Ungewöhnliche Dorfwirtschaft:Ein Grieche rettet Baiern

Drei Jahre sucht eine kleine Gemeinde verzweifelt einen Wirt für das Gasthaus. Dann kam Timo Thimnioulas, der sogar Knödel rollt und Spätzle hobelt. Mittlerweile kommen die Gäste sogar aus München.

Von Carolin Fries

Ungewöhnliche Dorfwirtschaft: Timo Thimnioulas betreibt die Dorfwirtschaft in Baiern. Seine Söhne Pares (blaues Hemd) und Dimitrios helfen ihm dabei.

Timo Thimnioulas betreibt die Dorfwirtschaft in Baiern. Seine Söhne Pares (blaues Hemd) und Dimitrios helfen ihm dabei.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Lange dauerte es nie, dann waren sie wieder weg. Erst ein Italiener, dann in kurzer Folge zwei deutsche Wirte. Das Wirtshaus in Berganger in der Gemeinde Baiern stand drei Jahre nach umfassenden Renovierungsarbeiten wieder leer und Bürgermeister Josef Zistl wälzte sich im Schlaf. Ein so feiner kleiner Ort und niemand da, der sonntags um 9.30 Uhr die Weißwürst ins Wasser legt und frisches Bier zapft. Dabei ist es doch zu großen Stücken die Wirtshauskultur, die Bayern zu dem macht, was es ist. Und gerade hier in Baiern, wo es lediglich eine politische Fraktion gibt, die auch noch Wählergemeinschaft Einigkeit heißt. Gerade hier sollte es diese Kultur nicht mehr geben und die Plätze unter den Kastanien leer bleiben?

Es ist ein schönes Fleckchen, dieses Berganger. Nur ein paar Kilometer oberhalb der Gemeinde Glonn gelegen, eine kleine Welt für sich. Kein Mensch ist an diesem Freitagnachmittag auf der Hauptstraße zu sehen. Sie führt vorbei an geräumigen Häusern direkt zum hellgelb leuchtenden Wirtshaus, dessen Fenster wie mit dunkelgrünem Kajal geschminkte Augen die Besucher anzwinkern. Auf der Rückseite das "Gmoahaus"; wer nicht versteht, dass das das Gemeindehaus ist, ist in Baiern selber schuld.

Ohne Zweifel ist dieser Gebäudekomplex der ganze Stolz der Gemeinde. Er ist der Treffpunkt sämtlicher Vereine, Hochzeiten und Familienfeiern werden hier gefeiert. 180 Leute passen ins Wirtshaus, weitere 100 in den Saal des Gemeindehauses, 300 Personen in den Biergarten. Bloß gab es seit 2009 jahrelang keinen richtigen Wirt - bis vor eineinhalb Jahren Timo Thimnioulas mit seiner Familie nach Berganger kam und das Lokal übernahm. Seither ist alles wieder im Lot. Ein Grieche hat Baiern gerettet.

Wie ist Timo Thimnioulas das geglückt?

Erst vor kurzem hat der Bürgermeister den 51 Jahre alten Griechen wissen lassen, dass er der Grund ist, dass er nun wieder ruhig schlafen kann. Natürlich fragen sich die Menschen, wie Timo Thimnioulas das geglückt ist, waren die Vorgaben seitens der Gemeinde, die die Wirtschaft verpachtet, doch für alle gleich: "Bayerische Küche sollte schon sein", sagt Zistl. Darüber hinaus war man offen für alles.

Thimnioulas serviert Schweinebraten mit Knödeln ebenso wie Gyros und Souflaki, sonntags denkt er rechtzeitig an die Weißwürste. Zehn Jahre lang hatte er zuvor ein Restaurant in Haar gepachtet, doch das Gebäude sei alt und renovierungsbedürftig gewesen. Thimnioulas, seine Frau Vaia und die vier Söhne verlängerten den Vertrag nicht, sie entschieden sich für Berganger. "Ich liebe die Landschaft, es ist schön ruhig", sagt der Koch und Gastronomie-Ausbilder der Industrie- und Handelskammer.

Die Familie bezog zwei Wohnungen im Gemeindehaus, "ohne Stress" wollte man die Sache angehen. Doch dann "war vom ersten Tag an Vollgas", erzählt Thimnioulas. Als hätten die Menschen nur auf ihn gewartet. Und die Nachfrage hält an, bis heute. Freitags und samstags ist ohne Reservierung keiner der Tische zu bekommen, der Biergarten gilt an warmen Sommerabenden über die Landkreisgrenzen als legendär. Für das Personal ist längst eine separate Wohnung angemietet. Eine Frau aus dem benachbarten Schönau, die an diesem Nachmittag einen Gutschein besorgt, ist wenig begeistert von einem Artikel in der Zeitung: "Es raufen ja schon die Einheimischen. Wenn jetzt auch noch die Münchner kommen . . ." Nun, sie kommen eh schon.

