Süddeutsche Zeitung

Tod eines 14-jährigen Skifahrers:Schwer zu verkraften

Nach dem Lawinen-Tod eines 14-jährigen Skifahrers beim Training stellt sich dem WSV Glonn auch die Schuldfrage.

Von Anselm Schindler, Glonn

Der Schock sitzt tief. Am vergangenen Sonntag wurde ein 14-jähriger Vaterstettener bei einer Trainingsabfahrt seines Teams vom Wintersportverein Glonn im Tiroler Skigebiet Kaltenbach-Hochzillertal von einer Lawine erfasst. Erst nach 25 Minuten konnt die Bergrettung den Jugendlichen aus den Schneemassen befreien, doch da war es bereits zu spät. Die Rettungskräfte konnten nur noch den Tod des 14-Jährigen feststellen.

Gegen den 25-jährigen Trainer der Gruppe wird wegen des Verdachtes auf fahrlässige Tötung ermittelt. Denn die Mannschaft war abseits der Pisten im freien Gelände unterwegs und hatte, so heißt es bei der Tiroler Polizei, keine Sicherheitsausrüstung wie Lawinen-Suchgeräte oder Sonden dabei.

Gregor Schober, der beim Wintersportverein Glonn für Leistungssport zuständig ist, nimmt den 25-jährigen Trainer in Schutz. Die Abfahrt neben gekennzeichneten Pisten sei "bei allen Mannschaften absolut üblich", erklärt Schober. "Das ist eine normale Trainingsform, die zur Ausbildung von Skifahrern gehört".

Und auch für den Umstand, dass die siebenköpfige Skisport-Gruppe keine spezielle Lawinen-Ausrüstung dabei hatte, treffe den Trainer des Schüler-Teams keine besondere Schuld, findet Schober: "Ich kenne keine Mannschaft, die mit solchen Geräten unterwegs ist". Eine Ausrüstung für Lawinen sei zwar bei Skitouren-Gehern und Freeridern üblich, so Schober, bei Rennmannschaften für gelegentliche Tiefschneefahrten allerdings nicht.

Gregor Schober war gerade mit dem Bruder des verantwortlichen Trainers in einem Ski-Gebiet in der Nähe des Unglücksortes unterwegs, als sich das Unglück ereignete. Schober war einer der ersten, der davon erfuhr. Die Betroffenheit ist auch am Telefon spürbar, Schober muss immer wieder schlucken, er räuspert sich, um die richtigen Worte zu finden. "Das Vertrauen ist noch da" betont Schober, nach den Reaktionen der Vereinsmitglieder gefragt.

Am Tag des Unglücks galt für das Skigebiet die Lawinenwarnstufe drei bis vier, wie Andreas Wierer erklärt. Wierer ist Einsatzleiter der Bergrettung Kaltenbach, die am Sonntag zum Unglücksort ausrückte. "Alles über drei ist schon gefährlich", erklärt er die Risiko-Skala, die bis Warnstufe fünf reicht. "Eine höhere Stufe als drei wird auch selten vermeldet, vielleicht in zehn Prozent der Fälle".

Eigentlich hätte es ein normaler Trainingstag in den Zillertaler Alpen werden sollen. Nachmittags beschloss die Gruppe, von der Piste ins freie Gelände zu wechseln, dann nahm das Unglück seinen Lauf. Bei einem Sturz löste der 14-jährige Schüler ein rund 20 Meter breites und 140 Meter langes Schneebrett aus, so viel kann zur Rekonstruktion des tragischen Unfalls bereits gesagt werden. Zur Lawinen-Gefahr sei noch die schlechte Sicht gekommen, berichtet Bergretter Wierer.

Die Schüler seien zudem abseits der Spur des Trainers gefahren, "da sind viele ungünstige Faktoren zusammen gekommen". Zwar sei der Verunglückte schnell gefunden worden, allerdings sei er einen Meter tief verschüttet gewesen, was die Bergung zusätzlich schwierig gemacht habe, sagt Wierer. Auch das Gelände sei recht schwer zugänglich, auf rund 45 Grad schätzt Wierer die Neigung des rund 2000 Meter hoch gelegenen Nordost-Hanges, an dem die verhängnisvolle Lawine sich gelöst habe.

Bei dem Glonner Schüler-Rennteam, das sich an diesem Trainingstag aus sieben 13- bis 15-Jährigen und einem Trainer zusammensetzte, handelt es sich um erfahrene Ski-Fahrer, die sich trotz ihres jungen Alters der Gefahren, die abseits der Pisten lauern, durchaus bewusst seien. In der 45-jährigen Geschichte des Vereins hat sich noch nie ein solches Unglück zugetragen.

An Alltag ist beim WSV Glonn erst einmal nicht zu denken. "Unsere Mannschaften haben alle Rennen abgesagt", erklärt Trainer Gregor Schober. Auch für die anderen Jugendlichen aus dem Team des verunglückten 14-Jährigen sei der Vorfall nur schwer zu verkraften, sagt er, viele von ihnen waren mit dem Nachwuchstalent befreundet. Und das Unglück hat auch weit über Glonn hinaus bereits Wellen geschlagen. Auch Vereine aus München und Umland haben aus Solidarität mit den Glonnern diverse Rennen abgesagt.

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Quelle:
SZ vom 20.01.2016
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