Ungewöhnliches Experiment:WG in der Christuskirche

In Poing teilen 17 junge Leute Alltag und Glauben miteinander - und bekommen Besuch vom Landesbischof.

Barbara Mooser

Wer könnte dieser fröhlichen Einladung widerstehen: "noch bis donnerstag wohnen wir (17 jugendliche, 1 hund, 1 religionspädagogin, 1 pfarrerin) in der poinger christuskirche! vielleicht ist ja zeit für eine tasse kaffee in unserer wg-küche!" Der Evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, dem dieser Lockruf auf seiner Facebook-Seite galt, musste nicht lange überlegen: Ein paar Stunden später war das Date in der WG-Küche fix. "Es war total cool", freut sich die 18-jährige Henriette, die am Mittwoch deshalb ihren Morgenkaffee gemeinsam mit dem Landesbischof trinken konnte. Und auch die anderen, die sich schon um halb sieben zu einem Frühstück aufrafften, waren angetan, plauderten mit dem Bischof über Vornamen, den Poinger Wildpark, die Tatsache, dass man zu einem Jugendlichen, der in die Schule muss, niemals - aber auch wirklich niemals! - "Viel Spaß" sagen darf - und auch ein bisschen über Kirche und Religion. Letzteres aber eigentlich erst, als der Poinger Pfarrer Michael Simonsen zu den WG-Bewohnern stieß.

Dass sich der Landesbischof zu seinem spontanen Besuch in Poing entschlossen hat, zeigt schon, dass es etwas Besonderes ist, was seit vergangenen Samstag im Evangelischen Pfarrzentrum passiert. 17 Jugendliche - zehn Mädchen, sieben Jungs - im Alter zwischen 13 und 20 Jahren haben hier ihr Lager aufgeschlagen, um "miteinander Glauben und Alltag zu leben", wie es Jugendpfarrerin Stefanie Endruweit, die Initiatorin der Aktion, erklärt. Sie spricht auch lachend vom "Kloster auf Zeit". Eine lässige Art des Klosterlebens ist das, da sind sich die 18-jährige Henriette und der 14-jährige Keno einig. "Uah - eine Kirchen-WG", diese ungläubigen Ausrufe seiner Mitschüler im Lena-Christ-Realschule in Markt Schwaben hat Keno in den vergangenen Tagen recht oft gehört. "Aber es ist nicht so, wie sie es sich vorstellen. Es ist eher so wie mit Freunden Spaß haben", verrät der Schüler. "Es ist toll, mit so vielen unterschiedlichen Leuten den Alltag zu teilen", stimmt ihm Henriette zu.

Die Bewohner der Kirchen-WG verbringen viel Zeit miteinander. Wenn sie von der Schule, der Uni oder dem Arbeitsplatz wiederkommen, kochen die jungen Leute gemeinsam, gehen einkaufen, suchen Filme aus, die sie abends zusammen ansehen wollen, spielen Karten Nur ein paar der Fixpunkte im Tagesablauf wird man in anderen WGs wohl vergeblich suchen: Da ist zum Beispiel der "Spruch des Tages", den die Jugendlichen morgens erhalten und über den sie sich ihre Gedanken machen sollen. Oder die Abendandacht um 18 Uhr, die die jungen Leute gemeinsam gestalten. "Das ist viel interessanter, als einem Pfarrer eine Stunde bei der Predigt zuzuhören", findet Henriette. Ungewöhnlich sind auch die WG-Räume im Gemeindezentrum der Christuskirche. Die Mädchen haben im Krabbelgruppenraum ihr Lager aufgeschlagen, die Jungs wohnen im Konfirmandenraum. Girasol, die freundliche Hündin der Pfarrerin, gesellt sich nachts meist ebenfalls zu den Mädchen. Manchmal muss das gemütliche Matratzenlager tagsüber weichen - schließlich wird das Gemeindezentrum auch von anderen Gruppen genutzt. Wie in einer echten WG kommt es durchaus manchmal zu Reibereien. Wenn beispielsweise diejenigen, die schon vor sechs Uhr aufstehen müssen, dies nicht mit der notwendigen Rücksichtnahme für die tun, die länger schlafen dürfen. Oder wenn es ums Thema Aufräumen geht. Die meisten aber werden ihre WG vermissen, wenn sie heute wieder in ihr normales Leben zurückkehren, auch die Pfarrerin: "Nur auf mein eigenes Bett freue ich mich."

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