Kandidat für Tassilo 2018:Der Ermöglicher

Kandidat für Tassilo 2018: Heimatverlust: 2011 muss Kurt Schneeweis das letzte Rathauskonzert im Rathaus ankündigen. Seitdem finden die Veranstaltungen im Exil statt, an Orten, die der Intendant alle als weniger optimal bezeichnet

Heimatverlust: 2011 muss Kurt Schneeweis das letzte Rathauskonzert im Rathaus ankündigen. Seitdem finden die Veranstaltungen im Exil statt, an Orten, die der Intendant alle als weniger optimal bezeichnet

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Kurt Schneeweis holt für seine "Rathauskonzerte" die Stars der Klassikszene nach Vaterstetten - seit nunmehr 40 Jahren.

Von Anja Blum

Kurt Schneeweis ist ein Jäger. Aber einer ohne Gewehr. Wenn er erfolgreich war, fließt kein Blut - es erklingt wunderbare Musik. Schneeweis' Trophäen nämlich sind Namen, die großen Namen der klassischen Musik. Sein Ehrgeiz ist es, sie an seinen Heimatort, nach Vaterstetten zu bringen, "immer wieder etwas Neues aufzureißen". Und das tut er unermüdlich, seit nunmehr 40 Jahren. Zum diesjährigen Jubiläum der "Rathauskonzerte" hat Schneeweis im Programmheft alle Musiker und Ensembles aufgelistet, die je bei ihm auf der Bühne standen - die Aufzählung liest sich wie ein "Who's Who" der internationalen Szene, auf das der 71-jährige Intendant wahrlich stolz sein kann.

Ursprünglich stammt Kurt Schneeweis aus Memmingen, sein Instrument war und ist das Akkordeon. Mit Volksmusik allerdings hatte er stets wenig am Hut, seine Leidenschaft gilt vor allem der zeitgenössischen Musik. Vor dem Studium am Konservatorium in München absolvierte er allerdings - zur Sicherheit - eine Ausbildung zum Industriekaufmann. Die kam ihm dann wohl auch zugute, als ihm, dem Akkordeonlehrer, Anfang der 70er Jahre plötzlich die Leitung der Vaterstettener Musikschule in den Schoß fiel. "So eine Einrichtung zu führen, war nie der Plan", sagt Schneeweis heute, trotzdem machte er seine Sache offenbar so gut, dass er sie bis zur Rente nie wieder los wurde. Gänzlich ausgelastet war Schneeweis als Musikschulchef indes wohl nicht, denn er suchte sich rasch ein zweites, durchaus anspruchsvolles Betätigungsfeld: Nachdem er bei Lehrerkonzerten festgestellt hatte, dass sich das Vaterstettener Rathaus hervorragend für klassische Musik eignet, initiierte er dort 1978 eine solche Reihe. Zunächst bestückt mit Profimusikern aus der Region, doch schon bald sollte Schneeweis seine Fühler weiter ausstrecken, viel weiter.

Seit 40 Jahren gestaltet Schneeweis nun seine Rathauskonzerte, etwa elf jedes Jahr - mit scheinbar unerschöpflicher Energie und einem untrüglichen Gespür dafür, was dank dieser alles möglich ist. "August Everding hat mal über sich selbst gesagt, er sei ein Ermöglicher, und als solchen sehe ich mich auch", sagt Schneeweis. Was das Geheimnis seines Erfolges ist? Man müsse einfach viel unterwegs sein, erklärt der ehrenamtliche Intendant, "auch mal für ein Konzert nach Salzburg oder Wien fahren". Für den Vaterstettener nämlich genügt es noch lange nicht, sich für die Programmauswahl auf der Couch jede Menge CDs anzuhören. "Man muss die Bühnenpräsenz eines Künstlers erleben, um ihn richtig zu beurteilen." Außerdem - und das ist wahrscheinlich genauso essenziell - knüpft Schneeweis hinter jeder Bühne Kontakte. Mit dem Selbstbewusstsein eines erfolgreichen Intendanten geht der 71-Jährige in die Garderoben, spricht Manager wie Künstler an und lockt sie schließlich in seinen kleinen Heimatort am Rande der Landeshauptstadt. Auch wenn das manchmal viel Geduld erfordert. Acht Jahre habe er gebraucht, um die Geigerin Lisa Batiashvili nach Vaterstetten zu bekommen, erzählt er stolz, doch es hat sich gelohnt: Es kamen mehr als 300 Zuhörer. Niederlagen kennt Schneeweis freilich auch, aber sie sind äußert selten. Anne-Sophie Mutter zum Beispiel habe er schon mal "am Haken gehabt", erzählt er, doch daraus sei leider, leider nichts geworden.

Ein gutes Netzwerk, das sei "extrem wichtig", sagt Schneeweis. Hilfreich ist bei dieser Art von Wirken sicher auch sein von Leidenschaft befeuertes Gedächtnis. Er kennt nicht nur sämtliche relevanten Namen der Szene und kann Anekdoten noch und nöcher erzählen, sondern erinnert sich auch ansonsten an alles rund um die Rathauskonzerte - an das jeweilige Datum, das Programm, die Zuschauerzahlen, sogar an das Wetter. "Das war wirklich ein besonders schöner Abend", schwärmt er immer wieder, während er auf die vergangenen 40 Jahre zurückblickt.

40 Jahre Rathauskonzert Vat

Das Bild von 1992 zeigt Schneeweis mit dem Cellisten Ludwig Hoelscher und dem Komponisten Günter Bialas.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Bleibt bei so viel Engagement überhaupt noch Raum für etwas anders? "Kaum", sagt Schneeweis und lächelt verschmitzt. Seine Ehe zum Beispiel sei nach 24 Jahren gescheitert - "Diagnose: zu viel Kultur". Ja, es sei schon viel Idealismus erforderlich, gesteht der 71- Jährige, bereuen wolle er aber nichts, gar nichts. Auch wenn die große Konkurrenz in der Region München ihm immer wieder Ärger bereitet, auch wenn Raumprobleme ihm seit Jahren zu schaffen machen (im Vaterstettener Rathaus sind seit 2011 wegen Brandschutzmängeln keine größere Veranstaltungen möglich): Schneeweis lässt sich nicht beirren. "Ich möchte den Menschen weiter erstklassige Konzerte bieten - vor der Haustür und zu zivilen Preisen." Dass er das kann, hat er nun schon lange bewiesen.

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