Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: Wir müssen draußen bleiben, Folge 1:Wer nicht lupft, verliert

Beim Soccergolf sind andere Qualitäten gefragt als beim Fußball: In Zorneding auf einer von zwei Anlagen im Großraum München braucht man keine Ausdauer - sondern die richtige Schusstechnik.

Von Korbinian Eisenberger, Zorneding

Von Franz Beckenbauer gäbe es jetzt sicher eine Standpauke. Sein Kredo war immer: Lupfen verboten. Bayerns bekanntester Libero empfiehlt hier Innenrist oder Vollspann. Wenn man jedoch Loch 17 treffen will, sind diese Fußhaltungen riskant. Dann kann es sehr leicht passieren, dass der Ball irgendwo hinter dem Zaun auf dem Feldweg landet. Loch 17 ist nämlich nur 70 Zentimeter breit und hängt gut zwei Meter über der Grasnabe. Für einen Treffer muss man den Ball also mit dem Fuß in die Luft manövrieren, gleichzeitig aber einkalkulieren, dass man nicht sofort trifft. Deswegen der Lupfer - eine Schusstechnik, wo die Zehen den Ball zu einer Bogenlampe bewegen. Damit er entweder im Loch mit dem Netz landet - oder in dessen Nähe. Der Kaiser möge es verzeihen.

Donnerstagnachmittag in Zorneding, eine 18-Loch-Runde. Es ist wie beim richtigen Golf: Erst der Abschlag, dann nähert man sich dem Ziel. Nur dass es hier keinen Schläger braucht, sondern einen Fußball. Seit September ist die Anlage auf einer Wiese im Osten von München in Betrieb - die erste im Landkreis Ebersberg, und bis vor kurzem die einzige in der Region um München. "Die Leute nehmen das gut an", sagt ein Mann mit Softshell-Jacke und Turnschuhen. Hans Reiser steht an Loch 14, den Ball am Fuß. Dem Zornedinger gehört das Feld mit der Anlage. Lange hat der 55-Jährige dort Mais und Getreide angebaut, jetzt ist überall Wiese und Rasen, insgesamt 1,2 Kilometer Bahn, Fähnchen, Sandgräben, Mauern, ein alter Holzkarren - und das Netz, wo man den Lupfer auspackt.

Soccergolf ist im Kommen, das sieht man am Zornedinger Beispiel recht gut. Im Materialkammerl hat Reiser um die 200 Bälle gelagert. Weil der Platz nach tagelangem Regen durchweicht ist, hat er heute geschlossen. "An einem sonnigen Samstag ist das Ballregal aber so gut wie leer", sagt Reiser. Er mache keine Werbung, weil es sich auch so rumspricht. Und weil die Leute sich auf der Facebook-Seite verlinken. Offiziell heißt Reisers Parcours "Soccergolf München", was kein Zufall ist. Hans Reiser nickt und zwinkert. München wird bei Google logischerweise häufiger gesucht als Zorneding. Die zweite Anlage in der Region ist im Netz schwieriger zu finden. Die liegt 60 Kilometer weiter westlich, in Alling im Landkreis Fürstenfeldbruck und heißt "Swinggolf und Fußballgolf".

Es braucht Zeit und Geduld, bis eine Soccergolf-Anlage steht

Soccergolf hat einen Nachteil für den Betreiber: Es braucht Zeit und Geduld, bis eine Anlage steht. Bei Reiser ging es verhältnismäßig flott, ein Jahr hat es gedauert, bis Gemeinde und Landratsamt die Umnutzung genehmigten. Hinzu kommt Kritik von Naturschützern: Soccergolf nehme der Natur Raum. Reiser hat nun auf 200 Quadratmetern Blumen angepflanzt, zum Jahr der Biene, "es soll eine Bienenweide werden", sagt er. Im Landkreis Ebersberg beteiligen sich 50 Bauern an der Aktion.

Um Soccergolf gut zu finden, muss man kein Fußballer sein, und auch kein Ausdauersportler. Es ist einfacher als Golf oder Minigolf, weil Ball und Ziel deutlich umfangreicher sind. Gerade die Löcher im ersten Teil des Parcours sind so barrierefrei, dass selbst der untalentierteste Holzfuß irgendwann ins Loch trifft. Wen jedoch der Ehrgeiz packt, dem schadet es nicht, Grundtechniken zu beherrschen. Wer in der Lage ist, den Ball in den Fuß eines Mitspielers zu passen, dürfte einen Vorteil haben. Gleiches gilt für den Abschlag, dem ersten Schuss aus bis zu 80 Metern Entfernung. Hier ist neben Präzision auch Kraft im Bein gefragt.

Ein wichtiges Kriterium beim Outdoorspaß: es soll kindgerecht sein, aber nicht kindisch. Der Parcours ist da gut im Rennen, er ist anfangs einfacher, nimmt aber im Verlauf an Fahrt auf. Wahrscheinlich der Grund, warum sich zuletzt Schulklassen angemeldet haben, Kindergeburtstage oder Familien. Hinzu kommen Firmenfeste und Junggesellenabschiede. Wenn der Bräutigam übers Feld getrieben wird, geht es auch um Rekorde, allerdings eher bei der Getränkerechnung. Ganz anders ist das, wenn die Cracks der Szene nach Zorneding kommen. Neulich war der deutsche Meister da, "sein Rekord hier sind 55 Versuche", sagt Reiser - ein Schuss über dem Zornedinger Bahnrekord also. Der liegt bei 54. Nicht geschlenzt, sondern gelupft.

Die Zornedinger Soccergolf-Anlage ist von Dienstag bis Sonntag geöffnet. Eine 18-Loch-Runde kostet für Kinder 8 Euro, für Erwachsene 12 Euro. Die Tageskarte für eine vierköpfige Familie liegt bei 35 Euro. Infos unter www.soccergolf-muenchen.de

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SZ vom 19.05.2018/koei
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