Urteil in Ebersberg:Per Newsletter zum Rausch

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Wegen schwunghaften Drogenhandels muss sich ein junger Mann vor Gericht verantworten

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Als das Internet noch wirklich Neuland war, erfreuten sich Newsletter großer Beliebtheit. Firmen und Organisationen informierten potenzielle Kunden über aktuelle Angebote - genauso verfuhr auch ein heute 23-Jähriger aus dem westlichen Landkreis. Nur dass das Angebot des jungen Mannes ein komplett illegales war: Er handelte jahrelang mit Marihuana, gelegentlich auch mit Kokain, das brachte ihn nun vor das Ebersberger Schöffengericht.

Wie das Geschäftsmodell des Angeklagten funktionierte, erläuterte ein als Zeuge geladener Polizist. Morgens schickte der junge Mann an seinen Kundenstamm eine Nachricht per Messengerdienst, dass wieder Ware zu haben sei und nannte den aktuellen Preis. Die Abnehmer gaben daraufhin auf dem gleichen Weg ihre Bestellungen auf, woraufhin der Angeklagte "Besorgungsfahrten" unternommen habe. Am Abend lieferte er das bestellte Marihuana entweder selbst der Kundschaft, traf sich mit den Abnehmern, oder diese besuchten ihn zu Hause. Alles in allem keine ungeschickte Strategie, bemerkte der Zeuge fast schon anerkennend, denn so kam der Angeklagte ohne größere Lagerhaltung aus, Drogen in nennenswerter Menge habe man bei ihm nicht gefunden.

Tatsächlich war es etwas mehr als ein Gramm, mit dem der junge Mann im Herbst des vorvergangenen Jahres aufgegriffen wurde, "das sah am Anfang nicht nach großer Nummer aus", so der Polizist im Zeugenstand. Jedenfalls so lange, bis die Beamten das Mobiltelefon des Angeklagten auswerteten. Damit lieferte er den Ermittlern quasi auf dem Präsentierteller einen Abriss seiner Geschäfte über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr. Und Käufer und Verkäufer gaben sich da nicht einmal besondere Mühe, ihr Tun ansatzweise zu verschleiern. Im Klartext wurden Drogen geordert, alles fein säuberlich abgespeichert im Gerät des Angeklagten. Ein Kunde hatte sogar das Foto der zuvor erworbenen Ware samt Waage geschickt, und sich beschwert, dass er zu wenig für sein Geld bekommen habe.

Insgesamt habe man um die 50 Kontakte ermittelt, letztlich konnte man dem Angeklagten 34 Fälle von Drogenhandel nachweisen. Meist handelte es sich um Marihuana, einmal wechselte Kokain den Besitzer - auch bei diesem Geschäft lag eine Beschwerde der Kundin vor, die das Mobiltelefon des Angeklagten dokumentierte. Zwischen 20 und 500 Euro waren die Lieferungen jeweils wert, meist lagen die Mengen aber im unteren Bereich, die größte Charge, welche die Ermittler nachweisen konnten, lag bei 50 Gramm Marihuana.

Neben dem eindeutig gewerblichen Handeln des Angeklagten fiel besonders ins Gewicht, dass von den 34 Fällen 22 Minderjährige zwischen 14 und 17 die Abnehmer waren. Er habe schon nach dem Alter gefragt, so der Angeklagte auf Nachfrage von Richter Markus Nikol, aber wenn jemand gesagt habe, er oder sie sei schon 18 habe ihm das gereicht - auch wenn er bei einigen vermutet habe, dass sie jünger gewesen seien.

Als Motiv gab der junge Mann an, dass er mit dem Weiterverkauf seinen eigenen Konsum - teilweise bis zu zwei Gramm Marihuana pro Tag - finanziert habe. Er habe die Ware zu einem etwas höheren Preis ver- als gekauft, so dass immer ein paar Gramm für ihn übrig geblieben seien. Um Geld sei es ihm nicht gegangen - was insofern glaubwürdig schien, als die Polizei bei ihm lediglich 630 Euro gefunden hatte, er aus früheren Verurteilungen noch um die 8000 Euro abzahlen muss und er zu dem Zeitpunkt seiner Festnahme obdachlos gewesen war.

In den knapp eineinhalb Jahren seit seiner Festnahme sei der 23-Jährige aber auf einem guten Weg, bescheinigte ihm Sven Kautz von der Jugendgerichtshilfe. Er habe einen Ausbildungsplatz gefunden und zeige "deutliches Entwicklungspotenzial" Nur seinen Drogenkonsum habe er immer noch nicht ganz im Griff, wie der Angeklagte selbst bestätigte: Zwar komme er wegen der Arbeit nicht mehr so oft zum Kiffen, aber er schaffe es auch nicht, ganz damit aufzuhören "und das nervt mich - ich habe erkannt, dass ich Hilfe brauche".

Die wird er sich nun auch besorgen müssen, denn eine Drogentherapie erfolgreich abzuschließen ist eine der Auflagen des Urteils. Zwar schickten Nikol und die Schöffen den 23-Jährigen nicht ins Gefängnis, die Strafe von einem Jahr und zehn Monaten wurde zur Bewährung ausgesetzt. Dass sie nicht höher ausfiel, lag daran, dass der Angeklagte nach Jugendstrafrecht verurteilt wurde, dass er geständig war und "dass er kein professioneller Drogendealer" sei, so Nikol. Denn obwohl auch Minderjährige unter seinen Kunden waren, glaubte ihm das Gericht, dass er nicht aktiv bei diesen für seine Dienste geworben hatte. Auch, dass er an gut 50 ihm kaum bekannte Leute regelmäßig per Messenger sein Tagesangebot verschickte, spreche gegen die Professionalität: "Er hätte jederzeit auffliegen können." Neben der Auflage, eine Therapie zu machen und seine Abstinenz nachzuweisen muss der junge Mann eine Woche in Haft, "damit er sieht, wo ihn sein Verhalten hinführen kann."

© SZ vom 30.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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