Umstrittenes Projekt bei Nettelkofen:Nächste Runde im Ringen um die Eiche

Umstrittenes Projekt bei Nettelkofen: 300 Jahre, 24 Meter Kronendurchmesser, Stammumfang 4,10 in einem Meter Höhe, das sind die Maße der Eiche beim Seeschneider Kreisel.

300 Jahre, 24 Meter Kronendurchmesser, Stammumfang 4,10 in einem Meter Höhe, das sind die Maße der Eiche beim Seeschneider Kreisel.

(Foto: Christian Endt)

Eine Alternativlösung für die Straßenführung der Kreisstraße EBE 8 beim Seeschneider Kreisel scheitert an technischen Fragen

Von Alexandra Leuthner, Ebersberg

Voller Zuversicht hatte Robert Niedergesäß (CSU) die Sondersitzung des Umweltausschusses am Donnerstag eröffnet. Einziger Tagesordnungspunkt: die Entscheidung über die Fortsetzung des Kreisstraßenausbaus Nettelkofen-Seeschneider Kreisel und somit über die Fällung oder den Erhalt der 300-jährigen Eiche, über die seit Wochen im Landkreis heftig diskutiert wird. "Ich denke, dass wir eine Lösung haben, mit der wir alle leben können", erklärte der Landrat zu Beginn und sprach von einer "Achse der Willigen" aus Politik, Verwaltung und Planern, die intensiv an einem praktikablen Vorschlag gefeilt und nun auch einen gefunden hätten.

So habe es noch einmal Gespräche mit den Grundstückseigentümern gegeben, der ausführende Planer Dominik Lindinger habe mindestens eine Nachtschicht eingelegt für den neuen Vorschlag, der sogar weniger Fläche verbrauche als bisher gedacht. Die Regierung von Oberbayern habe die Aufrechterhaltung der Zuschüsse in Aussicht gestellt, das Staatliche Bauamt Rosenheim als oberste Planungsbehörde könne mit dieser Lösung leben und sehe die Anforderungen an die Verkehrssicherheit erfüllt. Ja, sogar die Mehrkosten hielten sich mit 215 000 Euro im Rahmen und seien zu verkraften, zumal der in den Haushalt für die Maßnahme eingestellte Betrag von zwei Millionen Euro aufgrund einer günstigen Auftragsvergabe bisher bei weitem nicht ausgeschöpft worden sei.

Eine Mehrheit für die Rettung des Baums schien sich abzuzeichnen

Last but not least gehe die Untere Naturschutzbehörde davon aus, dass es keine Ausgleichsflächen brauche, wenn die Eiche erhalten werde, weil ihr ökologischer Wert unvergleichbar hoch sei. Alles also schien gut, bis die Kreisräte zwei Stunden später ihre Entscheidung doch wieder vertagen mussten, nach erneuten Diskussionen, die erst ein Geschäftsordnungsantrag von Roland Frick (CSU) beendete.

Grundsatzfragen zumindest waren es diesmal nicht in erster Linie, welche die Entscheidung verhinderten. Vielmehr machten technische Probleme, die im Verlauf der Sitzung nicht endgültig geklärt werden konnten, eine sachgerechte Abwägung unmöglich. Hatte in der regulären Sitzung in der Vorwoche ein Teil der Kreisräte noch gar keine rechte Neigung gezeigt, sich überhaupt auf die Diskussion über eine Änderung der Straßenbaupläne einzulassen - die allesamt eine Verzögerung, somit eine Erhöhung der Baukosten und, so eine Befürchtung, eventuell einen Verlust der staatlichen Förderung von 650 000 Euro bedeuten würden, schien sich diesmal eine Mehrheit für die von Niedergesäß angekündigte Variante und damit die Rettung des Baums abzuzeichnen.

Neben der vom Staatlichen Bauamt in der Vorwoche vorgeschlagenen Verlegung der Straße nach Süden - mit deutlich höheren Waldverlusten und einem Umbau des bereits fertigen Kreisels - und einer von der Grünen-Fraktion erarbeiteten Trichterlösung, hatte sich im Verlauf der Woche ein dritter Vorschlag herauskristallisiert. Daniel Drachenberg vom Staatlichen Bauamt erläuterte die Variante, die nun eine Straßenbreite von sechs statt sieben Metern vorsieht.

Es ist unklar, ob eine Wurzelbrücke eingesetzt werden könnte

Das "absolute Minimum", so Drachenberg, aber im Gegensatz zur "Trichterlösung" mit 5,50 Metern Breite im Waldstück zwischen Kreisel und Eiche, gerade noch förderfähig. Der Radweg soll bei dieser Variante direkt an der Straße auf der Südseite im Bereich der Krone an der Eiche vorbei geführt werden. Um das Wurzelwerk des Baums zu schützen, das entsprechend der Krone mit einem Durchmesser von etwa 24 Metern anzusetzen ist, soll eine Wurzelbrücke eingesetzt werden.

Gerade die aber ist das Problem. Just jenes Modell verzinkter Stahlplatten, das der als Experte geladene Baumpfleger Benjamin Conrad ins Spiel gebracht hatte, hat keine bauaufsichtliche Zulassung und ist bisher nur in innerstädtischen Bereichen verlegt worden, nicht bei Landstraßen. Ein Einzelgutachten könne die Eignung für dieses Projekt zwar klären, sagte Conrad, für ein zweimonatiges Gutachten aber "haben wir nun auch keine Zeit", so Niedergesäß. Schließlich hatte ja schon mit der kurzfristig anberaumten Sondersitzung eigentlich der Baustopp an der bereits abgetragenen Straße möglichst kurz gehalten werden sollen.

Nun aber muss, so der Beschluss, der Landrat noch einmal mit den Grundstückseignern darüber verhandeln, ob die Straße nicht doch zehn Meter nach Süden, also so weit von der Eiche weg verlegt werden kann, dass es die Wurzelbrücke nicht braucht. Zugleich aber sollen genehmigungsfähige technische Alternativen geprüft werden, die nicht mehr als 250 000 Euro kosten dürfen - letzteren Zusatzbeschluss lehnten Grüne, Bianka Poschenrieder (SPD) und Robert Böhnlein (Bayernpartei) ab. Sollte sich der Ausschuss in seiner nächsten Sitzung am 20. Juli auf eine Lösung zur Rettung der Eiche einigen können, dann soll sie als Baumdenkmal unter Schutz gestellt werden - was für den Landkreis den Kostenfaktor künftiger baumpflegerischer Maßnahmen minimieren würde. Dafür gibt es staatliche Zuschüsse.

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