Umstrittenes Projekt:Von Moosach nach Glonn: Hitzige Debatte über Radweg

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Der geplante Radweg zwischen Moosach und Glonn wird zur nächsten Glaubensfrage im Landkreis Ebersberg. Hat der Naturschutz oder der Straßenverkehr Vorfahrt?

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Wenige Menschen kennen die Staatsstraße mit der Nummer 2351 so gut wie Christopher Furlong. Der Jurist wohnt mit seiner Frau seit rund zehn Jahren unmittelbar neben der Verbindungsstrecke zwischen den Gemeinden Moosach und Glonn. Als dort vor einiger Zeit der Fahrbahnbelag erneuert wurde, ist zusammen mit den Schlaglöchern auch die Ruhe im Hause Furlong verschwunden. "Die Straße ist zur Rennstrecke geworden", klagt der Anwohner, der von einem "rechtsfreien Raum" spricht. Eben jene Trasse steht nun als möglicher Teilabschnitt für einen Fahrradweg von Grafing Bahnhof nach Glonn zur Debatte, die Alternativroute würde über den alten Bahndamm nebenan führen - ein als schützenswert klassifiziertes Biotop. Wenig verwunderlich, dass das Thema hohe Wellen schlägt.

Wohl auch deshalb waren ungewöhnlich viele Zuschauer am Donnerstagnachmittag in den ehemaligen Sparkassensaal nach Ebersberg gekommen. Und sie mussten dort lange ausharren, bis nach über vier Stunden im Umweltausschuss des Kreistags die Radwegeverbindung zur Sprache kam. Einer der Wartenden war Christopher Furlong, der seine Sicht als Anwohner schilderte. Der Glonner sprach von einem "Motorrad-Hotspot" direkt vor seiner Haustür. Seine Bitten bei der Polizei um Geschwindigkeitsmessungen auf der Staatsstraße seien bislang nicht erhört worden, er fühle sich deshalb wie ein Bürger zweiter Klasse. Dabei liegt für Furlong die Lösung des Problems auf der Hand: Die Strecke soll für den Verkehr gesperrt und zur Fahrradstraße umgewandelt werden, oder wie Furlong sagte: "Warum ein wunderschönes Biotop opfern, damit die Rowdys da durchfahren können?"

Das ist eine Frage, die sich derzeit viele Bürger im Landkreis Ebersberg stellen. Eine Antwort darauf zu finden, ist indes gar nicht so einfach, wie sich nun auch in der Ausschusssitzung gezeigt hat. Wie Landrat Robert Niedergesäß (CSU) sagte, könne vom Opfern eines Biotops keine Rede sein. Die Fahrspur müsse lediglich etwas verbreitert werden und die Oberfläche in Teilen sanft geglättet. Klar sei aber auch, dass die Straße nicht in der Form missbraucht werden dürfe, wie von Furlong geschildert. "Nach der Eiche ist der Radweg jetzt die nächste Glaubensfrage im Landkreis", so Niedergesäß.

Da man bei den meisten Entscheidungen mit Wissen aber deutlich weiter kommt als mit Glauben, hat sich der Landkreis Ebersberg eine Reihe von Expertenmeinungen zu dem Thema eingeholt. Als da wäre etwa der für den Radweg beauftragte Architekt Josef Gruber-Buchecker. Der stellte im Ausschuss das Gesamtkonzept für die Radlverbindung vor, das zwar viele mögliche Routenverläufe beinhaltet, richtig problematisch ist aber nur der etwa einen Kilometer lange Abschnitt kurz vor dem Glonner Ortseingang. Würde man die Variante Bahndamm wählen, könnte man die Trasse für rund 65 000 Euro fahrradtauglich herrichten, so der Architekt.

Für die Möglichkeit einer Fahrradstraße ist die Faktenlage dagegen deutlich dünner. So heißt es auf Nachfrage der Landkreisverwaltung von der Regierung von Oberbayern, eine solche sei außerorts nicht erlaubt, selbst wenn die Staatsstraße zur Kreisstraße herabgestuft werden sollen. Das Bayerische Staatsministerium spricht hingegen von einer Einzelfallentscheidung. Auch die beiden beteiligten Gemeinden sind sich nicht einig: Während in Glonn die Nutzung des Bahndamms abgelehnt wird, spricht man sich in Moosach für einen Ausbau aus.

Dass es bei der Frage um mehr als die reine Routenwahl geht, machte auch Kreisrätin Renate Glaser (ÖDP) deutlich. Die Glonnerin hatte das Thema durch einen Antrag zusammen mit den Fraktionen von Grünen und SPD sowie der Linken überhaupt erst auf Kreisebene gehoben. In ihrem Schreiben fordern die Parteien, den Bahndamm zu schützen und auf die Straße auszuweichen. "Es ist ein politischer Radweg", sagte Glaser. Der Kreistag müsse sich fragen, ob er wirklich eine nachhaltige Mobilitätswende wolle und bereit dafür sei, auch unbequeme Entscheidungen zu treffen. Der Radweg stehe symbolisch für ein größeres Thema, so Glaser, "der Gleichberechtigung von schwächeren und stärkeren Verkehrsteilnehmern."

Was dieses Sammelsurium an Glauben und Wissen nun zu bedeuten hat, wird sich erst bei der nächsten Sitzung des Umweltausschusses im November zeigen. Wegen der fortgeschrittenen Zeit musste die Debatte abgebrochen und eine Entscheidung über den Radweg vertragt werden.

© SZ vom 12.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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