Griechischer Apfelstrudel und gehobelte Spätzle

Also: Wie hat er das geschafft? Was macht Thimnioulas anders als seine Vorgänger? "Das Rezept ist: Die Familie hält zusammen", sagt Thimnioulas. Zwei seiner Söhne helfen mit: Der Jüngste, 17, soweit es die Schule zulässt, der 27-Jährige Dimitrios ist als Restaurant-Fachmann Juniorchef. Das kommt an auf dem Land, da mag er recht haben. Auch hier geht die Familie über alles, man hilft zusammen. Doch es ist auch die Küche: Timo Thimnioulas und seine Frau kochen vorwiegend griechisch, weil die Gäste zu 80 Prozent danach verlangen. "Vielleicht bestellen sie beim ersten Mal ein Cordon bleu, aber spätestens beim zweiten Mal essen sie etwas Griechisches", sagt Dimitrios. Doch der Grieche rollt auch Knödel, hobelt Spätzle und streicht den Apfelstrudel ein. Wieso nicht, "ich bin Koch", sagt Thimnioulas.

Ungewöhnliche Dorfwirtschaft: Das Wirtshaus ist zweigeteilt: Im feinen griechischen Restaurant gibt es Wein, Gyros und Souflaki.

Das Wirtshaus ist zweigeteilt: Im feinen griechischen Restaurant gibt es Wein, Gyros und Souflaki.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Und wenn man ihn fragt, woher er kommt, dann sagt er zuerst Köln und nennt dann erst den Namen seiner griechischen Heimatstadt Larissa. Dort sei er ein Deutscher, sagt er. In Baiern ist er der Grieche. So steht es draußen am Wirtshausschild, das in der Frühlingsbrise baumelt. Und so vermittelt es auch der bemalte Wandteppich im Eingangsbereich, der von der Akropolis über Santorini bis hin zu den Windmühlen von Mykonos sämtliche Sehenswürdigkeiten auf ein paar Quadratmetern vereint. Der Grieche, Sehnsuchtsort pur.

Oder ist es doch die in hellen Hölzern gehaltene Stube mit Eckbank und Holzofen, das Schnapsbrett stets griffbereit? Bei Timo Thimnioulas hat der Besucher die Wahl, das Lokal ist zweigeteilt. Den Gang ein paar Schritte hinunter geht es nach rechts ins feine griechische Restaurant. Dort liegen weiße Servietten auf dunkeln Tischen, Kerzen und ein Kronleuchter tauchen den Raum in ein warmes Licht, an den Wänden Bilder mit Booten am Meer. Links geht's ins "Stuberl", wie Thimnioulas mit leichtem Akzent sagt: Hölzerne Sitzbänke verlaufen die Wände entlang, an den Fenstern hängen geblümte Vorhänge, statt Servietten stehen Bierdeckel am Tisch, an den Wänden hängen die Schützenscheiben.

Sogar der Pfarrer kommt zum Frühschoppen

Thimnioulas sitzt am Stammtisch, seinem Lieblingsplatz. Das Wort Konzept klingt ihm zu gewollt. Es hat sich so ergeben, der Gang war da, die Stube mit Schankfläche ebenso. Es funktioniert. Okay, mit den Knödeln hat er manchmal zu kämpfen, "die gehen schnell kaputt", klagt er. Doch die Menschen seien "so warm vom Herz", das habe er bereits gespürt, als er sie noch gar nicht verstand.

Inzwischen ist ",freilich" eines seiner Lieblingswörter. Hin und wieder kommt nach der Kirche der Pfarrer mit zum Frühschoppen, ein größeres Kompliment gibt es für einen Dorfwirt kaum. Nun, sagt Thimnioulas, es gehen ja auch wieder mehr Männer in die Kirche und das sei - zumindest anteilig - auch sein Verdienst.

Thimnioulas und seine Frau legen die Schürzen erst spätabends ab, wenn die Chorprobe im Gmoahaus längst verstummt ist und ihren Schlaf nicht mehr stören kann. Auch diese Gschaftigkeit eint sie mit den Menschen im Dorf. Unterm Strich kann man wohl sagen, dass es viele greifbare Gründe gibt, warum Thimnioulas die Bairer erobern konnte. Entscheidend aber muss die Einstellung gewesen sein, den Menschen nichts nehmen zu wollen - sondern ausschließlich zu geben. Die Dame mit dem Gutschein sagt: "Das ist Integration von der anderen Seite."

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