Atemberaubende Kunststücke in schwindelnden Höhen, minutiös durchgeplante Choreografien, spektakuläre Kostüme - an allen Sinnen wird angefasst, wer einer Show von Movimento beiwohnt. Die Artistengruppe aus Grafing hat sich in den vergangenen Jahren weit über die Region hinaus einen Namen gemacht, indem sie Gymnastik und Kunst, Sport und Bewegung kreativ miteinander verstrickt.
Ursprünglich als Schulprojekt am Gymnasium Grafing war Movimento 2008 gestartet. Seit inzwischen acht Jahren ist Jasmin Ringer dabei, die schon in der fünften Klasse eingestiegen ist und heuer Abitur macht. "Ich habe in der dritten Klasse einen Auftritt von Movimento gesehen und wollte schon immer dorthin", sagt sie. Angefangen habe sie, wie eigentlich alle, mit Partnerakrobatik. "Jetzt habe ich mich auf das Vertikaltuch spezialisiert", erzählt Ringer. "Das hat mich schon immer total fasziniert."
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Höhenangst darf dabei kein Thema sein, die Artisten absolvieren zum Teil Auftritte in acht Metern Höhe, ohne Sicherheitsnetz. Ein "Kletteraffe" sei sie, sagt Ringer und bekennt: "Ich mag den Adrenalinkick." Vor allem die Gemeinschaft und der Zusammenhalt in der Gruppe kennzeichne für sie die Atmosphäre von Movimento. "Ich komme in die Halle rein und kenne alle", sagt sie.
Beim Training, in normalen Zeiten drei- bis viermal in der Woche, könne sie komplett abschalten. Danach, erzählt sie, sei sie meistens total fertig, und wenn es dann in Richtung Auftritt gehe, könne es manchmal richtig stressig werden. "Jeder muss vier bis fünf Choreografien im Kopf haben." Doch auch wenn sie manches Mal frustriert aus dem Training nach Hause gehe, weil einfach nichts klappen wolle, stünden doch meistens der Spaß und das Gemeinschaftsgefühl im Vordergrund. Nach dem Abitur will Jasmin Ringer sich in Richtung Kunst orientieren; ein Weg, der auch mit ihrer Erfahrung bei Movimento zu tun hat: "Ich sehe Luftakrobatik auch als eine Möglichkeit an, mich künstlerisch auszudrücken."
Eine andere Nische in der Bewegungskunst hat sich Robin Janosch ausgesucht: Er jongliert. Der heute 19-Jährige kam durch den Besuch der Partnerklasse am Gymnasium Grafing zu Movimento. Heute macht er eine Ausbildung zum Pflanzengärtner. Movimento will er trotzdem so lange wie möglich treu bleiben. "Ich hatte 2014 meinen ersten Auftritt", erzählt er. "Es hat mir gleich Spaß gemacht." Derzeit jongliert er mit Bällen und Keulen. Das Schöne sei es, mit anderen zusammen zu jonglieren, sagt Janosch: "Mit einem Partner kann man viel machen, und als Gruppe sieht das sehr schön aus." Bei Auftritten vor vielen Leuten habe er anfangs schon Lampenfieber gehabt, doch mit der Zeit hat sich das gelegt. "Es ist ein tolles Gefühl, wenn alle klatschen", sagt Robin Janosch. "Das macht richtig Freude."
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Dass nicht nur Schüler des Gymnasiums Grafing willkommen sind in der Bewegungskünstlergruppe, ist Stefan Eberherr wichtig: Auch aus der Real- und Förderschule sind Mädchen und Jungs bei Movimento dabei sein. Eberherr, damals Gymnasiallehrer in Grafing, hat die Sportgruppe vor 13 Jahren von einer Kollegin übernommen und deren Konzept komplett verändert. "Es war mir wichtig, verschiedene Disziplinen zu integrieren", erzählt er.
Singen in der Pandemie:Stimmen für Ebersberg
Zwei Ensembles aus dem Landkreis sind bei einem Chor-Wettbewerb des BR erfolgreich: Die "Movimentos" aus Grafing erreichen einen tollen fünften Platz, das Voting mit den "Don Camillos" aus Vaterstetten läuft noch.
Angefangen hat Movimento mit über 100 Schülern, zu Höchstzeiten hatte die Gruppe auch schon mal über 300 Mitglieder. Derzeit schwanken die Zahlen zwischen 160 und 180 Mitturnern ab zehn Jahren. "Unserer ältestes Mitglied ist 67 Jahre alt", so Eberherr, "ein ehemaliger Lehrer, der jongliert." Daneben kann man wählen zwischen Einrad, Balancieren, Luftartistik, Akrobatik oder Tanz.
Movimento blieb nicht lange eine bloße Schulsportgruppe mit internen Trainingseinheiten. Bereits 2010 hatten sie den ersten größeren Auftritt. Als schöne Wegmarke in der Erfolgsgeschichte der Artisten nennt Eberherr das Jahr 2014: Damals wurde ein Zirkuszelt auf dem Volksfestplatz Ebersberg aufgestellt, in dem Movimento im Rahmen des Ebersberger Kulturfeuers fünf Mal auftrat. Jede Vorstellung war ausverkauft, jeden Tag kamen 1000 Zuschauer. Zwar sei das ein Projekt mit wahnsinnig viel Aufwand gewesen. Doch: "Mit dem Zelt haben wir uns einen Traum erfüllt", so Eberherr. Damals hatte er der SZ erzählt: "Die Rückmeldungen waren überwältigend, und was besonders schön war: Viele hatten dabei Tränen in den Augen."
Als Highlight nennt Stefan Eberherr die Gedenkfeier zum siebzigsten Jahrestag des Weltkriegsendes am 8. Mai 2015. Die Artistengruppe war in die Sankt Johanniskirche nach Würzburg eingeladen worden. In ihrer Aufführung stellten die Bewegungskünstler Szenen von Abschied und Schrecken, aber auch von Hoffnung und Neubeginn in Tanz und szenischem Spiel nach. "Das war nicht nur eine Show, nicht nur Unterhaltung", so Eberherr. "Damit haben wir gezeigt, dass Artistik auch schwere Themen aufarbeiten kann."
Fest im Terminkalender steht für Movimento die regelmäßige Teilnahme an den Deutschen Turnfesten und den Weltgymnastraden, ein Austausch von Turnern aus aller Welt. Kinder und Jugendliche würden bei diesen Veranstaltungen das internationale Flair aufsaugen, erzählt Stefan Eberherr: "Und auch ich als Gruppenleiter erlebe das immer als sehr intensive Woche." Das internationale Flair versucht er fernab dieser Veranstaltungen aufrecht zu erhalten, indem er immer wieder professionelle Artisten aus Frankreich, Kanada, Russland oder Brasilien nach Grafing holt. Derzeit sind die Proben für Movimento erschwert, das Training läuft online weiter.
Und dabei steht das nächste Projekt an: ein Artistical, eine Mischung aus Akrobatik und Musical. Thema ist die Geschichte einer deutsch-italienischen Zirkusfamilie, die in den 1950er Jahren lebt und nicht nur mit den Herausforderungen der Moderne zu kämpfen hat. Ob auch das Artistical den Zuschauern Tränen in die Augen treiben wird? Die Auskopplung eines Weihnachtsmedleys wurde bereits mit dem fünften Platz beim BR-Wettbewerb "Auf der Suche nach dem mit Abstand besten Chor Bayerns" ausgezeichnet.

