Tafel in Zorneding"Die Altersarmut ist sicher"

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Besuch bei der Zornedinger Tafel: Hartz-IV-Empfänger aus dem Landkreis reagieren auf die jüngsten Sparbeschlüssen aus Berlin mit Sarkasmus - und manch einer hat Angst vor der Zukunft.

Rita Baedeker

"Die Altersarmut ist bei mir schon mal gesichert", sagt ein 51-jähriger Mann mit aschblondem Haar, der mit einem halben Dutzend anderer vormittags um halb elf auf eine Essensration der Zornedinger Tafel wartet. Mit bitterem Lachen kommentiert er die Sparbeschlüsse der schwarz-gelben Koalition.

Lebensmittel-Angebot bei der Tafel in Zorneding: Mit Plastiktaschen und Einkaufswagen kommen die Menschen hier her. Manch einer sorgt sich nach den jüngsten Sparbeschlüssen der Regierung um seine Zukunft.
Lebensmittel-Angebot bei der Tafel in Zorneding: Mit Plastiktaschen und Einkaufswagen kommen die Menschen hier her. Manch einer sorgt sich nach den jüngsten Sparbeschlüssen der Regierung um seine Zukunft. (Foto: region.ebe)

Die anderen, die mit Plastiktaschen und Einkaufswagen ausgerüstet am Treppenaufgang auf ihren Aufruf warten, stimmen zu: Mütter mit Kindern, Männer, die Jahrzehnte lang hart gearbeitet haben. Sie erzählen einander politische Witze. Humor ist ein Kapital, auf das der Staat keinen Zugriff hat.

Vor allem die Entscheidung, Hartz-IV-Empfängern die Rentenbeiträge zu streichen, macht einem Mann Angst. Bislang zahlte der Bund pro Monat rund 40 Euro an die Rentenkasse. Dieser Beitrag sei in den vergangenen Jahren schon zweimal gekürzt worden. Bei 40 Euro monatlich steigt der Rentenanspruch für Hartz-IV-Bezieher gerade einmal um zwei Euro pro Jahr. Das sei wenig Geld, aber auch das falle jetzt weg.

Weil der ehemalige Angestellte einer Versicherungsgesellschaft an einer seltenen chronischen Krankheit leidet, hat er bislang auch keine Berufsunfähigkeitsrente bezogen. "Meine Krankheit wird vom Rententräger nicht anerkannt", erklärt der Mann. "Chronisches Müdigkeitssyndrom" heiße das Leiden. Bei vielen Ärzten sei er gewesen, aber eindeutig diagnostizieren könne man die Krankheit nicht. Für ihn sei es ein Riesenproblem, überhaupt den Weg hierher in die Lärchenstraße zu schaffen.

Hier an der Tafel kann im Augenblick keiner nachvollziehen, warum die "Herrschaften Milliarden in den Sand setzen und der kleine Mann abgespeist" wird, wie ein 55-jähriger Frührentner es formuliert. Obwohl er von den Kürzungen persönlich nicht betroffen ist, bezeichnet er das Sparpaket als "Schweinerei". "Ich war selbständiger Transportunternehmer und bin stets mit meinem Firmenkapital und meinem Privatvermögen hinter dem Unternehmen gestanden. Für eigene Fehler musste ich geradestehen. Jetzt leb' ich von der Sozialhilfe, aber der Beckstein stellt sich im Fernsehen hin und gibt öffentlich zu, dass die Regierung zu wenig Rücklagen gebildet hat!"

Seit Jahren werde ein Gesetz diskutiert, das Beamte dazu verpflichten soll, für selbst verschuldete Fehlleistungen auch zu haften. "Aber dann müsste man ja das halbe Parlament entlassen", fügt er sarkastisch hinzu.

"Sehr schlimm, aber gut für die Reichen", lautet der knappe Kommentar einer 47-jährigen Schneiderin aus dem Kosovo. Neben ihr steht der 14-jährige Sohn, der perfekt deutsch spricht. Die erschöpft wirkende Frau erhält Arbeitslosenhilfe II und weiß jetzt schon nicht, wie sie ohne Elterngeld über die Runden kommen soll. Welche Konsequenzen die Beschlüsse für ihr Alltagsleben haben werden, könne sie nicht abschätzen. "Das ist noch nicht klar,", erklärt auch eine ältere Frau, die für ihre Tochter und die Enkelkinder Lebensmittel abholt.

Eine andere Mutter, 42 Jahre alt, Büroangestellte, hält sich ein wenig im Hintergrund. "Man kann ja wenig tun", sagt sie leise. "Ich versuche trotzdem, zufrieden zu sein, und denke positiv. Es wird schon irgendwie weitergehen."

© SZ vom 16.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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