SZ-Serien: Im Schilde geführt, Folge 12:Zwei Kirchen und ein Adelsgeschlecht

Wappenserie - Frauenneuharting

Der Marienstern steht für die Gottesmutter mit Echthaar und damit für die Pfarrkirche Mariä Heimsuchung in Frauenneuharting.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Im Wappen der Gemeinde Frauenneuharting findet auch Jakobneuharting seinen Platz, das dritte Symbol aber weist über die Ortsgrenze hinaus. Und erklärt den großen Zusammenhalt der Gemeinde, der bis heute besteht

Von Michaela Pelz, Frauenneuharting

1997 fand in Frauenneuharting die 1000-Jahr-Feier der Gemeinde statt. Ihr Wappen allerdings ist um einiges jünger. Der studierte Historiker und Kreisarchivpfleger Bernhard Schäfer kennt die Entstehungsgeschichte: Im Oktober 1969 habe der damalige Bürgermeister Josef Mayr im Gemeinderat die Schaffung eines eigenen Wappens angeregt. Weit gefehlt, glaubt man, nach einem positiven Beschluss habe sich nur noch jemand finden müssen, der ein paar hübsche Symbole in gefälligen Farben auf eine Vorlage zeichnete. Zunächst mussten die Staatlichen Archive Bayerns mit der Ausarbeitung eines Vorschlags betraut werden, nachdem man ihnen historisch relevante Daten und Fakten übermittelt hatte. Die endgültige Genehmigung der Regierung von Oberbayern kam erst zweieinhalb Jahre und mehrere Schritte später - der Münchner Anregung folgte ein Entwurf des Passauer Grafikers Max Reinhart, zwischendurch musste alles immer wieder durch den Gemeinderat. Seitdem prangt nicht nur am Feuerwehrhaus: "In Silber ein mit drei goldenen Kugeln belegter schwarzer Schrägbalken; darüber ein fünfstrahliger blauer Stern, darunter eine rote Muschel".

Doch was bedeuten die Symbole? Bei den beiden Letzteren liegen die Erklärungen auf der Hand - der Marienstern steht für die Gottesmutter und damit für die Pfarrkirche Mariä Heimsuchung in Frauenneuharting. Die Jakobsmuschel wiederum ist eine Referenz an den heiligen Jakobus, Patron der Jakobneuhartinger Kirche. Spannend wird es bei dem Balken in der Mitte, der wie eine Schärpe vom linken oberen Rand nach rechts unten verläuft. Man will damit an die Pienzenauer erinnern, langjährige Inhaber der Hofmark Jakobneuharting und damit wesentlich verantwortlich für Wohl und Wehe der dortigen Bewohner. Das alte Adelsgeschlecht von hohem Range hatte seinen Sitz in Wildenholzen, wirkte aber weit darüber hinaus. Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Mitte des 16. Jahrhunderts gegründete Wohltätigkeitsstiftung auch nach dem Aussterben der Pienzenauer aktiv war. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg profitierten davon Menschen aus Anwesen, die einmal zur Hofmark Jakobneuharting gehört hatten, auch wenn es diese selbst nur bis zum 19. Jahrhundert gab. Dabei wurden, wie Bernhard Schäfer berichtet, Anschaffungen für Bedürftige unterstützt, wie etwa Schuhe. Junge Mädchen bekamen bei der Hochzeit einen Zuschuss zur Aussteuer, oder man griff Studenten der Theologie finanziell unter die Arme.

