Theater:Knurrende Seelen

Das Ebersberger "Theater Zwischenton" wetzt in den Proben die Messer für "So is(s)t der Mensch", einen Theaterabend mit Monologen und Menü

Von Victor Sattler

Der innere Monolog als Stilmittel ist ein umtriebiges Rumoren, durch das sich zum Beispiel eine quälende Leere oder eine kämpferische Bewältigung lautstark mitteilen möchte. So einen Monolog kann nicht bloß der Kopf, sondern noch energischer der Bauch führen. Das weiß das Theater Zwischenton genau - damit aber alle ungestört den inneren Monologen der zehn Darsteller lauschen können, soll das Publikum gleichzeitig mit einem Drei-Gänge-Menü verwöhnt, also gleichsam ruhig gestellt werden. Regisseurin Bina Schröer hat so das schon etwas ausgelutschte Konzept des Krimi-Dinners auf ihre liebste Detektivgeschichte übertragen: Bei einem Glas italienischem Primitivo lädt sie zur Spurensuche in die menschliche Psyche ein.

Das seelische Innenleben scheint mit der Zeit Schröers Leib- und Magenthema zu werden. In den vergangenen Monaten hat sie bereits in Andrew Bovells "Lantana" viele Figuren auf soziales und emotionales Glatteis geführt, ohne wirklich viel äußere Handlung dafür zu benötigen. Diesmal wird es aber noch persönlicher, denn die Darsteller haben selbst die Impulse zu ihren neu kreierten Charakteren geliefert: Anfangs wurde vor der Gruppe freiheraus das improvisiert, was ihnen gerade einfiel, später hat man weiter die Nuancen der Texte abgeschmeckt. Folglich gewährt jeder der zehn Schauspielerinnen und Schauspieler - respektive Autorinnen und Autoren - auch Einlass in die Vorratskammer des eigenen Kopfes. Das Restaurant Steinsee und die Trattoria Camillo werden es sein, die dem Stück und den Theatergästen dazu eine warme Stube und Küche bieten.

Theater Zwischenton Probe 'So is(s)t der Mensch'

Für einen Abend aus theatralischen Häppchen haben die Darsteller tief in sich hineingehorcht.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

So machen die Zwischentöne mit ihrem Stück also einen ziemlich großen Topf auf, ganz ohne einen roten Faden, der die verschiedenen Rollen zusammenbinden könnte. Manche Monologe spenden sich gegenseitig ein wenig Sinn, was zum Beispiel in einer Hotelbar-Szene einen wohligen Effekt einstellt, nachdem man die Gedanken hinter beiden Enden des Stehtisches bereits nacheinander kennenlernen durfte. Am Steinsee wird der Gast für seine Hauptspeise wählen können zwischen Rind, Zander und vegetarischem Curry; vor ähnlichen Weggabelungen standen auch die Zwischentöne im kreativen Prozess, und entsprechend schwierig würde es, die 15 Spiel-Häppchen wirklich miteinander zu vergleichen. Manche von ihnen sind wohlgerundet geschrieben und kommen aus einem Guss, etwa Robert Rudolph-Torgany als Politiker in "Die Kampagne". Andere Charaktere sind eher bruchstückhaft gedacht, werden dafür aber mit großer Leidenschaft zum Leben erweckt: "Rollmops!", erschrickt etwa Roger Voight vor dem Regal, auf seinem "Abenteuer im Supermarkt", als hätte er seinen schlimmsten Feind erblickt, und wird dann noch dazu von einer Fremden gezwungen, den trüben Rollmops im Glas gegen seinen Willen einzukaufen.

Bina Schröer macht sich fürs Theater die Finger schmutzig in den Proben: Die Soße läuft ihr schon aus dem undichten Rollmops-Glas über die Hand, als sie überlegt, wo das Requisit nun stehen soll. Eine prächtige "Männermähne" muss noch von der Chefin aus dem Skript getilgt werden, wo doch längst schon eine Halbglatze grüßt, aber was wäre bloß das schmeichelhafte Wort dafür? Diskussionen über rumstehende Herren und schwer verständliches Vokabular entbrennen, Einsätze werden bisweilen noch an der falschen Stelle verwurstet. Dann muss Schröer die versammelte Mannschaft mit ihrer gellenden Stimme, an die niemand im Ensemble ganz herankommt, wieder zu mehr Konzentration anhalten. Oder sie hebt, zwecks Demonstration, von ihrem Regiestuhl zu einem Gabelflug auf die Bühne ab, wo sie kurz mühelos in die Rolle eintaucht und in ihr einmal quer die Bühne schneidet, bevor sie an ihren Platz zurückkehrt. Alle gesehen?

Theater Zwischenton Probe 'So is(s)t der Mensch'

Bina Schröer führt Regie.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ulrike Janowetz und Sybille Fuchs erzählen von eher alltäglichen als tragischen Dilemmata. Die eine Figur epiliert stundenlang ihren Damenbart in der Gesichtssauna, damit sich Männer endlich ihren Namen merken. Auch die andere leidet, auf Umwegen, vor allem unter ihrem Umgang mit Männern, bevor und nachdem sie auf der Bordsteinkante zusammenbricht. Eine Prise irrationale Hysterie scheint für diese Frauenrollen immer eine unentbehrliche Zutat zu sein. Das stößt in den Parts zwischen Hauptgang und Dessert ein wenig sauer auf: Immerhin soll der Theaterabend, wie der Name "So is(s)t der Mensch" schon nahelegt, ja eigentlich viel Identifikationspotenzial und Selbsterkenntnis für alle Zuschauer bieten. Doch das beißt sich zwangsläufig manchmal mit der theatralischen Überhöhung. Dann, endlich, macht Ulrike Janowetz aber reinen Tisch mit ihrer Rolle: "Ich bin doch schließlich gerade erst aus der Psychiatrie entlassen worden!", erklärt sie nach einer besonders manischen Episode. Puh, nochmal Glück gehabt. Ein wenig Anspannung fällt vom Zuschauer ab - er muss sich nun doch nicht gänzlich in dieser traurigen Person wiederfinden, die ihm kurz zuvor für einen langen Moment im Halse steckengeblieben war.

Am 9. und 10. November wird "So is(s)t der Mensch" um 19 Uhr im Restaurant Steinsee aufgeführt, eine Karte inklusive Menü kostet 45 Euro. Am 16. und 17. November zieht das Stück weiter in die Trattoria Camillo in Ottenhofen, 19.30 Uhr, für nun 35 Euro. Kartenverkauf in den Gaststätten oder unter www.theater-zwischenton.de.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: