Traditionelle Wirtshäuser:Die größte Herausforderung

Oberbräu Markt Schwaben

Das Wirtshaus Oberbräu in Markt Schwaben hat seit April geschlossen. Hier im Gastraum schenkte der bisherige Wirt Raphael Brandes oft bis spät abends aus. Die Suche nach einem Nachfolger blieb bisher erfolglos.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Bürokratie, Personalmangel, starre Regeln: Die Wirte im Landkreis Ebersberg hatten in den vergangenen Jahren ohnehin oft zu kämpfen. Dann kam Corona - etwa 15 Prozent der Gaststätten werden das wohl nicht überstehen

Von Barbara Mooser

Als er sich zum letzten Mal hinter den Zapfhahn stellte, mit seinen Stammgästen ratschte und am Ende des Abends die Tür zum gemütlichen Gastraum mit den schlichten Holztischen für immer hinter sich zuzog, hatte das kleine Virus zwar schon damit begonnen, die große ganze Welt gehörig auf den Kopf zu stellen. Doch die Entscheidung, seine Arbeit als Wirt an den Nagel zu hängen, hatte Raphael Brandes schon viele Monate früher getroffen. Zehn Jahre lang hatte sein Leben sich um den Oberbräu in Markt Schwaben gedreht, seine Gesundheit und seine Lebensqualität blieben auf der Strecke, so sollte es nicht weitergehen, beschloss der damals 45-Jährige. Seine persönliche Entscheidung von damals bedauert er bis heute nicht, sagt er. Aber dass die Wirtshaustür immer noch zu ist, dass in der Gaststube kein Leben mehr ist, das schmerzt ihn schon. Verstehen kann er es aber auch, dass sich bisher kein Nachfolger gefunden hat: "Keiner will im Moment das Risiko eingehen."

Denn wer weiß schon, ob die Leute im Herbst überhaupt wieder Lust haben, in die Wirtsstuben zurückzukehren, oder ob sie nicht Sorge haben, dass sie sich dort vielleicht doch das Coronavirus einfangen könnten. Jetzt, im Sommer, können die Wirte ihre Gäste ja auf der Terrasse oder im Biergarten bedienen, "aber wenn im Herbst wieder ein reduzierter Lockdown käme, wäre das ein Desaster", sagt Brandes.

Recht ähnlich drückt es Franz Schwaiger aus, er ist Kreisvorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbandes und führt selbst ein Traditionshotel mit Wellnessbereich, Konditorei und Bistro in Glonn. Froh ist er momentan aber vor allem darüber, dass er noch ein anderes Standbein hat: Mit seinem Hackschnitzelwerk versorgt er 14 Mehrfamilien- und 18 Einfamilienhäuser mit Fernwärme. "Wenn wir bloß die Wirtschaft hätten, müssten wir sofort zusperren", sagt er. Anderen Wirten im Landkreis bleibt hingegen wohl nur diese eine Option. Beziehungsweise: Sie müssen nicht zusperren, weil sie nach dem Lockdown gar nicht erst wieder aufgesperrt hat. Monatelang keine Einnahmen, hohe Fixkosten für die Mitarbeiter, das hat einigen die Existenz ruiniert. Schwaiger schätzt, dass 15 der etwa 100 Gaststätten im Landkreis Ebersberg die Corona-Krise nicht überstehen werden - mindestens.

Er selbst hat seine Gastronomie 1990 übernommen und ist fest entschlossen durchzuhalten, schon allein für die 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in seinem Team. Doch auch wenn der Lockdown vorbei ist, ist es für die Wirte noch lange nicht so wie vorher. Im Hotelbereich, so schätzt Schwaiger, hat er auch im Juli noch 80 Prozent weniger Umsatz als im Vorjahr, in der Gastronomie vielleicht 50 Prozent. Dafür steigen die Ausgaben. Vergangenes Wochenende habe er erstmals wieder eine größere Gesellschaft im Hotel empfangen können, erzählt er, sie haben am Abend in der Nähe an einer Hochzeitsfeier teilgenommen und dann in Glonn übernachtet. Beim Frühstück am nächsten Tag hätte Schwaiger vor Corona vielleicht zwei Leute gebraucht, höchstens hätte noch eine dritte Hilfskraft zeitweise mit angepackt. Doch statt das Büffet aufzufüllen und leere Teller abzuräumen, müssen die Mitarbeiter jetzt an einem solchen Morgen 50 einzelne Frühstücksbestellungen aufnehmen und 50 einzelne Frühstücke zusammenstellen. Sechs Leute sind damit gut beschäftigt, "das ist ein Riesenaufwand". Da ärgert es Schwaiger besonders, wenn dann noch Klagen kommen, wenn etwas um ein paar Cent teurer wird oder wenn die Mehrwertsteuersenkung nicht an die Gäste weiter gegeben wird. Er könne die Kollegen durchaus verstehen, die dann ihre 90-Stunden-Woche als selbständiger Gastronom mit einem 40-Stunden-Job tauschen, sagt er.

Denn ja, auch vor Corona hat der Wirtsberuf einige Herausforderungen mit sich gebracht. Wenn man Raphael Brandes danach fragt, fällt ihm die fordernde Konkurrenz durch die neuen Kettenrestaurants ein, aber auch die ständige Suche nach Personal, die ihm so manchen Stress beschert hat. Er könne es Studenten ja selbst nicht verdenken, dass sie aufgrund der besseren Verdienstmöglichkeiten lieber an der Uni oder in einem anderen Unternehmen arbeiten, statt in der Kneipe zu bedienen, sagt er. Auch das Rauchverbot habe ihm zwar bessere Luft in der Kneipe beschert, aber etliche Kartler- und Stammtischrunden treffen sich jetzt eben nicht mehr hier. "Es sind viele kleine Dinge", sagt Brandes.

Und dann kommt natürlich noch die Bürokratie oben drauf, Dokumentationspflichten, Arbeitszeitenregelungen, Hygienevorschriften. Das war einer der Hauptgründe dafür, warum Adi Warta, der bisherige Wirt der Ausflugsgaststätte St. Hubertus im Ebersberger Forst vor einigen Monaten hingeschmissen hat.

Doch ganz düster ist die Lage auch wieder nicht: Wer einen angenehmen Abend verbringen will, hat im Landkreis Ebersberg immer noch die Qual der Wahl zwischen vielen schönen, traditionellen Wirtschaften oder auch modernen, lebendigen Cafés und Bistros. Sogar neue Wirtschaften lassen sich entdecken - gerade vor ein paar Wochen hat etwa das "Sacherl" in Maria Altenburg unter neuer Führung aufgemacht, ein Ausflug lohnt sich. Ein Wirt für den derzeit geschlossenen Waldbiergarten Sauschütt steht in den Startlöchern, auch im Forsthaus Hubertus ist die Einkehr dank eines mutigen neuen Wirts wieder möglich. Und außer deftigen Brotzeiten und kühlen Getränken gibt es dort jetzt noch etwas Neues im Sortiment: schöne, handgenähte Masken.

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