Vaterstetten:Alles andere als selbstverständlich

UNICEF Aktonstag Gym Vat

Fünft- und Sechsklässler sprechen mit Direktor Rüdiger Model (Mitte), MdB Ewald Schurer und Religionslehrerin Sabina Schlederer über Kinderrechte.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Schüler des Vaterstettener Gymnasiums beschäftigen sich bei einem Unicef-Aktionstag mit den Rechten von Kindern

Von Alexandra Leuthner, Vaterstetten

Die Sängerinnen Shakira und Pink, die Fußballer Mats Hummels, Robert Lewandowski und Lionel Messi, der Basketballprofi Dirk Nowitzki oder die Schauspieler Angelina Jolie und Orlando Bloom - sie alle haben eines gemeinsam: Sie machen sich als Unicef-Botschafter stark für Kinderrechte. Somit sind die Kinder der fünften und sechsten Klassen des Gymnasiums Vaterstetten in prominenter Gesellschaft. Die Schüler haben sich an einem klassenübergreifenden Projekt zum Thema Kinderrechte beteiligt und so selbst dafür geworben, dass Kindern in aller Welt jene Rechte zustehen, die vor 27 Jahren in der weltweiten UN-Kinderrechtskonvention verankert worden sind.

Dass es mit der Einhaltung dieser Rechte in vielen Ländern immer noch nicht zum Besten steht, illustrierten sie mit einer Plakatwand im Atrium der Schule. "Kinder der einen Welt" steht als Thema im Lehrplan der fünften und sechsten Klassen im Religions- und Ethikunterricht, wie Lehrerin Barbara Glück erklärte. Im Rahmen eines Aktionstags stellten die Schüler, die sich mit Fragestellungen wie Mitbestimmung für Kinder, Recht auf Bildung, Rechte für Kinder mit Behinderung oder Schutz vor Ausbeutung beschäftigt haben, ihre Erkenntnisse dem SPD-Bundestagsabgeordneten Ewald Schurer vor.

"Wir haben uns überlegt, wie ein Kind sich dabei fühlt, wenn es geschlagen wird", erklärte eine Fünftklässlerin. Sarah aus der sechsten Klasse erzählte davon, wie unterschiedlich Kinder mit einer Behinderung in Deutschland und anderen Ländern behandelt würden. "Die kriegen da keinen Rollstuhl, sondern oft nur ein paar einfachen Krücken." Dass aber selbst in Deutschland Kinderrechte immer noch nicht im Grundgesetz verankert seien, kritisierte bei der anschließenden Diskussion der Münchner Unicef-Beauftragte Eleftherios Eleftheriadis, der mit seiner Kollegin Andrea Wüst zum Vaterstettener Aktionstag gekommen war. Eine Klage, die MdB Schurer teilte. Die UN-Konvention gebe Kindern zwar einen gewissen Schutz, aber ein Artikel, der ihre Inhalte festschreibe, gehöre schon lange in die Verfassung, so Schurer. Es gehe darum, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, erklärte Andrea Wüst: "Viele Erwachsene wissen überhaupt nicht, dass es Kinderrechte gibt."

Wie groß die Unsicherheit darüber ist, welche Rechte Kinder tatsächlich haben, wurde in der folgenden Diskussion deutlich. Unterstützt von kurzen Videoclips, produziert im Ethikunterricht der zehnten Klassen, ging es unter anderem um Fragen der Selbstbestimmung: Wie weit können Kinder in der eigenen Erziehung mitreden, bei Umzügen der Familie, bei Lehrplan und Unterricht? Wieso sind Religion beziehungsweise Ethik Pflichtfächer bis zum Abitur, warum aber wird Sozialkunde erst in der zehnten Klasse gelehrt? "Wir werden in der zehnten Klasse mit der Fülle an Sozialkunde-Stoff überrollt, da fehlen uns die Grundkenntnisse", klagte eine Schülerin. Da heiße es immer, Jugendliche beteiligten sich nicht an der Politik, "aber vielleicht wissen wir ja einfach nicht, wie?" In einer anderen Frage ging es um die Rechte von Flüchtlingskindern: Haben sie die gleichen Rechte wie deutsche Kinder?

Für die Erwachsenen auf dem Podium war das zum Teil schwer zu beantworten. Was die Flüchtlinge angehe, richte sich das Leider nach ihrem Status, wie gut ihre Chancen auf Anerkennung seien, erklärte Schurer. Auf Umzüge Einfluss zu nehmen, sei schwierig, führte er weiter aus. Erst 16-Jährigen räumten Jugendämter überhaupt Mitspracherechte ein. Was Konflikte mit den Eltern angehe - etwa bei der Wahl der Freunde, den Lern- oder Ausgehzeiten, rieten er und Eleftheriadis zu klaren Absprachen. Was die Klage über den Sozialkundeunterricht anging, auch da konnte sich Schurer nur anschließen.

Von solchen Feinheiten können Mädchen in Afghanistan nur träumen. Das machten Sechstklässler aus der Ethikklasse von Barbara Glück anhand ihrer Plakate und Bildern von Frauen in der Burka und Aufnahmen der mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten pakistanischen Schülerin Malala Yousafzai deutlich, jener 17-Jährigen, die für ihren Kampf um Bildung für Mädchen fast getötet worden wäre. Seine Eltern seien selbst vor 40 Jahren aus Afghanistan gekommen, erzählte Ilias. Vieles über das Land seiner Großeltern wisse er heute aus den Nachrichten, manches habe er selbst gesehen, und "es ist traurig, das alles zu erfahren", sagte er.

So berechtigt und ernst das Anliegen von Schülern, Unicef-Vertretern und Lehrern ist, so fand sich auf den Plakaten doch das eine oder andere, das der Ausstellung mit seinem kindlichen Charme ein wenig die Schwere nahm. Wie jener Satz zum Thema Bildung in Deutschland: "Manche Lehrer sind auch nett." Oder eine Auflistung von Dingen, die Kinder brauchen, darunter Freizeit, Liebe, Wasser, Impfungen - und Youtube.

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