Zusammen sechs Kindergarten- und Krippengruppen, dazu ein zweiter Grafinger Hort. Im Dezember hatte der Bauausschuss die Planungen für das Grafinger Kinderzentrum an der Forellenstraße positiv beschieden. Die Zustimmung im Stadtrat am Donnerstagabend galt damit praktisch als Formsache. Plötzlich aber liegt das auf absehbare Zeit größte Grafinger Kinderbetreuungsprojekt nun auf Eis.
Mehr als 20 Jahre hat Bürgermeister Christian Bauer (CSU) ein paar Türen weiter in der Kämmerei gearbeitet. Da darf die Analyse der Gegebenheiten ruhig ein bisschen kameralistischer formuliert werden: "Das Delta zwischen dem, was wir für das Kinderzentrum an Zuschüssen bekommen sollen, und dem, was wir selber aufwenden müssen, steht in keinem vertretbaren Verhältnis", sagte Bauer. Die Stimme zerknirscht, der Gesichtsausdruck todernst.
Vor einigen Tagen war eine Nachricht von der Regierung von Oberbayern im Grafinger Rathaus angekommen, deren Inhalt den Blutdruck vom Chefzimmer über die Kämmerei bis zum Technischen Bauamt nach oben getrieben haben dürfte. Rund 2,7 Millionen Euro würde der Freistaat dem Grafinger Kinderzentrum an Fördergeldern zuschießen. Da ist das Geld aus dem über die üblichen Zuschüsse hinaus gehenden Kita-Sonderförderungsprogramm schon eingerechnet. Von den mindestens auf acht Millionen Euro veranschlagten Gesamtkosten müsste Grafing demnach 5,3 Millionen Euro aus der eigenen Tasche aufbringen.
Von welcher Zuschusssumme man im Rathaus genau ausgegangen war, blieb in der Sitzung offen. Jedenfalls habe er "deutlich mehr" erwartet, befand der Rathauschef. Und dann folgte der Satz, der die nächste Grafinger Großbaustelle bedeuten könnte: "Vielleicht müssen wir uns ganz neue Gedanken machen." Ebenfalls offen blieb in der Sitzung eine belastbare Erklärung für die vergleichsweise geringe Förderung. "Wir können uns das nicht wirklich erklären", hieß es aus dem Planer-Team. "Wir sind auch total überrascht worden von der Nachricht."
Natürlich: Die Hanglage zwischen Forellenstraße und "Am Stadion" mache einige bauliche Adaptionen notwendig. Aufgrund der länglichen Grundstücksausrichtung sei das Kinderzentrum-Gebäude ebenfalls recht länglich. Das schlage sich in vergleichsweise langen Flurflächen nieder. Und die wiederum würden nicht unter die Förderung fallen. "Aber das ist alles nicht in einem Ausmaß, das entscheidend wäre."
Gleiches gelte für den Fall, dass noch an der einen oder anderen Stelle an den Raumgrößen nachjustiert würde. 16 Quadratmeter ließen sich im Falle einer Tektur wohl noch dazugewinnen. Der Effekt auf die Gesamtkosten dürfte bei einer Bruttogeschossfläche von über 1800 Quadratmetern sowie einer Nutzfläche von über 1200 Quadratmeter kaum mehr ins Gewicht fallen.
Entsprechend ernüchtert bis verärgert fielen die Reaktionen der Stadträte aus. "Ich habe langsam schwer das Gefühl, dass die Vorgaben vom Landratsamt an den Bau selbst und die Förderrichtlinien von der Staatsregierung so weit auseinander klaffen, dass wir in der Mitte durchrutschen", vermutete SPD-Stadtrat Christian Kerschner-Gehrling. Sollte sich die Befürchtung bewahrheiten: "Das wäre wirklich allerhand - und muss umgehend geklärt werden."
Zu diesem Zeitpunkt stellte dann nicht mehr nur Bürgermeister Bauer die bisherige Fixierung auf das Grundstück in Frage. "Bei einer Eigenleistung von 5,3 Millionen Euro bin ich für eine Neuplanung", befand Grünen-Stadträtin Ottilie Eberl. Ob es denn eine Option wäre, das komplette Kinderzentrum gen Westen bis an die Forellenstraße zu schieben, wollte Thomas Huber (CSU) wissen. Die eindeutige Antwort aus dem Planungsteam: "Natürlich: Wenn man dieses Vorhaben ändert, entstehen gänzlich neue Möglichkeiten. Bauweise. Höhe. Praktisch alles."
Allerdings sind im geltenden Bebauungsplan Zwänge hinterlegt, die auch bei einem verschobenen Baukörper gelten würden. Etwa, dass die Freispielflächen des Kindergartens im Norden des Gebäudes liegen müssen, um die Lärmbelastung für die Wohnbebauung in der Nachbarschaft niedrig zu halten. "Dann müssen wir eben hier den Bebauungsplan ändern, wenn der so viele Probleme beschert", kommentierte Eberl den Kontext.
Was aus alldem zu schlussfolgern ist, diskutieren die Stadträte nun zunächst innerhalb ihrer Fraktionen. In der Februar-Sitzung - laut Bauer möglicherweise in einer Sondersitzung - soll der Stadtrat dann weiter beraten.
Immerhin eine kleine gute Nachricht konnte der Bürgermeister am Rande der Sitzung verkünden: Ein Engpass bei den Betreuungsplätzen drohe nicht. Alleine im vergangenen Jahr habe die Stadt 90 zusätzliche Plätze geschaffen. "Also haben wir momentan etwas Puffer."