Unterricht mal anders:Müllpirat entert Vaterstetten

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Stößt bei den Schülern am Vaterstettener Humboldt-Gymnasium auf offene Ohren: Der Zornedinger Frank Skeide hat jede Menge Utensilien mit in den Unterricht gebracht, anhand derer er den Kindern zeigt, wo im Alltag überall Plastik verwendet wird. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Falk Skeide will die Fünftklässler am Humboldt-Gymnasium für das Thema Plastik sensibilisieren. Er erzählt von seiner Reise ans Nordkap und gibt Tipps, wie sich unnötige Abfälle vermeiden lassen

Von Manuel Kronenberg, Vaterstetten

Wenn der Zornedinger Falk Skeide auf der Straße erkannt wird, kann es schon mal vorkommen, dass ihn schimpfende Eltern ermahnen. Er trage Schuld daran, heißt es dann, dass ihre Kinder beim Einkaufen mit ihnen an der Kasse stehen und keine Überraschungseier mehr einpacken wollen. Zu viel Verpackungsmüll. Lieber beäugen sie kritisch, was im Einkaufswagen landet und heben den Zeigefinger, sobald Papa oder Mama auf dumme Ideen kommen - etwa wenn sie eine Gurke einpacken wollen, die in Plastik eingehüllt ist.

Schimpfen die Eltern so mit Skeide, tun sie das natürlich mit einem Augenzwinkern. Allerdings stimmt, dass es der 43-Jährige war, der die Kinder mit seinem Enthusiasmus angesteckt hat. Er hat sie zu Plastikmüllpiraten gemacht, wie er es nennt. Dafür geht er regelmäßig in Schulen und Kindergärten und will den Nachwuchs für das Thema begeistern. Im Humboldt-Gymnasium Vaterstetten besucht er deshalb alle fünften Klassen. An diesem Vormittag ist er in der 5B, um mit den gut 20 Schülerinnen und Schülern über unseren Umgang mit Plastik zu sprechen. Dieser ist nämlich sehr problematisch, findet Skeide. Deshalb will er den Kindern zeigen, wie man Plastik wiederverwerten oder, wo es geht, ganz vermeiden kann.

Er selbst sei auch ein Plastikmüllpirat, erzählt der Ingenieur der Klasse. Und als solcher sei er vor kurzem erst auf großer Tour gewesen. Mit dem Projektor wirft er ein Bild einer Karte an die Wand. Auf dieser ist eine Route eingezeichnet, die Skeide im Sommer mit seiner Harley Davidson gefahren ist. 9000 Kilometer ist er um die Ostsee herum, durch das Baltikum, nach Sankt Petersburg, nach Finnland, bis ans Nordkap und schließlich wieder zurück nach Zorneding gefahren. 30 Tage lang war er unterwegs und hat an jeder seiner Stationen Plastikmüll aufgesammelt.

Skeide zeigt der Klasse noch mehr Bilder - von Tieren, die an dem ganzen Müll leiden. Vögel, die mit vollem Magen verhungern, weil sie Kunststoff zu sich nehmen, der dann keinen Platz für Nahrung lässt. Oder Schildkröten mit verformten Panzern, weil sie sich in elastischen Dosenhalterungen verfangen haben. Dann zeigt Skeide noch eine Grafik von den großen Müllwirbeln in den Weltmeeren. Der größte liege im Nordpazifik, erklärt Skeide. Er sei bereits so groß wie Mitteleuropa. Auch auf seiner Tour hat der Zornedinger schmutzige Strände erlebt. Deshalb hat er unterwegs und auf seinem Internetblog über die Vermüllung der Ozeane informiert und sich gleichzeitig als Vorbild gezeigt.

Zu Vorbildern will der Müllpirat auch die Kinder der 5B machen. "Was glaubt ihr, wie cool das ist, wenn ihr irgendwo unterwegs seid und Müll aufhebt, der herumliegt", sagt er zu der Klasse. Die Leute werden erst einmal Augen machen, meint Skeide. So sei das auch auf seiner Motorradtour gewesen. Dabei seien einige interessante Gespräche zustande gekommen.

Skeide hat eine ganze Menge Utensilien mitgebracht, um den Kindern zu zeigen, in welchen Produkten überhaupt Plastik drin ist. Problematisch seien nämlich nicht nur die großen Verpackungen, sagt Skeide. Sondern auch das Mikroplastik, das zum Beispiel in Form von Peeling in Shampoo und Zahnpasta enthalten ist. Selbst in Kaugummis sei manchmal Plastik drin. Und Kleidung aus Polyester verliere bei jedem Waschgang Plastikfäden in der Waschmaschine.

Der Zornedinger hebt eine silberne Dose hoch. Damit verstaue er immer seine Wurst im Kühlschrank, erzählt er der Klasse. Aber warum solle er die Wurst in Papier und Folie kaufen, nur um das dann wegzuwerfen, fragt er in die Runde. Dann nehme er lieber gleich die Dose mit zum Metzger und spare sich die Verpackung. Es gebe eine ganze Menge solcher einfachen Tricks, meint Skeide - etwa Stückseife benutzen statt Seifenspender. Oder Zahnbürsten aus Bambus.

Bei den Schülerinnen und Schülern stößt Skeide auf offene Ohren. Überhaupt wissen die Kinder schon gut Bescheid. Ganz von alleine kommen sie auf viele Ideen zur Vermeidung von Plastikabfällen - Stofftüten benutzen, beim Bauern einkaufen oder auch ganz einfach: nicht rauchen. Ein Schüler fragt gar etwas herausfordernd: "Aber als Sie so viel mit dem Motorrad gefahren sind, haben sie doch auch die Umwelt verschmutzt." Skeide stimmt zu. Ja, er habe viel Benzin verbrannt. Ein großes Problem sei aber auch der Reifenabrieb, durch den eine ganze Menge Mikroplastik in die Umwelt gelangt. "Wir leben im Plastik-Zeitalter", sagt Skeide. Er ist überzeugt: Das Thema werde uns noch sehr lange beschäftigen. Deshalb hat er es sich auch zur Aufgabe gemacht, vor allem die junge Generation für das Thema zu sensibilisieren.

© SZ vom 09.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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