Tätowierkunst in Ebersberg:Ein Termin, der unter die Haut geht

Markus Huschka betreibt ein Tattoo-Studio in der Kreisstadt. Zu seinen Kunden zählen Promis wie Toni Kroos

Von Franziska Langhammer

Tätowierkunst in Ebersberg: "Nightmare Before Christmas" auf der Haut. Huschkas Tattoo-Studio in Ebersberg ist so beliebt, dass man lange auf einen Termin warten muss.

"Nightmare Before Christmas" auf der Haut. Huschkas Tattoo-Studio in Ebersberg ist so beliebt, dass man lange auf einen Termin warten muss.

(Foto: Feinstich/oh)

Manche Menschen führt das Leben an eine Abzweigung, von der sie anfangs nicht wissen, ob sie sich als Hauptstraße eignet. Vor allem nicht, wenn sie sich eigentlich gerade in voller Fahrt befinden. Dass es sich doch lohnen kann, noch einmal abzubiegen, zeigt die Geschichte von Markus Huschka.

Eigentlich wollte er Bildhauer werden, wie sein Vater Hans Huschka, der etwa den Perchtenbrunnen in Kirchseeon oder das Krieger-Mahnmal bei Erding gestaltet hat. Weil das damals aber schwierig war, erzählt Markus Huschka, absolvierte er zunächst eine Lehre als Koch. 18 Jahre arbeitet er in der Gastronomie, und das sehr erfolgreich. Relativ schnell macht er seinen Küchenmeister, ist etwa im "Nektar" tätig, einem namhaften Szene-Lokal in München, in dem auch die Rolling Stones schon mal gespeist haben sollen.

Tätowierkunst in Ebersberg: Huschkas Spektrum ist breit aufgestellt.

Huschkas Spektrum ist breit aufgestellt.

(Foto: Feinstich/oh)

Früher musste man noch die Nadeln selbst löten

Dort, im Nektar, schließt Huschka auch Bekanntschaft mit einem Tätowierer, der sich seine Zeichnungen anschaut. Denn das Zeichnen, das habe er nie aufgegeben, so Huschka: "Ich hab' schon immer gemalt, schon als Kind." Sein Bekannter findet die Zeichnungen gut und bringt ihm die Grundlagen des Tätowierens bei. "Damals hat man noch Nadel-Löten gelernt", erinnert sich Markus Huschka, "ganz klassisch." Die Wochenenden verbringt er jetzt oft im Keller und lötet Nadeln, konfiguriert sie für die kommende Woche. Heute müsse man das alles nicht mehr machen, sagt Huschka, weil man alles fertig kaufen könne.

Tätowierkunst in Ebersberg: Stechen statt Zeichnen: Eigentlich wollte der Tättowierer Bildhauer werden wie sein Vater.

Stechen statt Zeichnen: Eigentlich wollte der Tättowierer Bildhauer werden wie sein Vater.

(Foto: Feinstich/oh)

Schon bald kommen immer mehr Freunde auf ihn zu und wollen sich von ihm tätowieren lassen, weil sie seine Kunst, seine Bilder schön finden. Irgendwann entscheidet sich Markus Huschka, seinen Beruf als aufstrebender junger Koch an den Nagel zu hängen und stattdessen in einem Tattoostudio in Augsburg zu arbeiten, aber weiterhin in Forstinning zu wohnen. "Das war zu einem Zeitpunkt, wo jeder gesagt hat: Wie kannst du jetzt aufhören zu kochen?", sagt Huschka. "Da hab ich gesagt, ich mach das jetzt. Das haben viele nicht verstanden."

Freunde bezweifelten, ob die Entscheidung die richtige war

Feinstich Tattoos Ebersberg

Künstler an der Nadel: Markus Huschka.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Bald wird Markus Huschka in seiner Entscheidung bestätigt. "Komischerweise ist es dann irgendwie gelaufen", sagt er. In Augsburg bekommt er eine Anfrage der TV-Show "Popstars" und tätowiert einen der Kandidaten vor laufender Kamera. Danach wollen auf einmal unheimlich viele Leute zu ihm. Nach wenigen Monaten beschließt er, die Pendelei nach Augsburg zu lassen und etwas Eigenes im Landkreis aufzumachen. 2007 eröffnet Huschka in der Bahnhofstraße in Ebersberg den ersten Tattoo-Laden. "Zu der Zeit hat es noch weit und breit keine Tätowierer in der Gegend gegeben", so Huschka. Tattoos gehören anfangs noch hauptsächlich in den Einflussbereich von Subkulturen, erobern erst nach und nach einen festen Platz in der Öffentlichkeit, etwa auf Armen und Beinen von Promis und Fußballern. Viele fragen sich damals: Was will der Tätowierer da auf dem Land?

