Tierzucht in Frauenneuharting:Wenn Tauben Schönheitspreise gewinnen

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Hier mal verkehrt herum: Die Taube in der Hand ist Konrad Greithanner lieber als der Spatz auf dem Dach. (Foto: Christian Endt)

Mit gewöhnlichen Stadttauben haben die Tiere von Konrad Greithanner nichts zu tun: Er züchtet Rassetauben.

Von Rita Baedeker, Frauenneuharting

Wer von "Florentinern" spricht, meint für gewöhnlich elegante Strohhüte, knuspriges Mandelgebäck oder Meister wie Leonardo da Vinci. Wenn Konrad Greithanner in Frauenneuharting mit Enthusiasmus in der Stimme von "schwarzen Florentinern" erzählt, dann geht es - um Tauben. 18 Paare sind es, mit einem Federkleid so klar und klassisch, als wär's eine Robe von Armani, der allerdings Mailänder ist.

Die Brust weiß wie Schnee, die Flügel schwarz wie Ebenholz, ein stolzes Schneewittchen mit Chancen, Italy's oder Germany's next Top-Taube zu werden. Seit etwa 1800 gibt es diese eleganten gezüchteten Rassevögel, die von der Felsentaube abstammen, in der freien Natur kommen sie nicht vor.

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Konrad Greithanner, Mitglied im "Verein Rasse-Geflügelzucht Assling", hat seine Leidenschaft für die Tauben geerbt. "Mein Vater, der vor vier Jahren starb, hat als Fahrer bei einem Metzger gearbeitet", erzählt Greithanner. "In dieser Zeit hat er diese Tauben irgendwo mal gesehen, um 1960 begann er mit der Zucht." Der Sohn, 50 Jahre alt, selbständiger Maler, ist mit den Vögeln aufgewachsen, seit er acht Jahre alt ist, beschäftigt er sich bereits damit. Im Landkreis Ebersberg ist er der Einzige, der Florentiner züchtet.

Obwohl seine Schützlinge kein fliegendes Postamt betreiben, keinen Olivenzweig im Schnabel tragen, nicht in geheimer nachrichtendienstlicher Mission unterwegs sind und auch nie Vorbild waren für Picasso und die Friedensbewegung, sind sie ihm ans Herz gewachsen.

Greithanners Tauben leben in mehreren voneinander getrennten Freigehegen aus Drahtgitter, eines davon ist das "Kinderzimmer", wie er es nennt. Der Boden der Käfige ist mit Sand bedeckt. "Die Tauben fressen die Sandkörner, denn die zermahlen das Futter in den Mägen", berichtet er. Weizenkörner, Mais, Erbsen, Hirse, Reis, Sonnenblumenkerne, auch Wicken gehören zum Speiseplan der Tiere.

Bis die Küken ausstellungsreif sind, wird es noch dauern. (Foto: Christian Endt)

Vor dem Taubenschlag machen es sich gerade zwei dreifarbige Katzen im Abendsonnenschein gemütlich und betrachten die Vögel mit mäßigem Interesse. "Die tun den Tauben nichts, ich könnte die Katzen die ganze Nacht über im Gehege lassen, es würde nichts passieren, die sind mit den Vögeln aufgewachsen", sagt Greithanner. Würde er diese frei lassen, würden sie eher ein Opfer der Greifvögel werden. Anders als Brieftauben, finden Rassetauben nicht mehr zurück zum Quartier.

An Flugwettbewerben nehmen Florentiner nicht teil. Sie sind mehr für den Laufsteg geschaffen. Bei Vereinsschauen, Landes-Ausstellungen und Märkten präsentiert Greithanner seine Schönheitengalerie. Die Vögel werden benotet nach Kriterien wie Höhe, Stand, Größe und Farbe.

Im vergangenen Jahr hat Greithanner in Straubing den Bayerischen Meistertitel geholt. Zweimal die zweithöchste, viermal die dritthöchste Note errungen, machte zusammen 572 Punkte. Es war das beste Ergebnis der Schau, darauf ist er sehr stolz.

Doch gutes Aussehen braucht Pflege, und nicht jedes Exemplar entspricht von Natur aus dem bei Tauben geltenden Schönheitsideal. "Beim Züchten gibt es immer Überraschungen", sagt Greithanner. Ab und zu spielt er den Figaro, dazu nimmt er die gefiederte Kundschaft zwischen seine Knie und "putzt" das Federkleid, das heißt, er schneidet mit der Schere all jene schwarzen oder weißen Federn heraus, die so wie ein Damenbart an Stellen sprießen, wo sie nicht hingehören.

"Das kann Stunden dauern", berichtet Greithanner. Die Tauben lassen die Prozedur jedoch geduldig über sich ergehen, wer schön sein will, muss leiden - eine Binsenweisheit, die offenbar auch im Tierreich bekannt ist. So wie das Spreizen der Federn.

"Ich war immer schon Tierfreund", sagt Greithanner, fürs Foto trägt er ein blauweiß kariertes Hemd und einen grauen Filzhut. Eigens dafür holt er auch zwei winzige Küken aus dem Nest. Sie sind erst wenige Tage alt und gerade dabei, die Augen zu öffnen, am bleichen Körper wächst der erste Flaum, man sieht noch jedes Knöchelchen. Liebevoll birgt er die dürren Kreaturen, die so gut wie nichts wiegen, in der Hand. Bis zu viermal im Jahr legen die Tauben Eier.

Gerne schaut er ihnen dabei zu, wie sie dasitzen, sich sonnen, brüten, "das beruhigte die Nerven". Sie sind zahm, fressen manchmal aus der Hand, "aber ich fange sie selten, sondern lasse ihnen meistens ihre Ruhe", sagt Greithanner. Auch unterschiedliche Charaktere hat er beobachtet. Manche der Tauben sind sanft, andere verteidigen sich aggressiv.

Bei Vollmond seien sie besonders aktiv. Gerade stolziert ein Vogel der Rasse "King", von der er vier Exemplare besitzt, pechschwarz und breitbeinig wie ein Revolverheld durchs Gehege. Ein Täuberich, sagt Greithanner. Hätte er nicht extra betonen müssen.

Beschauliche Ruhe strahlt auch das Anwesen aus, das Brennholz, mit dem Greithanner handelt, stapelt sich meterhoch. In den Zweigen singen Vögel, ihre Lieder mischen sich in das Gurren der Tauben und das leise Gackern der Hühner, die zum Fototermin angetrippelt kommen, so als wollten auch sie mit aufs Bild.

In den beiden Holzstadeln verbirgt sich eine weitere Attraktion des Hofs: Bullige Oldtimer-Traktoren, die schon damals der Vater gesammelt hat. "Männerspielzeug", sagt Greithanner und lacht. Das aber ist eine andere Geschichte.

© SZ vom 15.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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