Ungeklärte Fragen in Grafing:Abend der Vertagungen

Grafings Stadtrat überstimmt den Finanzausschuss beim Haushalt und verschiebt die Entscheidung über den Öxinger Platz

Von Thorsten Rienth, Grafing

Seit fast 23 Jahren sitzt Christian Einhellig (Freie Wähler) nun schon im Grafinger Stadtrat. Nicht ein einziges Mal, so erzählen es seine Weggefährten, sei er dort lauter als Zimmerlautstärke geworden. Selbst wenn alle tobten, "der Christian" sei immer der Ruhige gewesen, der Bedächtige der Ausgleichende. Seit der Stadtratssitzung am Dienstag gilt die Geschichte nun mit einer Einschränkung: Beim Haushalt, der eigentlich hätte verabschiedet werden sollen, haute Einhellig mit der flachen Hand auf den Tisch. "Warum lamentiert ihr jetzt so publikumswirksam daher?" Seit Wochen brüte die Verwaltung über dem Etat, der Finanzausschuss habe zugestimmt - "und jetzt das hier".

"Das hier", damit meinte Einhellig den Auftritt seiner Stadtratskollegen in der vorangegangenen Dreiviertelstunde. Reihum hatten sie vor nahezu vollbesetzten Zuschauerstühlen die steigende Verschuldung der Stadt gegeißelt. Allen voran die CSU-Fraktion übte scharfe Kritik: "Mir wird angst und bange, wenn ich die Schuldenentwicklung sehe", klagte Thomas Huber. "Bei den Investitionen, da fehlt der rote Faden", wähnte der Landtagsabgeordnete sodann ein gar strukturelles Problem.

Ob nun die Grundschule, die neue Krippe am Dobelweg, der Breitbandausbau, oder die neue Wasserburger Straße, konterte Einhellig: "Wir haben bei den allermeisten Entscheidungen im Gremium unsere Finger gehoben." Dass Schulden dadurch stiegen, sei kein Geheimnis gewesen.

Tatsächlich muss Grafing bei einem angepeilten Haushaltsvolumen von knapp 50 Millionen Euro wohl 7,1 Millionen Euro an Krediten aufnehmen. Das sind einige Hunderttausend Euro weniger als noch vor zwei Wochen geplant - weil Grafings Stadtkämmerer Christian Bauer im Verwaltungshaushalt einige Posten zu kürzen wusste. Eine nicht unwesentliche Randnotiz: Würde die Stadt ihre Grundschule nicht für acht Millionen ausbauen, käme sie gar ohne neue Schulden aus.

Ganz abgesehen davon sei vieles auch eine Frage der Weitsicht, mahnte BfG-Stadträtin Yukiko Nave. Vor fünf Jahren hätte die Stadt für 330 000 Euro den Haschler-Turm zum Musikschul-Provisorium umgebaut. Darüber hinaus überweise sie jährlich mehr als 100 000 Euro Miete. "Bald haben wir für all das genauso viel Geld ausgegeben wie einmal für die Sanierung der Rotter Straße 8 veranschlagt war."

Nun beantragten CSU-Faktionschef Max Graf Rechberg und SPD-Stadtrat Ernst Böhm analog zum Verwaltungshaushalt eine Verschlankung des Investitionshaushalts. Eine deutliche Stadtratsmehrheit ging mit. Sie überstimmte die bereits vorliegende Zustimmung aus dem Finanzausschuss und vertagte den Haushalt auf die übernächste Stadtratssitzung Anfang April. Mindestens das erste Quartal muss die Stadt also ohne Etat auskommen.

Zwei Tagesordnungspunkte später folgte die zweite Vertagung des Abends. Nachdem der Bauausschuss vergangene Woche keine Entscheidung über die Zukunft des Öxinger Platzes treffen wollte, schob auch der Stadtrat den Beschluss weiter - diesmal sogar auf unbestimmte Zeit.

Anlass ist ein Antrag der CSU. Sie will - ebenso wie die Stadtverwaltung - Signale aus dem Ebersberger Landratsamt empfangen haben, wonach eine Tempo-30-Beschänkung in der Rotter Straße nun doch möglich sei. Dies soll nun, so scharte die CSU erfolgreich eine Stadtratsmehrheit hinter sich, "verbindlich" geklärt werden.

Hintergrund: Das Tempolimit gilt als Grundvoraussetzung für die sogenannten Lechner-Pläne. Sie werden von der CSU favorisiert und entsprechen einem neuerlichen Umbau des gerade erst für knapp 750 000 Euro umgebauten Platzes.

Wie sich die Tempo 30 rechtlich ermöglichen lassen, ist derzeit ein großes Rätsel: Sowohl die untere Verkehrsbehörde im Landratsamt als auch das Rosenheimer Straßenbauamt hatten die Regelung bislang kategorisch ausgeschlossen. Sie sei mit den Anforderungen an eine Kreisstraße wie die Rotter Straße schlicht nicht vereinbar. Vergangene Woche hatte Landrat Robert Niedergesäß erklärt, dass er das Tempolimit "explizit nicht ausschließen" möge und es "im weiteren Planungsprozess positiv prüfen" wolle.

Manche im Grafinger Stadtrat wollen daraus schon eine Zusage Niedergesäß' herausgehört haben. Was dies tatsächlich konkret bedeutet, muss Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) zufolge aber erst noch zwischen Stadt und Landratsamt erörtert werden.

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