Wappenserie - Frauenneuharting

Die Jakobsmuschel ist eine Referenz an den heiligen Jakobus in der Kirche in Jakobneuharting.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Wie es scheint, wirkt dieser Gedanke in gewisser Weise heute noch nach. In der Gemeinde gibt es großen Zusammenhalt und starkes soziales Engagement, davon weiß auch Bärbel Aschauer-Lammel zu erzählen. Vor 35 Jahren ist sie in das Haus gezogen, das ihr Großvater, der ein Lebensmittelgeschäft in Grafing besaß, gebaut hatte, um daneben einen Obstgarten anzupflanzen. "Er wollte seine eigenen Früchte im Laden anbieten. Doch als die Bäume groß waren und getragen haben, gab es den Laden nicht mehr." Stattdessen erntet nun seine Enkelin seit gut 15 Jahren die Äpfel mit Familie und Freunden, seit gut 15 Jahren auch mit den Vorschulkindern, die daraus mit der Apfelpresse des Bund Naturschutzes Grafing selbst Saft pressen. Schon von Anfang an hat sich die Logopädin an ihrem Wohnort heimisch gefühlt - "man wird gleich geduzt", sitzt mittlerweile im Gemeinderat. Begeistert erzählt die Seniorenbeauftragte von ihrer Gruppe, weist auf die Blühwiese des Gartenbauvereins neben dem Gemeindesaal hin und auf den für Veranstaltungen bestens geeigneten Atriumhof unterhalb von Fußball- und Basketballplatz.

Wappenserie - Frauenneuharting

Dort, im Kreuzgewölbe, befindet sich auch das Pienzenauerwappen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Bei der Aufzählung der diversen Vereine und ihrer Aktivitäten darf natürlich auch der TSV nicht fehlen. Dem steht Eduard Koch vor - gleichzeitig ist er Bürgermeister der Gemeinde. Der gebürtige Sauerländer fühlt sich in der Gemeinde ebenfalls sehr wohl. Am Umzug bei der bereits erwähnten 1000-Jahr-Feier nahmen er, seine Frau und die vier Töchter als Jakobspilger teil - weil die Familie in Jakobneuharting wohnt. Fotos von diesem Großereignis mit 10 000 Besuchern durfte man schon bei Bärbel Aschauer-Lammel bewundern, Bernhard Schäfer steuert noch ein paar Fakten bei. Zusammen mit seinem Vater war er maßgeblich an der mehrjährigen Organisation beteiligt. Im Vordergrund stand dabei der Wunsch, beim Festzug Bürgern in historischen Gewändern "echte" Geschichte lebendig werden zu lassen, keine Fiktion - schließlich könne man das, was im tiefsten Mittelalter spielt, nicht mit Kleidung aus dem Barock darstellen. An konkreten Persönlichkeiten und Ereignissen sollten sich die unterschiedlichen Gruppen orientieren - neben den Ortsansässigen auch Gruppen von außerhalb. So gab es Edelleute, Soldaten, Ritter, aber auch Mönche und sogar Pestleichen. Er selbst trug eine Knappenuniform aus einem Eggenfeldener Kostümverleih. "Sie war ganz bequem, allerdings gehörten hochgebogene Schuhe aus empfindlichem Leder dazu und man musste höllisch aufpassen, keine Schrammen hineinzumachen", sagt er lachend. Ein Grund mehr, die Gewandung an diesem heißen und schwülen Tag direkt nach dem Umzug wieder abzulegen.

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Was er allerdings nicht mehr loswurde, war der Heimatverein - obwohl der 1995 eigentlich nur für die Durchführung der Festivitäten im Jubiläumsjahr gegründet worden war. Nachdem er mit Vater Bertold das Buch zur Gemeindegeschichte geschrieben hatte, baten ihn 1998 die Gründerinnen des Historischen Vereins, Antje Berberich, Rotraut Acker und Brigitte Schliewen, zusätzlich zu seinen übrigen Aktivitäten dessen Vorsitz zu übernehmen. Den hat der 52-Jährige, mittlerweile im Brotjob Leiter von Archiv und Museum in Grafing, immer noch. Man merkt: Geschichte in jeder Form zu erforschen und zu vermitteln ist ihm ein Anliegen; darum hört man ihm auch so gerne zu - nicht nur, wenn es um Wappen geht. Er sagt: "Dessen Bestandteile sollen identitätsstiftend wirken. Darum würde man aus heutiger Sicht wohl auch Tegernau unterbringen wollen. Andererseits kann man auch nicht alle erwähnen, sonst müssten es mehr als 20 Symbole sein!"

Nun, wichtiger als auf einem Wappen, ist wohl die tatsächliche Verbindung zwischen den gut 1590 Menschen in den diversen Orten. Und die ist, so hat man den Eindruck, mehr als nur vorhanden.

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