Tragischer Unfall:Verhängnisvoller Augenblick

Mit Alkohol und Amphetaminen im Blut fährt ein 18-Jähriger im Oktober 2012 auf dem Weg nach Grafing einen Freund tot. Die Strafe: zwei Jahre auf Bewährung.

Von Wieland Bögelund Sophie Rohrmeier

Es war nur eine Sekunde, die aus einem feuchtfröhlichen Geburtstagsfest eine Tragödie machte. In der Nacht vom 12. auf den 13. Oktober 2012 verlor ein 17-Jähriger sein Leben, weil sich ein Bekannter von ihm betrunken ans Steuer setzte. Beide, der Unfallfahrer und sein Opfer, waren auf dem Rückweg von einer Party in Aiterndorf nach Grafing. In einer engen Kurve verlor der damals 18-Jährige Fahrer die Kontrolle über sein Auto und erfasste den 17-Jährigen, der zu Fuß unterwegs war. Er starb wenige Stunden später im Krankenhaus. Der Unfallfahrer, der nicht nur viel zu schnell, sondern auch mit Alkohol und Drogen im Blut steuerte, fuhr nach dem Crash einfach weiter und stellte sich erst am Tag darauf der Polizei. Vor dem Amtsgericht Ebersberg ist der jetzt 19-Jährige nun wegen fahrlässiger Tötung zu einer Jugendstrafe verurteilt worden.

Tragischer Unfall: Der mit Blumen geschmückte Unfallort im Oktober 2012.

Der mit Blumen geschmückte Unfallort im Oktober 2012.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Das Interesse an dem Verfahren war groß, viele Freunde des Unfallopfers waren gekommen, auch um dessen Familie, die als Nebenkläger auftrat, Beistand zu geben. Die Eltern des Toten wirkten gefasst, und äußerten sich im Verfahren selbst nicht. Nach Angaben ihrer Anwältin leiden sie bis heute schwer unter dem Verlust. Beide seien in psychologischer Behandlung, "überwinden kann man so etwas nicht".

Der Angeklagte, ein schmaler, schüchtern wirkender junger Mann, vermeidet es, die Eltern des Unfallopfers direkt anzusehen. Er bedauere die Tat zutiefst, erklärt er, "ich träume immer noch davon". Auch er ist seit dem Unfall in psychologischer Behandlung. Seine Schuld gesteht er sofort ein. Er habe viel zu viel getrunken, bekennt er, und auch Amphetamine - Speed - eingenommen. Dies geht auch aus dem Gutachten der Gerichtsmedizinerin hervor, die außerdem bescheinigt, dass er zum Tatzeitpunkt mindestens 1,2 Promille Alkohol im Blut hatte. Er habe eigentlich ein Taxi nehmen wollen, sagt der Angeklagte, doch durch die Amphetamine habe er seinen Rausch nicht mehr gespürt und gedacht, er könne noch fahren.

Die Geschichte, dass man ein Taxi rufen wollte, wird von einem Zeugen, der mit im Auto saß, bestätigt. Doch das Taxi ließ zu lange auf sich warten, man beschloss, selbst zu fahren, beziehungsweise den Angeklagten fahren zu lassen. Wie es genau dazu gekommen war, dass sich die sechs jungen Leute ins Auto zwängten, darüber konnten die Zeugen wenig Konkretes mitteilen. Einer von ihnen schaffte es aber, am Tag nach dem Unfall seine Mitfahrer zu überzeugen, bei der Polizei seinen Namen nicht zu nennen. Einen Vorgang, den Richterin Susanne Strubl den Zeugen aufs Heftigste vorwarf. Dieses Verhalten sei "eine Schweinerei", nicht nur gehe es darum, den Tod eines Jugendlichen aufzuklären, sondern auch darum, ob ein anderer seine Freiheit behalten könne. Besonders eine Mitfahrerin musste sich eine gehörige Standpauke anhören. Die junge Frau hatte bei der Polizei noch ausgiebig Angaben gemacht, vor Gericht wollte sie sich aber an nichts mehr erinnern können. Sie habe im Auto die meiste Zeit geschlafen und ansonsten einen Filmriss. "Ich habe das Gefühl, dass von Ihnen und anderen dieses ganze Verfahren als lustige Tollerei gesehen wird", empörte sich die Richterin.

Mehr Einsicht zeigte ausgerechnet der Zeuge, der anfangs eigentlich keiner sein wollte. Er berichtete ausführlich, wie er nach dem Crash auf seine Mitfahrer eingeredet habe, sofort anzuhalten. "Ich dachte, ich hätte einen Rücken gesehen, der auf die Scheibe prallte." Doch der Fahrer und die anderen hätten gemeint, dass sie nur die Leitplanke oder ein Verkehrsschild gerammt hätten, weshalb sie ihre Fahrt fortsetzten. In Grafing angekommen, hätten sie später von Freunden erfahren, dass der 17-Jährige im Krankenhaus liege, so der Zeuge. Daraufhin habe er den Unfallfahrer davon überzeugen wollen, sich sofort zu stellen, doch der habe nicht auf ihn hören wollen.

Doch schließlich hat sich der Unfallfahrer gestellt und auch gestanden - und zwar schon während der Ermittlungen, nicht erst als Verteidigungsstrategie vor Gericht. Das vor allem hat Richterin Strubl und die Schöffen dazu bewogen, die Strafe für den jungen Mann zur Bewährung auszusetzen. "Das hat mir persönlich und uns als Gericht imponiert", sagte sie zu dem entschlossenen Betragen des Angeklagten. Der nämlich wollte die volle Verantwortung übernehmen, hat sich weder auf weiteren Alkoholgenuss nach dem Unfall noch auf Druck durch andere berufen. Dass er eben dieses Verantwortungsbewusstsein aber nicht gezeigt hatte, bevor er in der Unfallnacht ins Auto eingestiegen war, nannte die Richterin eine "äußerst schwere Schuld". Durch sein Verhalten habe er das Schlimmste gemacht, was man Eltern antun könne: das Kind weggenommen. "Wären Sie drei Jahre älter, wären Sie ins Gefängnis gegangen - ohne Wenn und Aber." Weil aber die Situation in der Nacht "jugendtypisch" gewesen sei, urteile sie nach Jugendstrafrecht, erklärte die Richterin und entschied sich für das höchste Strafmaß, das auf Bewährung ausgesetzt werden kann: zwei Jahre. Darauf hatte auch die Staatsanwältin plädiert, ebenso wie auf den Entzug des Führerscheins für weitere zwölf Monate. Das erschien Richterin Strubl dann aber doch zu wenig. In 20 Monaten erst darf der junge Mann wieder fahren. Vor allem aber muss er seine Therapie abschließen, regelmäßig zum Drogentest - und die andere Strafe ertragen, die ihm sein Handeln eingebracht hat, wie Strubl betonte: "Die Schuld, die Sie haben, wird sie nicht loslassen."

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