Politik und Verwaltung werden oft in einem Atemzug genannt – dass es zwischen diesen beiden Feldern indes große Unterschiede gibt, mussten nun die Mitglieder des Vaterstettener Bauausschusses erfahren. Diese hatten über ein Vorhaben in der Blumenstraße zu befinden – mal wieder. Denn vor zwei Monaten hatte das Gremium mit großer Mehrheit beschlossen, keine Baugenehmigung zu erteilen – doch das ist nicht zulässig.
Darauf hatte Bürgermeister Leonhard Spitzauer (CSU) bereits in der Sitzung im Juli hingewiesen und in der Folge den dort gefassten Beschluss nicht umgesetzt. Denn auch das wäre nicht zulässig gewesen, wie die Verwaltung nun mit Verweis auf die bayerische Gemeindeordnung erläuterte: Demnach ist der Bürgermeister im Rahmen der „kommunalen Binnenkontrolle“ dafür zuständig, dass keine rechtswidrigen Beschlüsse zustande kommen, beziehungsweise solche nicht umzusetzen.
Die Spielräume bei der Erteilung von Baugenehmigungen sind sehr eng
Konkret geht es um einen in der Verwaltung wohlbekannten Grundsatz des Baurechtes, der da lautet: Was genehmigungsfähig ist, muss auch genehmigt werden. Ästhetische oder andere Einwände außerhalb des Baugesetzbuches dürfen dabei keine Rolle spielen, weshalb ein politisches Gremium, das sich mit einer Baugenehmigung befasst, nur darüber zu befinden hat, ob diese dem Baurecht genügt.

So wäre es auch im Fall des Vorhabens in der Blumenstraße gewesen, wo ein Doppel- und ein Reihenhaus abgerissen und durch zwei neue Häuser mit insgesamt 18 Wohnungen und Tiefgarage ersetzt werden sollen. Was, darauf wies die Verwaltung bereits in der Sitzung im Juli hin, den Buchstaben des Baugesetzes entspricht. Hier gilt das in Paragraf 34 definierte Einfügungsgebot, gebaut werden darf so, wie es in der Gegend üblich ist. Im aktuellen Fall gilt der westliche Teil der Blumenstraße als Maßstab, wo einige sehr große Gebäude entstanden sind. Wegen dieser Bezugsfälle sei es laut Verwaltung auch nicht möglich, einen Bebauungsplan aufzustellen, der das nun beantragte Vorhaben nicht zulässt. Zudem werden die geplanten Häuser zumindest von außen nicht viel größer als die bestehenden.
Die Gemeinde Vaterstetten ist verwaltungsrechtlich ein Sonderfall
Die Mehrheit im Ausschuss bemängelte aber unter anderem, dass, wenn es statt fünf bald 18 Wohneinheiten gebe, der Parkverkehr in der engen Blumenstraße zu stark zunehmen werde. Aber auch an den geplanten Mini-Wohnungen und an der Nachverdichtung generell gab es Kritik. Weshalb am Ende eben mit elf gegen vier Stimmen gegen das Bauvorhaben gestimmt wurde.

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Vaterstettens Bauausschuss lehnt einen Bauantrag ab – obwohl dieser Beschluss rechtswidrig ist. In der Debatte wird deutlich: Den Mitgliedern geht es ums Prinzip.
Was, wie nun Bauamtsleiterin Brigitte Littke noch einmal ausführlich erläuterte, in Vaterstetten spezielle Folgen haben könne. Denn in der Gemeinde sind Politik und Verwaltung in manchen Bereichen weniger stark getrennt als anderswo. Das liegt an der sogenannten „großen Delegation“, was bedeutet, dass die Gemeinde Aufgaben übernimmt, für die anderswo das Landratsamt zuständig ist – beispielsweise die Erteilung von Baugenehmigungen.
In Kommunen ohne große Delegation – das sind die allermeisten – beraten zwar auch politische Gremien über Bauvorhaben, einen echten Einfluss haben sie allerdings nicht. Denn hier wird lediglich „das gemeindliche Einvernehmen“ erteilt oder eben nicht. Im letzteren Fall kann das zuständige Landratsamt dennoch die Baugenehmigung erteilen, wenn diese genehmigungsfähig ist, das Votum des gemeindlichen Bauausschusses ist mehr so etwas wie eine nicht bindende Stellungnahme.
Sollte das befürchtete Park-Chaos eintreten, will die Verwaltung Maßnahmen ergreifen
Anders, wenn die Gemeinde selbst Genehmigungsbehörde ist, wie eben in Vaterstetten: Dann könnte theoretisch die Politik ein Bauvorhaben ablehnen, welches die Verwaltung laut Gesetz aber genehmigen müsste. Tut sie dies nicht „werden wir verklagt“, so Bürgermeister Spitzauer – denn auch das ist ein Unterschied zu den meisten anderen Gemeinden: Wer dort seine Baugenehmigung nicht bekommt, klagt im Zweifelsfall gegen das Landratsamt.

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Bei der Wiedervorlage des Antrags – der, das gab auch die Bauamtsleiterin zu „kein erfreuliches Vorhaben“ zum Ziel hat – gab es nun deutlich weniger Diskussionsbedarf und lediglich eine Gegenstimme, jene von Stefan Huber (CSU). Zweite Bürgermeisterin Maria Wirnitzer und Josef Mittermeier (beide SPD) regten an, die Parkplätze näher an der Straße zu bauen, so dass die Autofahrer nicht den Gehweg kreuzen müssen. Man werde es dem Bauwerber vorschlagen, so der Bürgermeister, „vorschreiben können wir hier nichts“.
Zumindest nicht in baulicher Hinsicht. Denn Littke brachte auch die Möglichkeit ins Spiel, dem befürchteten Park-Chaos durch Nachverdichtung etwas entgegenzusetzen. Man werde die Verkehrssituation in der Blumenstraße im Auge behalten und gegebenenfalls „Parkraum-Management“ – also beispielsweise Parkgebühren – einführen.