Süddeutsche Zeitung

Übertragung aus dem Alten Kino Ebersberg:Abenteuer Livestream

"Sternschnuppe", das Duo aus Ottenhofen, gibt sein erstes Kinderkonzert ohne Kinder im Saal - eine echte Herausforderung

Von Anja Blum

Am Ende werden zwei glückliche, aber ziemlich erschöpfte Künstler von der Bühne klettern. Margit Sarholz und Werner Meier haben als Duo Sternschnuppe im Ebersberger Alten Kino gerade eines ihrer fantastischen Kinderkonzert gegeben - erstmals ohne Kinder. Zumindest waren keine im Saal, denn die Veranstaltung musste coronabedingt als Livestream über die Bühne gehen. Das heißt: kein Mitsingen, Klatschen, Tanzen und Juchzen im Parkett. Interaktion, normalerweise ein ganz wichtiger Bestandteil des Sternschnuppe-Konzepts, war komplett unmöglich.

Nun könnte man ja meinen, dass Familienkonzerte per se ziemlich anstrengend sind, wegen des hohen Geräuschpegels und all der Unruhe im Publikum. Doch das Gegenteil scheint der Fall zu sein: "Wir sind total zufrieden", zieht Meier Bilanz, "aber so was kostet tatsächlich mehr Kraft als ein normales Konzert." Logisch: Wenn von der Stimmung der kleinen Zuhörer auf der Bühne nichts ankommt, müssen die Künstler diese selbst hochhalten. Das ist durchaus eine Herausforderung, selbst für alte Showhasen wie Sarholz und Meier.

Doch die beiden haben, obwohl bereits im besten Großelternalter, genug Energie und Enthusiasmus, um auch ohne den direkten Support ihres begeisterten Publikums auf den Punkt abzuliefern. Das beweist das Duo aus Ottenhofen an diesem Dienstagnachmittag im Alten Kino eindrucksvoll. Da wird am laufenden Band gescherzt und um die Wette gestrahlt, dass es eine Freude ist. Klar, die beiden sind eben Profis in ihrem Metier, Familien glücklich zu machen - ganz nach dem Motto "Kinderlieder, die auch Eltern lieben". Sowohl musikalisch, als auch humoristisch sowie darstellerisch lässt dieses Duo keine Wünsche offen. Meier spielt Gitarre, Sarholz ist vor allem für die Performance zuständig, beide singen, oft sogar zweistimmig. Jeder Ton, jede Geste, jeder Gag scheint abgestimmt, die zwei, auch im echten Leben ein Paar, sind ein eingespieltes Team. Dass es aufgrund der ungewohnten Situation doch manch "Millisekunde der Irritation" gibt, wie Sarholz im Anschluss gesteht - das merkt der Zuschauer nicht.

Nach einem charmanten Vorprogramm mit allerlei Scherzen, Homestory-Bildern aus dem idyllischen Ottenhofen und "Lampenfiebermessen" hinter der Bühne sind die Sternschnuppen dann endlich ganz in ihrem Element, die Show kann beginnen. Um das Publikum vor den Bildschirmen - rund 70 Familientickets wurden verkauft - möglichst glücklich zu machen, ist der Stream ein "Wunschkonzert". Heißt: Die Zuhörer können vorab über die Playlist abstimmen, 20 Titel stehen zur Verfügung, die beliebtesten zehn werden gespielt. Vom Sommer-Klassiker "Hitzefrei!" über das Ratelied "Wenn der Eisbär nicht weiß wär'" bis hin zum Halloween-Hit "Gespenster am Fenster". Auf dem ersten Platz, passend zur Ebersberger Spielstätte, das Lieblingslied der Sternschnuppe-Fans: "Die Kuh, die wollt ins Kino gehn". Dafür schlüpft Margit Sarholz sogar ins gefleckte Dirndl und spielt, zu Hochform auflaufend, im leeren Saal die ganze Story. Eine junge Wiederkäuer-Dame auf Abenteuerreise, da lacht das Herz!

Überhaupt ist es das Markenzeichen der Sternschnuppen, in ihren Liedern absurde Geschichten zu erzählen. Da geht nicht nur die Kuh spazieren, sondern zum Beispiel auch ein Kühlschrank, der, ganz nebenbei, sogleich ein vor dem Metzger flüchtendes Schnitzel aufnimmt. Dass diese Art Humor bei Kindern bestens ankommt, bestätigt das Voting: Neben Kuh und Elektrogerät lässt das Publikum an diesem Nachmittag die Brotbrösl genauso auf Wanderschaft gehen wie zwei Knödel. Herrlich, wie Meier und Sarholz in runden Kostümen und mit Glitzerhüten bestückt dieses Hohelied der unverhofften Freiheit singen!

Für die Sternschnuppen ist es das erste Onlinekonzert, auch sie sind seit Mitte März im Auftritts-Lockdown, dementsprechend gespannt und aufgeregt sind sie an diesem Dienstag. "Im Fernsehen wird viel gefaked, aber hier ist alles echt", versichert Meier dem Publikum. Außerdem erreichten die Lieder aus Ebersberg über das Internet "die ganze Welt", also Grafing genauso wie Toronto oder die Eskimos mit ihrem "Schnee-Lan". Und tatsächlich: Im Chat zum Konzert mischt auch eine Yuna aus Johannesburg kräftig mit. Am Ende wird es Applaus und Zuspruch hageln - aber leider eben nur in Form von Buchstaben und Emojis. Trotzdem bescheinigt Margit Sarholz dem Streaming durchaus Zukunft, aber nur als Ergänzung zu normalen Konzerten. Sei es als zusätzliche Einnahmequelle für Veranstalter oder als Service fürs Publikum: "Wenn man in großen Sälen auf der Leinwand auch mal die Mimik im Close-Up sieht, ist das schon toll", sagt sie - und strahlt dabei wie eine Sternschnuppe.

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SZ vom 25.06.2020
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