Süddeutsche Zeitung

Umjubeltes Gastspiel:Energie pur

"Alice in Wonder-Band" aus Serbien begeistert mit seiner Musikperformance im Meta-Theater

Von Peter Kees, Moosach

Das Meta-Theater in Moosach ist ein Garant für aufregende Abende, das hat sich nun wieder einmal bestätigt. Zu Gast: zwei serbische Künstler, Ana Vrbaški und Marko Dinjaški, seit 21 Jahren auch im Leben ein Paar. Sie nennen sich Alice in Wonder-Band, und ihre Performance "Da i Re - Body as an Instrument". Und um es gleich vorwegzunehmen: Was das Duo da auf der Bühne zelebriert, ist ganz, ganz großes Theater.

Theater? Man könnte es auch Musik-Performance nennen. Die beiden Künstler setzen lediglich ihre Körper und Stimmen als Instrumente ein. Mehr nicht. Das allerdings derart energetisch, gekonnt und überzeugend, dass ihr Auftritt zu einem äußerst kurzweiligen, unterhaltsamen, spannenden und zugleich in die Tiefe gehenden Vergnügen wird. Die Darsteller spielen miteinander, stupsen sich an, verwenden Mittel der Pantomime, des Tanzes, klatschen in die Hände, stampfen auf den Boden, singen, ploppen, schnipsen und erzeugen mit einfachsten Mitteln ein rauschendes Fest an Klängen, Rhythmen und aufregenden Sounds, und seien sie nur aus den Geräuschen ihrer reibenden Hände erzeugt. Was man da geboten bekommt, ist Energie pur, Rhythmus in seiner Urform.

Dabei flirten Vrbaški und Dinjaški, spielen miteinander, erzählen Geschichten von Mann und Frau, dem Geschlechterverhältnis, und füllen ihr Spiel zugleich mit aufregend tänzerischer Akrobatik. Man kommt aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Ist das Theater, Performance, Musik, Tanz? Hoch musikalisch sind die beiden Serben, ihre Körper beherrschen sie, ausdrucksstark ihr Spiel, ohne jegliche Attitüde. Ihre Performance ist brachiale Lebendigkeit. Dabei flicht das Duo höchst virtuos traditionelle kroatische Lieder, Rocksongs aus Serbien, Lieder aus Mazedonien, aber auch Titel von Edith Piaf, den Beatles oder Prince mit ein. Selbst Mozarts "Türkischer Marsch" und Beethovens Fünfte klingen an. Unbedingt bemerkenswert: die Stimme von Ana Vrbaški. Sie ist groß, voluminös, voller Kraft und strahlender Tiefe. Ekstatisch singt sie, dann wieder spielerisch leicht. Vor allem im Liedgut des Balkans offenbart sie ihre Seele. Auch Marko Dinjaški singt, spielt und rhythmisiert bestechend.

In dieser Performance stimmt einfach alles, der Einsatz von Körper und Stimme, die Choreografie, das Timing, das Spiel, die Bühnenpräsenz und die Regie von Višnja Obradović. Selbst mit Wasser im Mund gurgelnd macht das Duo hinreißend Musik. Und dann greifen die beiden doch zwei Mal zu einem Hilfsmittel: Einmal setzt sich Ana Vrbaški an den auf der Seite stehenden Flügel, beginnt mit der linken Hand den Ostinato-Rhythmus von Ravels "Bolero" zu spielen und singt die Melodie des Orchesterstücks dazu mit grandiosem Crescendo. Bravissimo! Das andere Instrument, das zum Einsatz kommt, ist ein Didgeridoo, zunächst von Marko Dinjaški gespielt, später zum Rhythmusinstrument verwandelt. Das Moosacher Publikum konnte sich kaum sattsehen und -hören an dem erstklassigen Spiel beiden Serben aus Novi Sad.

Da fällt es fast ein wenig schwer, über die Darbietung vor der Pause zu sprechen: Esel:com. Gewissermaßen als Vorband treten zwei Männer auf hölzernen Kothurnen auf, Bertram Wolter, ein Berliner im Exil, und Andreas Schantz, ein gebürtiger Ebersberger. Sie erzählen mit Gitarre und Akkordeon in selbstgeschriebenen Liedern samt Zwischentexten "Das Epos des Esels". Skurril und durchaus mit Gesellschaftskritik gewürzt ist die Geschichte von zwei Männern, die mit einem Esel auf eine Reise gehen, an deren Ende sie vor dem Eintritt ins Paradies wieder umdrehen - aus Angst vor paradiesischer Langeweile. Da lässt man den Esel dann doch lieber zum Menschen werden und klont ihn x-fach - um anschließend die Frage stellen zu können: "Wer von uns sind der Esel?" Dieses Epos ist ein hübscher Versuch, mit der "Schräglage unseres Daseins" umzugehen. Der Ausdruck und die Kraft von Ana Vrbaški und Marko Dinjaški hinterlassen allerdings deutlich mehr Spuren im Hirn und Herz des Zuschauers.

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Quelle:
SZ vom 12.02.2018
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