SZ-Serie Sport im Ort: Folge 8:Mit der linken Hand zum Känguru

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Fließend und elegant sehen die Bewegungen aus, wenn sich Michael Niedermair an der Wand bewegt. Doch ohne viel Training geht es nicht. (Foto: Christian Endt)

Bouldern beansprucht Muskeln, von deren Existenz man bis dato gar nichts wusste. Ein Besuch in der Grafinger Kletterhalle.

Von Anselm Schindler, Grafing

Über eine Leiter steigt Kletterprofi Michael Niedermair in die obere Etage der Grafinger Kletterhalle. Unter der Dachschräge angekommen, schaltet er die Neonröhre an, sie blinkt kurz, von unten dröhnt der Sound von Linkin Park, "Reanimation" - eines der schrei- und gitarrenlastigeren Alben. "Wem rockige Musik g'fallt, der wird sich hier wohlfühlen", sagt Niedermair und lacht. Er setzt sich auf die Matte vor eine der Wände mit den verschiedenfarbigen Klettergriffen, blickt nach oben, mustert die Wand. Dann packt er es an, abwechselnd hangelt er sich mit den Händen entlang der verschiedenen Griffe nach oben, doch die Kraft kommt eher aus den Füßen, wie er in der Wand hängend erklärt.

Die Bewegungen sind fließend, alles sieht so einfach aus und irgendwie elegant.

Bei einem Anfänger tut es das freilich nicht. Schnell geht die Kraft in den Armen aus, man spürt die Muskulatur in den Unterarmen zucken, es sind Muskeln, von deren Existenz man bis dato gar nicht wusste. "Jetzt die Hüfte eindrehen und Fußwechsel", trotz der Anweisungen von Niedermair fühlt man sich unbeholfen, wenn man das erste Mal an den Griffen klammert. "Und jetzt die linke Hand zum Känguru", manche der Griffe haben die Formen von Tieren. Doch die linke Hand will nicht so recht, ehe man sich's versieht, plumpst man zurück auf die Matte.

"Normal" sei das alles für den Anfang sagt Niedermair grinsend und reibt sich die Hände, weißer Staub wirbelt durch die Luft. Chalk nennen Kletterer das weiße Pulver, es sorgt für einen besseren Halt. Niedermair ist gelernter Steinmetz, nicht zuletzt aber passionierter Kletterer. Seit vielen Jahren ist er in der halben Welt unterwegs. Und mehrmals die Woche trainiert er in der kleinen, gemütlichen Kletterhalle in dem Haus direkt am S-Bahnhof Grafing-Stadt. Er selbst hat die Kletterhalle im Jahr 2009 mit ausgestaltet, finanziert wird sie vom Deutschen Alpenverein (DAV). Und von den Beiträgen derer, die regelmäßig in die Kletterhalle nach Grafing kommen.

Fünf Euro kostet ein Besuch für DAV-Mitglieder, sieben für alle anderen. Dazu kommt noch eine Leihgebühr von drei Euro für Kletterschuhe, Seil und Gurte, für Kinder und Jugendliche gibt es preiswertere Angebote. In München sind die Preise teilweise doppelt so hoch.

"Die Hallen in München und auch die in Rosenheim sind riesig, da geht es dann auch viel um Geld und Konkurrenz", moniert Niedermair. "Und die Griffe sind bei denen schon so geschraubt, dass man gleich ein Erfolgserlebnis hat, wir sind da ehrlicher", so der 31-jährige Profi-Kletterer. "Ehrlich" heißt dann, dass ein Anfänger sich lieber erst an einer grünen oder gelben, also leichten Tour versuchen sollte, die farbigen Zettelchen, die an den Griffen angebracht sind, markieren den Schwierigkeitsgrad der jeweiligen Kletter-Tour an der Wand.

Mit dem Seil sind die Kletterbegeisterten in der Grafinger Hall nur selten zugange. Die meiste Zeit wird hier gebouldert, also in geringer Höhe ungesichert geklettert. Sollte man abrutschen, federt die Matte einen Sturz ab. Passieren kann deshalb wenig, wenn dann gehe es um klassische Überlastungs-Verletzungen, wie Niedermair erklärt, also Sprunggelenk-Probleme oder Zerrungen an Sehnen und Bändern. Aufwärmen und Dehnen ist deshalb auch beim Klettern wichtig.

Vom Muskelkater am nächsten Tag aber schützt auch das nicht, der Rücken ist verspannt, und auch die Unterarme und Finger machen sich bemerkbar. Doch auch das gehört dazu, Anfängern sei empfohlen, sich nicht gleich beim ersten Mal zu übernehmen.

Am Samstag, 28. August, lädt die Alpenvereinssektion Ebersberg-Grafing zu einer Boulder Night in die Kletterhalle am Grafinger Stadtbahnhof ein. Beginn ist um 14 Uhr, beendet ist die Veranstaltung erst, wenn alle Boulder geknackt worden sind. Die pfiffigsten Boulder werden prämiert.

© SZ vom 26.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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