"Die Wanderhure":Wie ein Ehepaar gemeinsam Bestseller schreibt

"Die Wanderhure" Autoren: Iny Lorentz, in Wirklichkeit Ingrid Klocke und Elmar Wohlrath

Die Begeisterung für die Historie verbindet Ingrid Klocke und Elmar Wohlrath.

(Foto: Fotos: Peter Hinz-Rosin)

Ingrid Klocke und Elmar Wohlrath veröffentlichen drei bis vier Bücher pro Jahr, darunter ihr größter Erfolg "Die Wanderhure". Von harscher Kritik lassen sie sich nicht beirren.

Von Manuel Kronenberg

Es stürmt fürchterlich in Cornwall, als sich Ingrid Klocke und Elmar Wohlrath auf einer Reise dorthin begeben. Lediglich mit einem Zelt im Gepäck kommen die beiden in den südwestlichsten Teil Englands und gelangen an einen Campingplatz - ausgerechnet in einem Moment, als der Sturm längst dabei ist, die Zelte vom Boden zu rupfen. Das Ehepaar macht sich trotz allem daran, das eigene Zelt aufzustellen. Ständig werden sie vom Sturm niedergeworfen. Immer mehr Schaulustige versammeln sich - verrückt, was diese beiden Deutschen da versuchen!

Doch Klocke und Wohlrath geben nicht auf. Am Ende ist ihr Glück, dass es sich bei ihrem Zelt um ein äußerst stabiles Sturmzelt handelt. Nachdem sie 60 Heringe in den Boden gerammt haben, schaffen sie es tatsächlich. Ihr Nachtlager steht. "Zur Verblüffung sämtlicher Englishmen und Englishwomen, die um uns herumstanden", erzählt Wohlrath grinsend, als er sich ungefähr dreißig Jahre später in seinem Wohnzimmer in Poing an das Erlebnis erinnert. Der stürmische Tag in Cornwall ist Sinnbild für den Weg, den die beiden Autoren - die heute unter ihrem gemeinsamen Pseudonym Iny Lorentz bekannt sind - in 37 gemeinsamen Jahren gegangen sind.

Unbeirrt schreiben sie weiter - trotz harscher Kritik

Zu Beginn dieses Weges steht das Schreiben und Lesen als Leidenschaft, ohne die sie sich vielleicht gar nicht kennengelernt hätten. 1978, als beide Mitglied in einem Fantasy-Club sind, werden sie aufeinander aufmerksam. Bevor sie sich das erste Mal sehen, pflegen sie eineinhalb Jahre lang eine Brieffreundschaft. "Er hat 90-Minuten-Kassetten besprochen", erzählt Klocke. "Und ich habe auf der Schreibmaschine geschrieben - randlos, einzeilig und immer etwa sieben Blätter." Später ziehen beide nach München, heiraten, arbeiten bis 2006 in der selben Versicherung. Nebenher schreiben sie viel, unbeirrt, trotz vieler kritischer Reaktionen auf ihr Schaffen. Sie versuchen immer wieder, ihre Geschichten in Verlagen unterzukriegen. Oft werden sie zurückgewiesen, stehen aber selbst nach harscher Kritik wieder auf und können schließlich eine Agentur überzeugen.

Nun sitzen Klocke und Wohlrath nebeneinander auf dem Sofa. Man sieht ihnen ihre Nähe zur Fantasy-Welt an. Erst nach 20 Jahren Ehe, als die Herr-der-Ringe-Trilogie in die Kinos kam, haben sie sich Ringe zugelegt. Klocke erinnert sich: "Wir sehen ihn plötzlich in einem winzigen Juweliergeschäft - den einen Ring!" Das war das perfekte Symbol für sie. Nun tragen sie ihre Ringe um den Hals. Auf ihren T-Shirts sind mystisch anmutende Motive zu sehen. Beide waren aber auch schon immer an geschichtlichen Ereignissen interessiert. Ein historischer Roman, "Die Kastratin" aus dem Jahr 2003, brachte ihnen schließlich auch den Durchbruch. Ein Jahr später kam mit "Die Wanderhure" dann der ganz große Erfolg.

Sieben Mal überarbeiten sie jedes Manuskript

Noch bevor sie anfingen, gemeinsam zu schreiben, gab einer ihrer Kritiker ihnen den entscheidenden Anstoß. 1981 bekamen sie die Möglichkeit, Kurzgeschichten für Anthologien des Goldmann-Verlags beizusteuern. Ihr Lektor sei nicht gerade höflich gewesen, erzählen die beiden. "Bei Inys zweiter Kurzgeschichte hat er das Ende zerrissen", sagt Wohlrath. "So, dass ich schon gar nicht mehr weiterschreiben wollte", ergänzt Klocke. Wohlrath habe ein neues Ende geschrieben, welches Klocke sodann überarbeitet habe. So sei das einige Male gegangen. Jedes Mal, wenn sie zusammen geschrieben hätten, sei der Lektor begeistert gewesen, meint Wohlrath. Also haben sie die Arbeitsweise beibehalten. Inzwischen folgen sie einem akkurat durchgeplanten System. Das sei nötig, um konzentriert arbeiten zu können, betont Klocke. Drei bis vier Bücher veröffentlichen sie pro Jahr. Für jedes Buch schreibt Wohlrath zunächst die Rohfassung. Anschließend liest Klocke den Text und kritisiert. Insgesamt überarbeiten sie jedes Manuskript sieben Mal.

Das Zuhause des Autorenehepaars ist vollgestellt mit Büchern. Ungefähr 13 000 sollen es sein, sagen sie. Sachbücher zur Recherche sind ein großer Teil davon. Der wenige Platz, den die Bücher lassen, ist dekoriert mit Figuren. Viele davon sind Erinnerungen an ihre Reisen. Wohlrath erhebt sich vom Sofa und holt eine Figur aus dem Regal. Ein berittener Krieger mit Flügeln - ein polnischer Flügelhusar. Den haben Klocke und Wohlrath aus Polen mitgebracht. Eine Reise, die sie besonders eindrucksvoll fanden. Ihre Erfahrungen haben sie in ihrem Werk "Die Widerspenstige" verarbeitet.

Ihre Reisen sind wichtiger Bestandteil der Recherche. Wohlrath kramt ein Fotoalbum hervor, schlägt es auf und zeigt ein Foto, das er auf einer dieser Reisen geknipst hat. Es zeigt seine Frau, wie sie vor ihm auf einem Kamel reitet. Ihre Krücken, die sie zum Gehen braucht, ragen aus dem Gepäck hervor. Mit ihrem kaputten Bein sei das eine Qual gewesen, erzählt Klocke. Das Bild sei sogar bei einer wichtigen Besprechung im Verlag gezeigt worden, fügt sie hinzu. "Um zu zeigen, was wir alles auf uns nehmen, nur für unsere Bücher."

Zur SZ-Startseite

SZ PlusBücher des Jahres
:Unsere Besten

Denker und Literaten wie Thea Dorn, Sandra Richter und Sybille Berg beantworten die Frage: Welches Buch war für Sie in diesem Jahr besonders wichtig?

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: