Umstrittene Kündigung:Gertrud Hanslmeier-Prockl: "Ich komme wieder"

Vor dem Münchner Arbeitsgericht wehrt sich die langjährige Chefin des Einrichtungsverbunds Steinhöring gegen ihren Rauswurf. Eine Annäherung gibt es vorerst nicht - dafür viel Zuspruch von Mitarbeitern und Bewohnern.

Von Viktoria Spinrad, München/Steinhöring

Gerichtsverhandlung Gertrud Hanslmeier-Prockl

60 Leute drängen sich in dem Gerichtssaal, in dem Gertrud Hanslmeier-Prockl um ihre Weiterbeschäftigung kämpft.

(Foto: Viktoria Spinrad)

Als sich Gertrud Hanslmeier-Prockl zu ihr runterbeugt und sie umarmt, will Andrea sie gar nicht mehr loslassen. Die junge Frau mit Down-Syndrom und ihre Vertraute halten sich fest, die Augen feucht vom Weinen. "Ich komme wieder", sagt Hanslmeier-Prockl. Andrea muss sie jetzt loslassen, denn hinter ihr hat sich vor dem Gerichtssaal 1 eine lange Schlange der Solidarität gebildet. Menschen mit Behinderungen, ihre Betreuer und Einrichtungsleiter, sie alle sind am Donnerstagnachmittag ins Münchner Arbeitsgericht gekommen, um gegen die Entlassung ihrer Chefin zu protestieren. 60 Leute drängen sich in den Sitzungssaal. Seit die Kündigung der Leiterin des Einrichtungsverbunds Steinhöring am Montag bekannt wurde, laufen nicht nur Bewohner und Mitarbeiter Sturm, sondern auch die örtliche Politikprominenz.

Über allem schwebt die Frage: Wieso die Kündigung? Steht dahinter tatsächlich "Majestätsbeleidigung" des Vorstands des Trägervereins, der Katholischen Jugendfürsorge (KJF), wie in den vergangenen Tagen kursierte - oder gab es doch einen triftigen Kündigungsgrund? In einer Pressemitteilung vom Donnerstag spricht die KJF von "ungerechtfertigten Vorwürfen" gegenüber dem Vorstand und Aufsichtsrat. Diese dürften sich auf Vermutungen beziehen, dass von Hanslmeier-Prockl geäußerte Kritik der Kündigungsgrund war.

Gründe für die Kündigung nennt die Katholische Jugendfürsorge nicht

Fest steht nur, dass Hanslmeier-Prockl gegen ihre überraschende Kündigung im April auf Weiterbeschäftigung geklagt hat. Details dazu sind auch in der zwanzigminütigen Güteverhandlung vor dem Münchner Arbeitsgericht nicht zu erfahren, in der einigen Besuchern nur noch ein Stehplatz bleibt. Der Anwalt des Trägervereins hält sich zum Kündigungsgrund bedeckt, betont aber, dass die KJF Argumente habe, "die zu einer Trennung führen können". Auch betont er gleich zu Beginn, dass vonseiten der KJF "jederzeit die Tür offen für Gespräche" gewesen sei.

Hanslmeier-Prockl schüttelt den Kopf. Sie atmet tief ein, setzt sich ihre Brille auf. "Das stimmt so nicht", sagt die 46-Jährige - und schildert ihre Version. Demnach hat sie Mitte März Kritik am Träger vorgebracht, "so, wie es das Kommunikations- und Leitungskonzept in unserem Betrieb erfordert". Im Nachgang soll sie ein Schreiben des Aufsichtsrats bekommen haben mit der Nachricht, dass dieser hinter dem Vorstand steht. Anfang April soll sie dem Vorstand ihr Angebot zur weiterhin konstruktiven Zusammenarbeit gemacht haben - um eine gute Woche später beim gemeinsamen Treffen gleich zu erfahren, dass man sich von ihr trennen wolle.

Die beiden Seiten einigen sich auf eine Mediation

Die zwischenmenschliche Wahrheit ist ihr wichtig - doch wie geht es juristisch weiter? Hanslmeier-Prockl will keine Abfindung - sie will ihren Job wiederhaben, das wird bei der Verhandlung am Donnerstag deutlich. "Ich will weiter für meine Mitarbeiter da sein", sagt sie. Um den Emotionen und eigentlichen Problemen in diesem brisanten Konflikt Raum zu geben, haben sich die Anwälte beider Seiten bereits auf eine Mediation außerhalb des Gerichtssaals geeinigt.

Beim vertraulichen "Güterichterverfahren" sollen sich Hanslmeier-Prockl und die KJF nach dem Grundsatz "schlichten statt richten" zusammensetzen. Sollten sie sich hier nach wie vor nicht einigen, wandert der Konflikt zurück in den Gerichtssaal: Die KJF ist dann in der Bringschuld und muss nachweisen, dass es einen triftigen Kündigungsgrund gibt. Weil die KJF Hanslmeier-Prockl zu Ende September gekündigt hat, muss alles auch einigermaßen schnell gehen. Die KJF zeigt sich der geforderten Rücknahme der Kündigung derweil eher verschlossen: In der Pressemitteilung heißt es, dass bereits eine Interimslösung gefunden sei, "bis die Stelle neu besetzt wird".

Draußen in der gleißenden Sonne sind die meisten Tränen getrocknet, die Stimmung erinnert jetzt an eine Demo. "Aufruhr, Widerstand", ruft eine Mitarbeiterin: "Wir können ihr gar nicht soviel zurückgegeben, wie sie uns gegeben hat." Vom Rollstuhl aus beobachtet David Kruzolka das muntere Treiben. Der 35-Jährige ist Vorsitzender der des Bewohnerrats des EVS Steinhöring. "Sie war immer auf Augenhöhe, immer für uns da." Er hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben: "Wir wollen alle, dass sie wieder auf dem Stuhl sitzt, auf den sie hingehört."

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