Tatort Vaterstetten:Teure Schlamperei

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Wegen ihres nachlässigen Umgangs mit Asbestplatten müssen zwei Bauarbeiter hohe Geldstrafen zahlen

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Das Leben ist voller Gefahren, darunter auch schädliche Stoffe. Aber auch manche Worte können riskant sein, wie nun zwei Bauarbeiter erfahren mussten, denen der leichtsinnige Umgang mit Gefahrstoffen, konkret Asbestplatten, vorgeworfen wurde. Dafür hatte sie das Amtsgericht Ebersberg per Strafbefehl zu je 60 Tagessätzen á 80 und á 50 Euro verurteilt. Dagegen legten die Arbeiter Einspruch ein - nach der Verhandlung können sie von Glück sagen, dass sie nicht noch mehr Strafe zahlen müssen.

Im vergangenen Frühjahr waren die zwei nun Angeklagten mit dem Abbruch eines Hauses in Vaterstetten betraut. Ihre Aufgabe war es, die Eternitplatten von der Fassade zu entfernen. Was sie nach Ansicht zweier Nachbarn indes nicht sachgerecht taten, wie einer der Augenzeugen nun vor Gericht wiederholte. So seien die Platten erstens nicht von oben nach unten, sondern kreuz und quer entfernt worden. Zudem hätten die Arbeiter die Platten nicht befeuchtet und auch keine Plane untergelegt, beides soll eventuell frei werdenden Asbeststaub auffangen. Auch seien die abmontierten Platten nicht sofort in einen Spezialsack gesteckt worden, sondern hätten auf dem planenlosen Boden gelegen, teilweise in Bruchstücken.

Dies hatte der Nachbar, der sich nach eigenen Angaben mit Gefahrstoffen auskennt, auch fotografisch festgehalten, die Bilder lagen dem Gericht vor. Der Zeuge äußerte die Vermutung, die Arbeiter hätten die Platten einfach von ihrer Hebebühne heruntergeworfen. Was er, wie er auf Nachfrage der Verteidigung zugeben musste, aber nicht selbst gesehen, sondern nur vermutet hatte. Das stimme auch gar nicht, gab einer der beiden Angeklagten an. Die Platten auf dem Boden habe man nicht von der Hebebühne geworfen, sie seien aus Versehen heruntergefallen. Weil man nämlich an einer Stelle schlecht an das Haus herangekommen sei, wurden, anstatt die Platten einzeln abzumontieren, die Latten, auf denen sie montiert waren, im Ganzen heruntergerissen. Dabei seien einige Eter- nitplatten dann leider heruntergefallen.

Dass man ohne Folie gearbeitet habe, gaben die Angeklagten zu, die habe man an dem Tag vergessen und erst später geholt, als die Polizei mit der Einstellung der Baustelle drohte. Dass man die Fenster- und Türöffnungen des Abbruchhauses nicht wie vorgeschrieben verschlossen habe, liege daran, dass es eben ein Abbruchhaus gewesen sei. Es sei ja niemand mehr im Gebäude gewesen, bis es dann abgerissen wurde. Befeuchten habe man die Platten außerdem nicht müssen, weil diese beschichtet waren.

Zumindest letzteres bestätigte der vom Gericht bestellte Sachverständige, es gebe tatsächlich Platten, bei denen Befeuchtung nicht notwendig ist. Ob es sich aber am Abbruchhaus um solche gehandelt habe, dazu sei eine Untersuchung im Labor notwendig. Bei allen anderen Vorwürfen bescheinigte der Experte den Angeklagten indes grobe Fahrlässigkeit: "Das wurde sicher nicht sachgemäß ausgebaut." Auf den Fotos sei eindeutig zu erkennen, dass die Platten irgendwo rausgehebelt wurden, anstatt sie in der umgekehrten Reihenfolge des Einbaus abzunehmen. Was sicher schneller gehe, so der Experte, genau wie die Unterkonstruktion einfach abzureißen, statt ein Gerüst aufzubauen.

"Es hat sich eigentlich eher verschlimmert", kommentierte Richterin Vera Hörauf die Sachlage nach Ende der Beweisaufnahme. Eine Reduzierung der Strafe sehe sie nicht, "da kommt höchstens eine Abweichung nach oben in Betracht". Allenfalls könnte sie den Angeklagten anbieten, ihre Einsprüche zurückzuziehen und die Strafbefehle zu akzeptieren. Was diese nach kurzer Beratung mit ihren Anwälten dann auch taten.

Dass der Fall überhaupt einer für die Justiz wurde, lag übrigens auch ein einem riskanten Umgang mit dem Wort. Zumindest schilderte es so der als Zeuge geladene Nachbar. Er habe erst die Polizei gerufen, nachdem die Angeklagten auf seine mehrmaligen Hinweise sehr unfreundlich reagiert hätten.

© SZ vom 22.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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