Tassilo-Preis:Dünne Saiten, dickes Adressbuch

Der Cellist Friedhelm Haenisch ist Gründer und Chef des Grafinger Kulturvereins.

Von Anja Blum

Um das kulturelle Leben kleinerer Städte und Gemeinden lebendig zu halten, braucht es über die Maßen engagierte Einzelne - das bewahrheitet sich immer wieder. Einer dieser wertvollen Vorreiter ist Friedhelm Hanisch, Mitbegründer und Chef des Grafinger Kulturvereins. Nun wurde er für den Tassilo-Preis der Süddeutschen Zeitung vorgeschlagen.

Dass seine Person mit dem Kulturverein gleichzusetzen sei, weist Hanisch jedoch entschieden von sich: "Ich habe sehr rührige Leute um mich, die kräftig bei der Organisation mithelfen und auch tolle Ideen einbringen." Außerdem sei die Initiative aus dem Stadtrat heraus entstanden, in dem Friedhelm Haenisch damals, vor 20 Jahren, für die SPD saß. "Das war eine absolut parteiübergreifende Sache", betont er. Ziel des Vereins war und ist es, das kulturelle Leben der Stadt zu bereichern und dessen Kräfte zu bündeln.

Das Erfolgsrezept des Grafinger Kulturvereins: viele private Kontakte. Schon die ersten Konzerte zeigten dies deutlich, auf der Bühne standen Musiker, die Haenisch persönlich kannte, im Publikum saßen Freunde und Bekannte. Bis heute profitiert der Verein vom Netzwerk seines Vorsitzenden: "Ich kenne viele Musiker und bekomme deswegen oft gute Konditionen", erklärt er. Grund für Haenischs zahlreiche wertvolle Kontakte ist, dass der Grafinger aus einer sehr musikalischen Familie stammt. Alle Geschwister lernten ein Instrument, der Bruder wurde Dirigent, Haenisch selbst wählte das Cello und studierte später "zumindest nebenamtlich" Musik. "Ein Leben lang in irgendeinem Orchester, 20 Mal die gleiche Oper, das hätte ich mir nicht vorstellen können", sagt Haenisch. Also hörte er als junger Mann auf den Rat eines Freundes der Familie, eines Intendanten, studierte Jura und bewahrte sich so seine künstlerische Unabhängigkeit. Eine Entscheidung, die er bis heute nicht bereut: "Ich bin Anwalt und mache privat viel Musik - zwei Sachen, die mir sehr viel Spaß machen."

Besonders stolz ist Haenisch auf die Rathauskonzerte des Vereins, die sich mittlerweile sehr gut etabliert haben. Doch man beschränkt sich nicht nur auf Musik, auch Lesungen, Ausstellungen, Film und Theater stehen auf dem Programm. Allerdings steckt da so manche Idee leider noch in den Kinderschuhen, zum Beispiel plane man einen musikalischen Sommer oder ein Kinofestival. Ebenfalls schwierig gestaltet sich die Förderung junger begabter Musiker aus Grafing, die sich Haenisch auf die Fahne geschrieben hat. "Ich habe schon ganz viele Leute darauf angesprochen, aber es kommt leider einfach nichts zurück", sagt er. Erklären kann sich Haenisch diesen Umstand nur damit, dass sich die wenigen wirklich guten Nachwuchsmusiker wahrscheinlich gleich nach München, Richtung Musikhochschule oder Konservatorium, orientierten. "Schade." Von der Stadt gefördert wird der Kulturverein nur insofern, dass er Rathaus und Bücherei mietfrei nutzen kann. Alles Übrige müssen Haenisch und Co. mit Mitgliedsbeiträgen, Eintrittsgeldern und Spenden finanzieren. "Wir haben viele private Unterstützer, ohne die würde es nicht gehen." Die Kommune um Geld bitten, möchte der ehemalige Stadtrat nicht: "Die haben doch sowieso nur begrenzte Mittel, außerdem wollen wir unabhängig bleiben."

Dass sein Kulturverein ein Auslaufmodell ist, glaubt Haenisch nicht. "Klassik ist nicht so tot, wie uns viele weismachen wollen." Zwar verliere der Verein ab und an durch Todesfälle Mitglieder, doch es kämen auch immer wieder jüngere hinzu. "Außerdem spielen sogar meine Enkel Cello und Geige, das freut mich sehr", sagt Haenisch. Wie lange er seiner musikalisch-organisatorischen Leidenschaft noch frönen wird? "Bis jetzt geht's noch", sagt der 74-Jährige und lacht. "Ich muss nur ab und zu ein bisschen kürzer treten." Das zu hören, wird alle Musikfreunde in Grafing sicherlich freuen, denn irgendwie ist Friedhelm Haenisch ja doch das Herz des Kulturvereins. ANJA BLUM

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