Ukrainer im Kreis Ebersberg:Familie Kramarenko wird fündig

Ukrainer im Kreis Ebersberg: Ruslan und Kateryna Kramarenko aus Mariupol, wohnen mit ihrer Tochter Marika derzeit bei einer Gastfamilie in Ebersberg.

Ruslan und Kateryna Kramarenko aus Mariupol, wohnen mit ihrer Tochter Marika derzeit bei einer Gastfamilie in Ebersberg.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Knapp 2600 Menschen aus den Kriegsgebieten halten sich derzeit im Landkreis Ebersberg auf, davon gut 700 Minderjährige. Über die Belastung der Beteiligten - und eine sechsjährige Ukrainerin, die mit ihren Eltern vor einem Umzug steht.

Von Korbinian Eisenberger, Ebersberg

Sieben Wochen lebt die sechsjährige Marika inzwischen in Ebersberg. Aus Mariupol hat sie nichts mitgebracht als ihren Dumbo, einen Stoffelefanten. Sie presst ihn an sich. Wohl auch, weil es das einzige Spielzeug ist, das sie von daheim mitnehmen konnte. Völlig überhastet mussten sie aufbrechen, das hat ihr Vater Ruslan Kramarenko wenige Wochen nach ihrer Ankunft erzählt (die SZ berichtete). Nun spricht er nicht von dem, was war. Sondern von dem, was kommen soll. Marika, Kateryna und Ruslan Kramarenko suchen Wohnung, Arbeit, Freunde, Spielgefährten - und einen Stoffkumpanen für Dumbo.

Die Kramarenkos sind eine von Hunderten geflüchteten Familien aus der Ukraine, die sich derzeit im Landkreis Ebersberg aufhalten. Insgesamt sind in den 21 Kommunen knapp 2600 Ukrainer untergebracht, wie das Landratsamt mitteilt. 1840 davon sind erwachsen, 741 minderjährig, wie aus den Zahlen der Ebersberger Ausländerbehörde und des Jugendamts hervorgeht. In einer Onlinekonferenz wurde unlängst deutlich, wie sehr die Situation die Beteiligten fordert - und bisweilen auch überfordert.

Um die Dimension für eine Region wie Ebersberg zu verstehen, helfen Vergleichszahlen. 2021 hatte der Landkreis Ebersberg innerhalb von zwölf Monaten 572 Neuankömmlinge zu verzeichnen und zu betreuen. "Und jetzt innerhalb von vier bis zehn Wochen 1840 Personen", erklärte Martin Turnhuber von der Ebersberger Ausländerbehörde in der Konferenz. Inzwischen ist die Zahl der Geflüchteten aus der Ukraine leicht rückläufig. Neueinreisen würden derzeit kaum mehr verzeichnet, so Turnhuber. "Es ist eher so, dass immer mehr Flüchtlinge in die Ukraine zurückkehren."

"Es ist eine gigantische Aufgabe"

Oder zurückkehren wollen - aber nicht können. So wie die Familie Kramarenko, die drei Monate vor Kriegsbeginn eine Wohnung gekauft und fertig renoviert hatte. In einem Kleinwagen flüchteten sie aus dem zerbombten Mariupol und kamen am 8. Mai in Deutschland an. Für sie stehen seit Wochen beinahe täglich Behördengängen an. Vieles ist nur mit Hilfe ihrer Gastgeber zu bewerkstelligen, einer Familie aus Ebersberg, ebenfalls mit kleinen Kindern.

Ukrainer im Kreis Ebersberg: Marika Kramarenko, sechs, wohnt mit ihren Eltern und Stoffelefant Dumbo seit Mai in Ebersberg.

Marika Kramarenko, sechs, wohnt mit ihren Eltern und Stoffelefant Dumbo seit Mai in Ebersberg.

(Foto: Ruslan Kramarenko/oh)

Je länger die Menschen hier untergebracht sind, desto relevanter werden Themen wie Wohnungs- oder Arbeitssuche. Eine Herausforderung gleichermaßen für die Suchenden - und die Vermittler, die bei Job und Unterkunft die Genehmigung erteilen. "Es ist eine gigantische Aufgabe", so Benedikt Hoigt, Chef des Jobcenters. In seiner Behörde betreuen derzeit 50 Mitarbeiter 2200 Menschen. "Uns erreichen teilweise 50 bis 100 E-Mails am Tag." Ein Thema: Nicht wenigen Ukrainern fehlt die nötige Krankenversicherung, um arbeiten zu können.

Wohnungen sind rar, ähnlich wie das Fachpersonal für die Kinderbetreuung. Das treibt dieser Tage die Kreisjugendämter in der Region um München um, darunter auch die Behörde in Ebersberg. "Wir haben einen eklatanten Mangel an Erziehern und Kinderpflegern", so Christian Salberg vom Ebersberger Jugendamt. Bedarf gebe es so gut wie überall, in den Gemeinden Markt Schwaben und Anzing seien die Personallücken besonders groß. Es handle sich, so Salberg, um ein bayernweites Phänomen. "Aber im Münchner Speckgürtel zeigt es sich am deutlichsten."

Die Mitarbeiter des Ebersberger Jobcenters "arbeiten alle samstags freiwillig"

Bei all den Schwierigkeiten gibt die vom Landratsamt einberufene Onlinekonferenz Hinweise darauf, dass in den Behörden gute Arbeit geleistet wird, um die Ukrainekrise lokal zu bewältigen. So erklärte etwa Sabrina Nappert, eine Helferin, ihre Zufriedenheit: "Die Bearbeitungszeiten des Jobcenters sind tippitoppi", so Nappert. "Die arbeiten alle samstags freiwillig."

Nicht selten stehen dieser Tage vor allem Helfer und Gastgeber von Ukraine-Flüchtlingen vor komplizierten Fragen, auch das wurde in der Konferenz deutlich: Was passiert, wenn die Gaspreise so sehr ansteigen, dass die Wohnkosten über das vom Jobcenter genehmigte Budget steigen? Eine Frage der Kreis- und Bezirksrätin Ottilie Eberl (Grüne), die Chef Hoigt nicht restlos beantworten konnte. Auch er betrachte die Entwicklung der Energiepreise "mit großer Sorge". Wer hilft beim Dolmetschen beim Arzt, wenn kein Profi zu bekommen ist? Beim Thema Gesundheit ein Risiko, falls die Übersetzung unpräzise oder verkehrt ist. Nur eine von vielen offenen Fragen.

Eines der vielen Problem ist aber nun offenbar gelöst. Marika und ihre Eltern haben eine Wohnung in Ebersberg gefunden, fünf Minuten von ihrer Gastfamilie entfernt, wie am Mittwochnachmittag zu erfahren ist. Das Angebot stehe. Bevor sie den Mietvertrag unterschreiben können, müssen die Kramarenkos nur noch die Genehmigung des Ebersberger Jobcenters einholen. Dann haben Marika und Dumbo ein neues, eigenes Zuhause.

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