Vaterstetten:Billig ins Kröpfchen

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Albert Wirth (CSU, links) und Stefanie Ederer (CSU, rechts) diskutieren mit Caroline Sigl, Helmut Furtmair, Andreas Lenz und Michael Käfer über das Preis-Leistungs-Verhältnis von Lebensmitteln. (Foto: Peter hinz-Rosin)

Die Deutschen geben viel weniger Geld für Ernährung aus als andere Nationen. Ein Discountmanager, eine Landwirtin, ein Abgeordneter und ein Feinkosthändler diskutieren mit Verbrauchern, warum das so ist, und ob man es nicht ändern sollte

Von Viktoria Spinrad, Vaterstetten

Sollte es Ernährung als Schulfach geben? Haben unsere Discounter zu viel Marktmacht? Warum geben Deutsche so wenig Geld für Lebensmittel aus? Sind unsere Lebensmittel zu billig? Wenn eine Podiumsdiskussion am Mittwochabend, organisiert von der CSU Vaterstetten, eines zeigte, dann, dass es auf diese Fragen keine einfache Antworten gibt.

Die Moderatoren Stefanie Ederer (CSU-Ortsgeschäftsführerin) und Albert Wirth (CSU-Gemeinderat) eröffneten die gut besuchte Diskussion im Purfinger Haberer mit einem interessanten Hinweis: Die Deutschen geben - in Relation zum Gehalt - immer weniger Geld für Ernährung aus. Früher seien es 40 Prozent gewesen, heute nur noch etwa zehn Prozent, bei den Franzosen liege der Anteil bei immerhin 15 Prozent. "Die großen Discounter haben eine sehr große Marktmacht in Deutschland", erklärte der Bundestagsabgeordnete Andreas Lenz (CSU). Darunter hätten vor allem die Produzenten zu leiden: "Die Margen werden nicht schnell genug an die Produzenten weitergegeben". Die Lösung dafür? Regionale Erzeuger müssten gestärkt werden, so gebe es gerade in Frankreich Quoten für regionale Produkte.

Damit lag der Ball bei Helmut Furtmair, Inhaber des Edeka-Markts in Anzing. Er wiederholte im Laufe des Abends immer wieder, wie gerne er Produkte aus der Region in seinen Regalen sehe. "Aber ich kann nur die Dinge aufnehmen, bei denen die Vorgaben stimmen", sagte er. Caroline Sigl, Bäuerin aus Glonn, hat ihre eigene Meinung zum Thema Preise. Höhere Preise würden auch zu mehr Wertschätzung führen, erklärte sie. "Als alles teurer war, ist man bewusster mit Lebensmitteln umgegangen."

Wie sich aber eine Großfamilie ernähren solle, wenn alles teurer würde, fragten die Moderatoren in die Runde. Für den Feinkosthändler Michael Käfer ist Geld für gute Ernährung auch eine Frage der Prioritäten. "Für unsere Kunden ist Essen Teil ihrer Kultur". Für das geringe Essensbudget mancher Familien sah er einen ganz anderen Grund: "Bei den Mietpreisen können manche sich eben nur günstige Lebensmittel leisten." Also niedrigere Mieten und dafür mehr Geld für qualitativ hochwertiges Essen? Einen anderen Ansatz propagierte Andreas Lenz: "Mich wundert, dass es kein Schulfach gibt, das für Ernährungswissen sorgt". Auch Bäuerin Sigl argumentierte für ein Ernährungsfach an Schulen und kritisierte die Landesregierung dafür, dass sie ein solches nicht eingeführt hat. Edeka-Inhaber Furtmair hatte dagegen für den pädagogischen Ansatz nicht viel übrig: "Früher hat man so etwas daheim gelernt."

Einig in ihrer Kritik zeigten sich die Teilnehmer im Blick auf die Erwartungshaltung deutscher Verbraucher, saisonale Produkte wie Himbeeren ganzjährig essen zu können. "Das geht gar nicht", so Käfer, räumte aber ein: "Wenn die Kunden es wollen, verkaufen wir es." Auch Furtmair bezeichnete Beeren im Winter als "krank", trotzdem habe auch er das Obst ganzjährig im Sortiment. "Dem Verbraucher muss doch bewusst sein, dass es nicht immer alles zu jeder Tages- und Jahreszeit gibt" , monierte Sigl. Viel Zuspruch aus dem Publikum erntete ihr Appell: "Die Leute müssen selber wieder kochen und zubereiten".

Was Lebensmittel teurer mache? "Wenn ein Erzeuger sich Mühe gibt, sich Zeit nimmt, Aufwand betreibt", erklärte Käfer. Lenz entgegnete unter großem Beifall aus dem Publikum: "Gesunde Ernährung ist keine Frage des Geldbeutels, sondern eine Frage des Wissens". Ob die niedrigen Lebensmittelpreise nicht auch einer schwachen Lobbyarbeit der Bauern zuzuschreiben seien, wollte eine Dame wissen. Lenz wies darauf hin, dass aktuell geprüft werde, was gegen die kartellähnliche Situation in Deutschland gestellt werden könnte. "Die Strukturen lassen sich nicht so schnell durchbrechen". Ein Herr kritisierte die Kommunen für ihren Umgang mit großen Discountern. "Die Kommunen müssten doch anstelle von Discountern am Stadtrand den innerörtlichen Einzelhandel mehr fördern". Edeka-Inhaber Furtmair wies den Gedanken sehr entschieden zurück: "Wir investieren im Ort." Aber als Unternehmen in der Ortsmitte habe man auch mit einer Parkplatzknappheit zu kämpfen. Er kritisierte seinerseits Marketing-Aktionen der Discounter, bei denen Produkte zu Dumping-Preisen verscherbelt würden. "Da braucht man als Betreiber Rückgrat."

Zum Ende beklagte ein Zuhörer, dass viel zu oft nicht nachvollziehbar sei, wo Lebensmittel herkommen. "Wir brauchen eine gescheite Herkunftsdeklarierung!" Viel Resonanz erntete auch der Kommentar einer Frau, die als Lebensmittelberaterin arbeitet. "Es wird nicht mehr gekocht", monierte sie. Das Grundproblem, so wie viele andere Sachen, "das ist die Bequemlichkeit der Menschen".

© SZ vom 21.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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