Kita-Plätze nötig würden – schließlich seien die geplanten „Wohnklos mit Kochnische“ so klein, dass höchstens ein paar Katzen mit einziehen könnten.

Huber regte an, einmal grundsätzlich darüber zu befinden, wie man mit solchen Nachverdichtungen umgehen wolle – „sonst haben wir in ein paar Jahren innerstädtische Verhältnisse“. Man könne doch eine Gemeinderatsklausur zu dem Thema abhalten. Der Bürgermeister zeigte sich dafür zwar generell offen, wies aber auch auf die Grundproblematik hin: Man könne die von der Mehrheit im Ausschuss kritisierte Entwicklung nur dort verhindern oder abmildern, wo es Bebauungspläne gebe. Diese nachträglich zu erlassen, ist laut der Bauamtsleiterin nur sehr eingeschränkt möglich, etwas dort, wo es noch einen einheitlichen Gebietscharakter gebe.

SZ PlusVerkehr in der Region
:Das Kreuz mit dem Ostkreuz

Die Planung für die größte Autobahnbaustelle der Region am Knotenpunkt zwischen A94 und A99 wird konkret. Das könnte auch für den Landkreis Ebersberg und die Gemeinde Vaterstetten wichtig werden.

Von Wieland Bögel

Was im Fall der Blumenstraße nur im östlichen Teil der Fall sei. Der Bereich ist geprägt durch große Einfamilienhäuser an der Straßenseite und große Gärten Richtung B304. Der westliche Teil hingegen habe sich in den vergangenen Jahrzehnten sehr heterogen entwickelt, direkt an der Karl-Böhm-Straße gebe es Gewerbe, daneben dichte Wohnbebauung – die im aktuellen Fall eben als Bezugsfall diene.

Die Mehrheit im Ausschuss sah dies anders, sodass am Ende lediglich der Bürgermeister, Günter Lenz und Josef Mittermeier (beide SPD) sowie Klaus Willenberg (FPD) für den Bauantrag votierten. Dessen Ablehnung hat in Vaterstetten so gut wie automatisch eine Verhandlung am Verwaltungsgericht zur Folge: Denn während in den meisten Kommunen letztendlich das Landratsamt über Baugenehmigungen entscheidet – Beschlüsse aus dem Bauausschuss haben lediglich den Charakter von Stellungnahmen –, hat Vaterstetten selbst die Befugnisse einer Unteren Bauaufsichtsbehörde. Und deren Entscheidungen überprüft dann eben das zuständige Verwaltungsgericht.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMeinungBaugebiet Blumenstraße
:Selber schuld

Kommentar von Wieland Bögel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: