Geflüchtete aus der UkraineZwischen Integration und Rückkehr

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Demonstrationen für ein Ende des Kriegs in der Ukraine gab es schon viele im Landkreis Ebersberg – so wie hier im März 2022. Noch aber dauern die Kämpfe an.
Demonstrationen für ein Ende des Kriegs in der Ukraine gab es schon viele im Landkreis Ebersberg – so wie hier im März 2022. Noch aber dauern die Kämpfe an. (Foto: Christian Endt)

Vor drei Jahren begann der Krieg Russlands gegen die Ukraine, tausende Geflüchtete kamen in den Landkreis Ebersberg. Anfangs war die Hilfsbereitschaft in der Region groß, doch wie ist die Lage jetzt?

Von Merlin Wassermann, Ebersberg

Als Russland am 24. Februar 2022 die Ukraine überfiel, entschlossen sich Millionen Menschen zur Flucht in Richtung Deutschland. Tausende ließen sich auch im Landkreis Ebersberg nieder. Die Hilfsbereitschaft war groß, Privatleute nahmen Familien auf, Geld und Gegenstände wurden gespendet, Sprachkurse eingerichtet. Nun, knapp drei Jahre später, tobt der Krieg noch immer. Zwar ist durch das Vorpreschen von US-Präsident Donald Trump zuletzt Bewegung in den festgefahrenen Konflikt gekommen, konkrete Friedensgespräche gab es allerdings noch keine. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron stellte jetzt in Aussicht, diese könnten „in den kommenden Wochen“ stattfinden. Bis dahin heißt es für die Ukrainerinnen und Ukrainer im Landkreis weiter abwarten.

Zuletzt war es ohnehin ruhiger um die Geflüchteten geworden, die sich in Ebersberg niedergelassen haben. Dann aber tauchten Ende Januar in Poing ukrainefeindliche Schmierereien auf. Grund genug, bei den Gemeinden und Helferkreisen nachzufragen: Wie geht es den Ukrainerinnen und Ukrainern im Landkreis heute? Wie groß ist die Hilfsbereitschaft noch, wie ist die Stimmung? Und wo liegen die größten Schwierigkeiten?

„Wir nehmen keine negative Veränderung im Sinne von Vorbehalten war“, sagt Poings Bürgermeister

Poings Bürgermeister Thomas Stark (CSU) beruhigt zunächst: „Wir nehmen keine negative Veränderung im Sinne von Vorbehalten war.“ Die ukrainischen Geflüchteten seien „unseres Erachtens gut integriert“. Die Helferkreise in Poing, etwa die Behördenhilfe, Deutschkurse oder die Kleiderkammer, würden nach wie vor genutzt, auch wenn die Nachfrage deutlich nachgelassen habe.

Eine wichtige Anlaufstelle in Poing sei weiterhin das Zentrum in der Mitte im Bürgerhaus Poing. Hier kämen regelmäßig ukrainische, syrische und Poinger Familien, „zum gemeinsamen Austausch und Spielen“ zusammen.

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Auch Kirchseeons Bürgermeister Jan Paeplow (CSU) sagt, die Ukrainerinnen und Ukrainer seien gut integriert. „Die Kinder ukrainischer Familien besuchen regulär die Kitas und Schulen und nehmen aktiv am Alltag teil“, so Paeplow. Es gebe mehrere Deutschklassen, zwei davon würden sogar durch den Europäischen Sozialfonds unterstützt, was zusätzliche sozialpädagogische Begleitung ermögliche.

Darüber hinaus seien ukrainische Familien und Neuankömmlinge gut mit den Verfahrenswegen zur Beantragung von Hilfen vertraut. Sie müssten nur selten bei der Abteilung für Soziales, Familien und Senioren konkret nachfragen. Und dann kämen sie in der Regel mit einer vertrauten ukrainischen Person, die bei der Übersetzung unterstütze, was die Integration zusätzlich fördere. „Die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung ist nach wie vor groß“, so Paeplow.

Laut Edith Fuchs haben viele Ukrainer das Gefühl, dass die Stimmung gegen sie kippt

Etwas weniger rosig sieht Tobias Vorburg die Situation. Er habe zwar keine Verschlechterung der Stimmung gegenüber den Ukrainern mitbekommen, sagt der Vereinsvorsitzende der Flüchtlingshelfer „Seite an Seite“ aus Markt Schwaben, allerdings auch keine Verbesserung. „Wir kriegen weder Hassmails noch Hilfsangebote“, so Vorburg. Allerdings sei Mariia Hartzendorf, die in der Ukraine geboren wurde und im Verein für Ukrainer zuständig ist, „sehr gut beschäftigt“. Genug Bedarf an Hilfe gibt es also.

Laut dem Ebersberger Landratsamt sind aktuell 1890 Flüchtlinge aus der Ukraine im Landkreis ansässig. Von diesen seien 430 in staatlichen Unterkünften untergebracht. Im Landratsamt hat man das Abflauen am Interesse ihrer Situation ebenfalls gespürt. In die Spendenkasse des Landratsamts gingen im Jahr des Kriegsausbruchs 2022 insgesamt 15 947,26 Euro ein. In den Jahren 2023 und 2024 konnte die Kasse keine neuen Spenden mehr verzeichnen.

Ein differenziertes Bild der Lage zeichnet Edith Fuchs. Sie ist die Leiterin des Offenen Hauses der Awo in Vaterstetten. „Kinder mitgezählt gehen noch etwa 200 Ukrainer bei uns ein und aus“, so Fuchs. „Wir sind ihr Wohnzimmer.“ Viele der Geflüchteten seien jedoch dabei, wieder in die Heimat zurückzukehren, beim Abschied seien sie stets voller Dankbarkeit.

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Diejenigen, die bleiben, würden alles daran setzen, Deutsch zu lernen und eine Arbeit zu finden. Ablehnung aus der Bevölkerung erführen sie kaum oder gar nicht, so Fuchs. Es komme eher vor, dass eine Sachspende nur an Ukrainer gehen soll, nicht an andere Geflüchtete – in so einem Fall nehme sie die Spende jedoch nicht an.

Dennoch hätten die Ukrainer das „Gefühl, dass die Stimmung kippt“, erzählt Fuchs. Das habe weniger mit dem unmittelbaren Umfeld zu tun, als mit dem Ton, den Politik und Medien gegenüber Geflüchteten anschlagen würden: „Sie fragen sich: ‚Wir tun doch alles, um uns zu integrieren, was sollen wir noch machen?‘“

Eines der größten Probleme, mit dem die Ukrainer kämpfen, ist die Wohnungssuche

Abgesehen davon gebe es noch weitere Herausforderungen bei der Integration. So sei es sehr schwierig für Menschen aus der Ukraine, Deutschkurse weiter zu belegen, wenn sie bereits ausreichend Deutsch können, um zu arbeiten. Außerdem würde sie sich wünschen, so Fuchs, dass Abschlüsse und Berufszertifikate aus dem Ausland schneller anerkannt würden, damit die Geflüchteten in ihren alten Berufen Fuß fassen könnten.

Und dann sei da noch der Wohnungsmarkt. Sie habe noch nie erlebt, dass jemand abgelehnt wurde, weil er oder sie aus der Ukraine kam. Allerdings ist die „Wohnungssuche grundsätzlich schwierig, egal, ob Ukrainer oder Nicht-Ukrainer.“ Auch Bürgermeister Thomas Stark nennt „das schwierige Wohnungsangebot“ die wichtigste Herausforderung bei der dauerhaften Integration. „Es mangelt generell an bezahlbarem Mietwohnungsraum.“

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