Süddeutsche Zeitung

Trio in der Petrikirche Baldham:Mit ehrlicher Vorfreude

Lesezeit: 3 min

Bei "Bach & More" finden Advent und Weihnachten den gemeinsamen guten Ton

Von Ulrich Pfaffenberger, Vaterstetten

Ein Adventskonzert mit "Weihnachtlicher Musik", solange die Zahl auf dem Adventskalender-Türchen noch einstellig ist - darf man das? Bei der Antwort verhält es sich so ähnlich wie bei der Frage, ob man bei Mozarts Requiem in der Karwoche das "Gloria" mitsingen darf oder nicht: Es kommt darauf an. Da man Matthias Gerstner und seiner Reihe "Bach & More" auf keinen Fall mangelndes Feingefühl für Zeit und Anlass unterstellen kann, lohnte es sich also, am Sonntagabend in der Petrikirche in Baldham genau hinzusehen und hinzuhören. Hinsehen: in den Programmzettel. Hinhören: in die Stimmung der Melodien.

Mit Händel und Telemann hatte der Kirchenmusiker zwei Komponisten gewählt, deren Musik jedem zur Ehre gereicht, der einem Anlass einen festlicheren Anstrich geben will. Darum herum gruppierten sich Werke aus vier Jahrhunderten, vom 17. bis zum 20. - doch alles andere als ein "bunter Teller", sondern ein fein gesponnener Faden verwandten Charakters, in den das Motiv "freudige Erwartung" eingeflochten ist. Wie dann jeweils das Kerzenlicht darauf fällt, funkelt es mal mehr, mal weniger, aber stets kommt das Licht von Weihnachten dem Zuhörer entgegen. Eine innere Einstimmung, so, wie die Kerzen am Adventskranz eine Vorahnung auf den Glanz des Christbaums schenken.

Die instrumentale Besetzung verstärkte diesen Eindruck noch. Über dem Basso continuo der von Gerstner gespielten Orgel entfalteten Magdalena Hofer auf der Flöte und Johanna Gerstner auf der Violine sanfte, von einem fröhlichen Grundton getragene Tongebilde, jedes davon geeignet, die Herzen zu öffnen und die Sinne dafür zu schärfen, welch große, friedenstiftende Kraft von Melodien ausgeht, die auf die Freude hinarbeiten. Schon das erste Stück, eine Triosonate von Charles Rosier ließ sich fünf fein ausgearbeitete Sätze Zeit, um das Publikum hereinzuholen aus dem trüben Draußen ins Geborgenheit gewährende Drinnen. Durchaus auch als Intonation des christlichen Gedankens verstehbar, spann das Trio einfühlsam den Bogen vom menschlichen Zögern und Zweifeln nach dem einladenden Affetuoso zu Beginn übers Adagio und Piu Allegro hin zur himmlischen Freude in der Allemanda und Sarabande. Ein glücklicher Griff in die Literatur, um ein solches Konzert zu beginnen.

Gleiches darf man Gerstner für die Auswahl der Werke attestieren, bei denen die drei Instrumente jeweils solistisch wirkten. Gleich zu Beginn durfte das die Orgel mit dem "Magnificat noni Toni" von Samuel Scheidt - also dem jenseits der achtstufigen Tonleiter gelegenen "guten" Ton. Der Lobgesang Mariens ist eine doppelte Anspielung: auf diesen 8. Dezember als Tag, an dem die katholische Kirche der "Unbefleckten Empfängnis Mariens" gedenkt, und auf den Evangelisten Lukas, dessen Schriften nicht nur dieser Lobpreis entstammt, sondern auch die farbenfroheste Schilderung der Heiligen Nacht. Im Spiel der Orgel zeigt sich denn auch der Grundton des ganzen Konzerts: die ehrliche, adventliche Fröhlichkeit, die ohne Zwang daherkommt, weil in ihr noch ein bisschen etwas von dem steckt, was die Hirten ereilte: Staunen, Ehrfurcht, Freude. Reinsbergers "Pastorale" und die Triosonate C-Dur von Telemann zum Ausklang fügen sich harmonisch in diese Tonalität ein.

Wie überhaupt die Geschlossenheit des Trios überzeugt und sich auch in den solistischen Partien glaubwürdig fortsetzt. Mit drei Miniaturen unter dem Titel "Een Kindeken is ons geboren" des Niederländers Jacob van Eyck dringt Magdalena Hofer in jene Sphären der Spiritualität vor, die zum Klingen bringt, was diese so einfachen wie mächtigen Emotionen in uns Menschen bewirken: Wir greifen zum ältesten Instrument der Menschheit, der Flöte, um Ausdruck zu geben, wofür uns Worte fehlen. Die Musikerin verzichtet auf alle Manierismen, vielmehr setzt sie ganz auf die Kraft der Melodie, die größer ist als der Raum, in dem sie erklingt. Ihr Umgang mit der Altblockflöte lässt dabei große Zuneigung zum Instrument erkennen - und die Ausbildung der Solistin zur Sängerin mit dazu.

Am anderen, heutigen Ende der Zeitspanne, die das Konzert abbildet, setzt Johanna Gerstner an, die mit zwei Stücken aus dem Werk von Helga Schauerte-Masbouet das Weihnachtsthema direkt anspielt. Zunächst mit einer herzlich-fröhlichen Interpretation von "Joseph, lieber Joseph mein" (nach Max Reger), dann in einem mit sanfter Klarheit gegebenen Versprechen, als sie die "Stille Nacht" anklingen lässt, aber noch nicht feiert. Das sind manchmal nur Nuancen in der Dynamik, feinste Varianten in der Bogenführung, kleine Verzögerungen in den Tempi - aber: Welch eindringliche Wirkung! So prägnant und auf den Punkt ist ihre Deutung der bekannten Melodie, dass mancher ihren Auftritt wohl als Solo in Erinnerung behalten wird, obwohl doch die Orgel die Geige begleitete.

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SZ vom 10.12.2019
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