Unterhaltsamer Prozess:Mordsgaudi in Markt Schwaben

Landrat Robert Niedergesäß, Kreisbäuerin Andrea Huber und Pfarrer Herbert Walter sitzen beim Starkbieranstich im Unterbräu vor dem Schichtl auf der Anklagebank. Am Ende wird die "Zehmerin" geköpft.

Von Anja Blum

Kopf ab beim Bockbieranstich

Kopf ab beim Bockbieranstich: Kreisbäuerin Andrea Huber liegt vor dem Schichtl auf dem Schafott.

(Foto: Lukas Barth)

"Eigentlich hätte ja Herr Hohmann die Guillotine verdient - so wie der mit Lebensmitteln umgeht", urteilte der Schichtl. Markt Schwabens Bürgermeister hatte nämlich beim Anzapfen des ersten Starkbierfasses der Brauerei Schweiger ordentlich herumgespritzt. Doch Georg Hohmann saß nicht auf der Anklagebank. Dort mussten vielmehr Landrat Robert Niedergesäß, Kreisbäuerin Andrea Huber und Pfarrer Herbert Walter allerhand peinliche Bemerkungen des berühmt-berüchtigten Wiesn-Schaustellers über sich ergehen lassen. Geköpft wurde am Ende die "Zehmerin", die sich im Rede-Duell mit dem Schichtl eindeutig am besten geschlagen hatte. Das Urteil: sympathische Bauernschläue, oder so.

Für das Publikum war das Spektakel im voll besetzten Unterbräusaal, das irgendwo zwischen bayerischer Tradition und Halloween lag, jedenfalls eine Mordsgaudi. Es gab Blasmusik, eine Henkersmahlzeit und reichlich Bockbier sowie eine fingierte Gerichtsverhandlung, bei der jene drei Vertreter der Lokalprominenz ordentlich vorgeführt wurden. Nicht eben argumentativ stringent, aber dafür umso einfallsreicher befragte Manfred Schauer als Schichtl Niedergesäß, Huber und Walter zu ihren Hobbys, Vorlieben und sonstigen Gepflogenheiten. Der Vorsatz: den größten "Lokalschlawiner" zu finden und zu enthaupten. Dabei scheute der redegewandte Verhörspezialist freilich kaum eine Peinlichkeit, das Niveau lag teils sogar deutlich unter der Gürtellinie. Dem Publikum aber gefiel's, es gab reichlich Lacher, Schenkelklopfer und Applaus. Niedergesäß zum Beispiel eile der Ruf voraus, ständig zu spät zu kommen, sagte der Schichtl. "Da frage ich mich schon, woher Sie zwei Kinder haben?" Am besten mit den öffentlichen Provokationen umgehen konnte die Kreisbäuerin. Sie lachte viel und aus ganzem Herzen - vor allem über sich selbst. Außerdem fungierte der Schichtl bei ihr fast nur als Stichwortgeber: Frei von der Leber weg erzählte Huber ihre peinlichen Anekdoten selbst, etwa wie sie versucht hatte, ein zerstörtes Bett im Hotel dem Zimmermädchen in die Schuhe zu schieben - ohne Erfolg. Oder wie, mangels Koffer, die Kleider der Familienmitglieder in Eierkartons mit auf Reisen gegangen seien. Da wähnte der Schichtl freilich gleich einen Fall für die Lebensmittelkontrolle, doch die Angeklagte gab Entwarnung: "Die Schachteln haben wir danach natürlich nicht mehr wiederverwendet, sondern verbrannt." Nicht erspart blieb der Kreisbäuerin auch die Geschichte, wie sie als junges Mädchen auf der Suche nach einer Toilette in ein Münchner Bordell gestolpert war. "Die haben ja gar keinen Anstand hier", habe sie sich damals in ihrer Unwissenheit innerlich echauffiert, erzählte Huber lachend. Von so viel Offenherzigkeit war selbst der Schichtl beeindruckt - und schickte sie aufs Schafott.

Der Landrat und der Pfarrer hingegen schienen sich nicht ganz wohl zu fühlen in ihrer Angeklagtenrolle: Etwas verkrampft standen sie da und versuchten, sich zu rechtfertigen. Bei Niedergesäß zielte der Schichtl zunächst auf dessen angeblich beachtlichen Alkoholkonsum ab - "Sie sind eine Partysau, oder nicht?" - bevor er sich auf seinen Dienstwagen samt Fahrerin stürzte: Ob ein Jahresgehalt von 24 000 Euro nicht etwas viel sei für die gelegentlich Beanspruchung einer Frau, fragte er den Landrat, worauf dieser unbeholfen fragte: "Soll ich sie öfter benützen?" Außerdem ging es noch um ein fragwürdiges Verkehrsmanöver in der Münchner Innenstadt und die Aufhebung des Leinenzwangs, den Niedergesäß in Politikermanier zu rechtfertigen suchte. Der Schichtl demonstrierte Langweile. "Meinungsaustausch heißt bei Ihnen wohl, dass einer mit seiner Meinung kommt und mit Ihrer wieder geht, was?" Punkten konnte der Landrat hingegen mit seiner Stimme: Aus voller Brust sang er die französische und dalmatinische Hymne, also die der Partnerstädte seiner Heimat Vaterstetten.

Wieso er denn strenger sei als der liebe Gott, wollte der Schichtl vom Pfarrer wissen, schließlich habe er nicht zehn, sondern sogar elf Gebote rausgebracht: in Form von Verbotschildern rund um Pfarrei und Pfarrhaus. "Weil die Leute immer nur das erste Schild lesen, und dann ein paar Schritte weiter schon denken, hier gilt es nicht mehr", erklärte Walter. Ansonsten brachte das Gericht ans Licht, dass der Geistliche aus Markt Schwaben auch weltlichen Genüssen nicht abgeneigt ist: gutem Essen, feinem Zwirn und der Oper. "Aber der Vergleich mit Limburg wäre mir jetzt zu billig", sagte der Schichtl, und schenkte dem "Herrn Herbert" anstatt böser Worte zwei stinkende Käsespezialitäten. "Aber nicht wegschmeißen, das sind Lebensmittel", warnte er den Pfarrer. Nicht, dass er sich an Hohmann ein Beispiel nehme.

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