Umstrittene Umfahrung:Kirchseeoner Szenarien

Nach dem Bürgerentscheid ist vor dem Bürgerentscheid: Nächsten Montag trifft sich der Marktgemeinderat, um die nächsten Schritte zu beraten. Möglichkeiten hat er mehrere - unkompliziert ist aber keine von ihnen

Thorsten Rienth

KirchseeonMit hauchdünner Mehrheit haben die Kirchseeoner bei den Bürgerentscheiden am Sonntag für eine Südumfahrung gestimmt. Formell beantragen wird die Gemeinde die Südtrasse aber noch nicht. Erst muss sie das Ergebnis des Tunnel-Bürgerentscheids abwarten. Für die Zeit danach gibt es mehrere Szenarien.

Bei der Vielzahl an offenen Fragen, die nach zwei Bürgerentscheiden gestellt werden, steht eine Sache zumindest fest: "Wir warten jetzt erst einmal bis zum 7. Oktober ab", stellte der geschäftsführende Beamte im Kirchseeoner Rathaus, Stephan Neu, gestern klar. Dass Kirchseeon abwartet, liegt an der Bayerischen Gemeindeordnung. Da der Tunnel-Entscheid formal beschlossene Sache ist, kann der Gemeinderat nicht einfach etwas beschließen, das den offenen Entscheid aushebelt. Genau das wäre aber der Fall, sollte Kirchseeon jetzt praktisch im Handstreich die Südtrasse anmelden.

Doch was passiert, sollten die Kirchseeoner am 7. Oktober mehrheitlich für eine Aufnahme des Tunnels in den Bundesverkehrswegeplan votieren? Dann gäbe es schließlich zwei positive Beschlüsse aus zwei Bürgerentscheiden zu zwei unterschiedlichen Trassenvarianten. "Unser Ziel ist, dass Kirchseeon dann beide Trassen für den Bundesverkehrswegeplan anmeldet", erklärte gestern der Grünen-Ortsvorsitzende und Initiator des Tunnel-Entscheids, Lars Krüger. Er interpretiere den Tunnel-Entscheid nicht als gegen die Südumfahrung gerichtet, sondern als Ergänzung: "Dann könnten beide Varianten konkret und tatsächlich ergebnisoffen geprüft werden", hofft er.

Ob der Plan allerdings aufgehen kann, ist umstritten. Stellungnahmen aus dem zuständigen Rosenheimer Straßenbauamt legen nahe, dass lediglich eine Variante angemeldet werden kann. Toni Hofreiter (Grüne), Vorsitzender des Bundesverkehrsausschusses, hatte der Sichtweise vergangene Woche bei einer Podiumsdiskussion in Kirchseeon allerdings widersprochen. Es sei ja gerade Sinn des Bundesverkehrswegeplans, verschiedene Varianten auf ihre ganz konkreten Vor- und Nachteile hin einzuordnen.

Für Krüger ist das Tunnel-Begehren daher der Schlüssel zu einem großen Kirchseeoner Kompromiss. "Dem Tunnel könnten ja auch die zustimmen, die jetzt für die Südtrasse waren", hofft er. Werde der Tunnel-Entscheid in der Folge angenommen, könnten bei der Aufstellung des Bundesverkehrswegeplans endlich beide Trassen konkret untersucht werden.

Lehnen die Kirchseeoner den Tunnel am 7. Oktober mehrheitlich ab, ist der Fall freilich klar: Kirchseeon wird - so wie vergangenen Sonntag beschlossen - die Südtrasse anmelden, der Tunnel ist passé.

Nehmen sie den Tunnel-Entscheid an, sind mehrere Szenarien denkbar. Vorausgesetzt, die Einschätzung des Bundesverkehrsausschusses trifft zu, könnte die Gemeinde dann beiden Entscheiden nachkommen und beide Varianten anmelden.

Zweitens könnte der Marktgemeinderat versuchen, eine Entscheidung für eine der beiden Trassen zu erzwingen. Er müsste dazu Tunnel und Südumfahrung in einem weiteren Ratsbegehren einander gegenüberstellen. Weil die Fragen bei Bürgerentscheiden klar mit "ja" oder "nein" beantwortet werden müssten, wären dazu wieder zwei Fragen auf einem Stimmzettel nötig. Die Stichfrage würde klären, ob im Zweifelsfall der erste oder der zweite Entscheid gewertet werden soll, erklärte Paul Hofmann, der im Ebersberger Landratsamt die Kommunalaufsicht leitet. Das ist zwar aus Wählersicht kompliziert. Kirchseeon erhielte aber - die Zulässigkeit eines solchen Entscheids vorausgesetzt - wohl eine klare Entscheidung, welche der beiden Trassen es nun anmelden soll.

Ein drittes Szenario sprach Geschäftsleiter Neu gestern an. "Es gäbe die Möglichkeit, gegen das Tunnel-Begehren ein Ratsbegehren zu stellen." Sinngemäß würde es dann lauten: Soll Kirchseeon nicht die Tunnel-Variante für die Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan anmelden? Es würde Klarheit bringen, ob Kirchseeon nur die schon abgestimmte Südvariante, oder zusätzlich auch den Tunnel beantragt.

Schließlich gibt es noch Szenario Vier. Initiatoren und Gemeinde könnten die Frage des Tunnel-Entscheids am 7. Oktober konkretisieren und das Ergebnis vom Sonntag mit aufnehmen. Sinngemäß könnte eine solche Frage lauten: Soll Kirchseeon zusätzlich zur Südtrasse auch noch die Tunnel-Variante für den Bundesverkehrswegeplan anmelden?

Um die weiteren Schritte zu beraten, trifft sich der Kirchseeoner Gemeinderat am Montag, 30. Juli, um 19.30 Uhr.

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