Süddeutsche Zeitung

Tourismus in Ebersberg:Toller Sommer, schlechter Winter

Volle Biergärten, gut gebuchte Hotels: 2022 hat gezeigt, dass die Menschen wieder Lust auf Essengehen und Kurztrips in den Landkreis Ebersberg haben. Trotzdem bleiben die Akteure in Gastronomie und Tourismus vorsichtig.

Von Franziska Langhammer, Ebersberg

Mit der Familie sonntags Essen gehen, einen Tagesausflug oder gar einen Kurzurlaub im Grünen zu machen - all das war während der Pandemiezeit nicht möglich. Der gesamte Tourismus im Landkreis Ebersberg erlebte während der Corona-Jahre einen beispiellosen Einbruch. Heute, drei Jahre nach dem ersten Lockdown, ist ein vorsichtiges Aufatmen in der Branche zu vernehmen.

"Das Sommergeschäft war der Hammer", schwärmt Melanie Stocker über die vergangene Saison. Die Kreisvorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga betreibt mit ihrem Mann das Gasthaus Stocker in Landsham und erzählt, dass die Menschen nach der Pandemie total ausgehungert gewesen seien: "Die Biergärten waren gesteckt voll, nicht nur bei uns." Auch die Übernachtungszahlen im ganzen Landkreis seien im Sommer sehr gut gewesen.

Biergarten ja, Weihnachtsfeier nein

Doch dann kam der Herbst, und mit ihm, so Stocker, "seien die Zahlen abrupt abgerutscht". Sobald das Biergartenwetter vorbei war, seien nur noch wenige Gäste gekommen. Weihnachtsfeiern habe es kaum gegeben, weil die meisten Firmen ihre Feste auf den Sommer verlegt hätten - wohl immer noch mit der Corona-Routine der vergangenen Jahre im Hinterkopf. "Im Winter", so Anita Stocker, "waren die Zahlen so schlecht wie nie." Dieses Jahr will sie diese Problematik gleich ganz umgehen - und schließt ihr Gasthaus über die Weihnachtstage.

Ein Thema, das gerade viele Gastrobetriebe umtreibt, ist die bevorstehende Rückerhöhung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent. Am 1. Januar 2024 soll es so weit sein, dann entfällt die befristet geltende Regelung des Corona-Steuerhilfegesetzes: Um die hohen Energiekosten und die Folgen der Pandemie abzufedern, liegt der Steuersatz für Speisen derzeit bei sieben Prozent.

"Da muss die Politik uns Gastronomen weiterhin den Rücken stärken", findet Anita Stocker, "schließlich ist jeder zehnte Arbeitnehmer in Bayern im Hotel- und Gaststättengewerbe beschäftigt." Sie fordert eine einheitliche Mehrwertsteuerbelastung, wie sie auch in anderen europäischen Ländern längst üblich ist. "Anders haben wir keine Chance", sagt sie, "sonst stehen wir nächstes Jahr in Bayern nur noch mit 50 Prozent der Gaststätten da."

"Es wird nicht mehr so wie vorher", sagt Wirtin Anita Stocker

Womit der Großteil aller Hotels und Gaststätten im Landkreis weiterhin zu kämpfen hat, ist der massive Personalmangel. Anita Stocker zählt auf: Sie habe eine Vollzeitstelle und drei Minijobs zu vergeben. "Gerade haben wir nur viereinhalb Tage geöffnet von sieben", sagt sie, "weil Personal fehlt." Auch in den meisten anderen Betrieben mangele es daran, beispielsweise an Bedienungen.

Stocker berichtet von Initiativen des Dehoga in enger Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt, um Menschen aus anderen Ländern wie Vietnam, Mexiko oder Marokko als Fachkräfte anzuwerben. Weil die Vermittlungskosten aber recht hoch seien, lohne sich das meist nur für große Hotels. Anita Stockers Fazit nach der Pandemie: "Die Gastro rollt wieder an, der Tourismus kommt. Wir befürchten aber, dass es nicht mehr so wird wie vorher."

Auch ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass sich der Tourismus im Landkreis zwar langsam wieder erholt, aber noch nicht das Niveau vor der Corona-Zeit erreicht hat: Gab es 2019 noch 214 107 Gästeankünfte im Landkreis, waren im vergangenen Jahr nur 173 773 zu verzeichnen. Alexandra Holzfurtner, Tourismus- und Radverkehrsbeauftragte am Landratsamt Ebersberg, interpretiert das so: "Wir liegen immer noch ein bisschen unter dem Niveau vor Corona, aber es geht schon wieder in die richtige Richtung."

Übernachtungsgäste bleiben durchschnittlich 2,2 Tage im Landkreis

Die Zahl der gemeldeten Übernachtungen lag 2019, also im Jahr vor dem ersten Lockdown, bei 445 941; 2022 waren es lediglich 386 557. "Ab dem Sommer ist es ein gutes Jahr gewesen", kommentiert Alexandra Holzfurtner das. Bei der Aufenthaltsdauer der Besucher habe es sogar einen kleinen Anstieg gegeben: Lange Zeit lag die durchschnittliche Urlaubsdauer von Gästen im Landkreis bei 2,1 Tagen, derzeit sind es sogar 2,2 Tage.

Vor allem aber Tagesreisen nach Ebersberg sind beliebt - es kommen also Gäste in den Landkreis, übernachten dort aber nicht. Sie machen laut Holzfurtner fast die Hälfte des Bruttoumsatzes im Tourismus aus. "Was auch sehr gut angekommen ist im vergangenen Jahr, war die überarbeitete Forstkarte", berichtet sie. In diese seien nämlich zwei neue Radwege integriert, die sich großer Beliebtheit erfreuten.

Dass der Tourismus noch nicht das Vor-Corona-Niveau erreicht hat, bestätigt auch Brigitte Binder, Vorsitzende vom Tourismus-Verein Grafing. Mit Blick auf den Sommer 2022 sagt sie: "Kurze Zeit sah es so aus, als gebe es mehr Buchungen als zuvor, aber das hat sich dann doch nicht bewahrheitet." Die Ferienwohnungen im Landkreis seien zwar gefragt gewesen, der erhoffte Boom sei jedoch ausgeblieben. Neben vielen Stammgästen hätten sich vor allem Geschäftsleute eingebucht. Zum Aufgeben gezwungen hätte sich aber kein Betreiber einer Ferienwohnung gesehen, so Binder: "Im Gegenteil, wir haben neue Vermieter im Landkreis dazu bekommen."

Brigitte Binder sieht den Grund für die Vorsicht der Reisenden in der aktuellen weltpolitischen Lage. "Jetzt hat man zwar Corona im Griff, aber durch den Ukraine-Krieg sind die Energiekosten gestiegen", sagt sie, "das bremst den Enthusiasmus." Für den Sommer 2023 habe sie zwar schon einige Anfragen, auch von Rad-Urlaubern. Viele Menschen aber müssten erst einmal sehen, wie es privat weiter ginge; dazu gehöre es etwa, die Nebenkosten-Abrechnung abzuwarten. "Nur ein gewisses Klientel kann immer reisen."

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