"In der Zeit waren die meisten Tattoo-Studios echt spooky. Ganz dunkel, da ist geraucht worden drin", erzählt Huschka, "Das wollte ich einfach ganz anders machen." Vor fünf Jahren zieht er mit "Feinstich Tattoo" in die Sieghartstraße. Sein heutiges Studio ist hell, mit bunten Möbeln und stilvoll eingerichtet, das Sofa im Vorraum aus braunem Leder, die Wände in erdigen Pastelltönen gehalten. Auf diese Weise wolle er den Leuten die Türschwellenangst nehmen, sagt Huschka. Seine bisher älteste Kundin ist 84, als sie sich ihr erstes Tattoo stechen lässt, ein kleines Herz am Dekolleté. "Das gibt es öfter, dass Menschen um die 75 ein Tattoo wollen, weil sie vorher nie den Schritt gewagt haben", sagt Huschka.

Tätowierkunst in Ebersberg: Heute erschafft Markus Huschka Kunstwerke auf Köpern.

Heute erschafft Markus Huschka Kunstwerke auf Köpern.

(Foto: Feinstich/oh)

Manchmal dauert es Monate, bis ein Kunstwerk fertig ist

Weil es in den Anfangsjahren von "Feinstich" weder Instagram noch Facebook gibt, lässt Huschka Flyer drucken, die er verteilt. Den Rest erledigt die Mund-zu-Mund-Propaganda - und schnell ist er ausgebucht. "Es war auch wahnsinnig viel Arbeit", sagt Huschka. Aber die läuft so gut, dass man sich heute nur alle drei Monate für einen Besprechungstermin online anmelden kann - wenn man schnell genug ist.

Die ersten Minuten tut es weh, dann werden Endorphine freigesetzt. "Man stellt es sich vielleicht unangenehm vor", sagt Markus Huschka, "aber es ist echt gut auszuhalten." Ein, zwei, drei Stunden liegen die Menschen vor ihm und halten es aus, einen Termin, der unter die Haut geht. Immer öfter wollen die Kunden großflächige Tattoos; Projekte, die nicht in einen Nachmittag passen, sondern sich teils über ein Dreivierteljahr ziehen.

"Leider ist Tätowierer kein Lehrberuf", sagt Huschka. Er wäre sehr dafür, dass Prüfungen abgelegt werden müssen, bevor man einen Tätowierer an den Kunden lässt. Nicht selten kämen Menschen mit verunglückten Tattoos zu ihm ins Studio, gestochen von Amateuren, die sich übers Internet das Equipment bestellen. "Pfusch" nennt Huschka das, und "Körperverletzung".

Am schwierigsten seien Kunden, die gar nicht wüssten, was sie wollten, findet Huschka. Meistens kommen die Menschen aber mit einer Idee, bringen zum Beispiel Fotos mit und sagen dann: "Mach daraus, was du willst." Manches Mal ist ein Tattoo auch Trauerbewältigung; zum Beispiel, wenn sich der Kunde das Gesicht seines zu früh geborenen und verstorbenen Kindes auf die Haut malen lässt. In manchen Fällen legt Huschka aber auch sein Veto ein; etwa, wenn sich ein junger Mann Anfang Zwanzig den Namen seiner Freundin tätowieren lassen will. Auch von offensichtlichen Stellen wie der Hand oder dem Unterarm rät er beim ersten Tattoo erst einmal ab. "Manche denken vielleicht noch nicht drüber nach, was in der Zukunft ist", so Huschka. Es sei schön, wenn das Tattoo mit dem eigenen Leben zu tun habe, aber es könne auch einfach nur den Körper schmücken.

Inzwischen tätowiert Huschka nicht mehr jeden Tag

Mittlerweile kommen Huschkas Kunden nicht nur aus dem Großraum München und Rosenheim, sondern aus Köln, Kiel oder Manchester. Auch bekannte Fußballer lassen sich von ihm tätowieren; so ließ Toni Kroos seine Fans via Instagram wissen: "Great Job! Thanks Markus @feinstich", und postete ein Tattoo mit dem Konterfei seines Sohnes; nun ziert auch den zweiten Arm des Fußballerprofis eine Tätowierung von Huschka.

Heute ist Markus Huschka 47, hat drei Mitarbeiter und tätowiert nicht mehr jeden Tag. Manchmal, sagt er, vermisse er schon das Kochen, den Gastronomiebetrieb. Beides, Tätowieren wie Kochen, habe ja eine künstlerische Komponente. "Essen muss gut schmecken, aber es muss auch optisch gut ausschauen", sagt Huschka. Viele der Leute aber, die ihn damals, bei seiner Entscheidung, das Fach zu wechseln, für verrückt hielten, sagen heute: "War eigentlich richtig, dass du das gemacht hast."

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