SZ-Serie: Mit dem Bus in den Landkreis Ebersberg:Sogar seine große Liebe hat er im Bus getroffen

Eigentlich hat Hans Kanter das Konditoreihandwerk gelernt. Durch Zufall kam er zum Busfahren - und zu seinem Traumjob. Seine Stammkunden auf der Linie 442 schätzen seine gute Laune - und bringen bisweilen auch mal Plätzchen oder Kuchen mit

Von Franziska Bohn, Ebersberg

Bussilo - Hans Kanter

Seit vier Jahren ist Hans Kanter mit seinem Bus auf der Linie 442 unterwegs. Um seine Fahrgäste schnell informieren zu können, hat er sogar eine eigene Facebook-Gruppe gegründet.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Bitte während der Fahrt nicht mit dem Fahrer sprechen!", diese Anweisung hängt in jedem Linienbus des MVV. Auch im Bus, den Hans Kanter fährt. Er quatscht trotzdem fröhlich mit seinen Gästen. "Plaudern gehört dazu", sagt er. "Gerade auf dem Land."

Jeden Fahrgast grüßt er mit einem "Servus" und lächelt dabei. "Hallo Hans, wie war der Urlaub?", fragt ihn ein Fahrgast. "Kurz, wie immer", entgegnet Kanter ihm und zwinkert. Heute ist seine erste Fahrt nach seinem Urlaub auf Fuerteventura. Viel zu heiß sei es dort gewesen. Schaut Kanter heute aus der großen Windschutzscheibe, sieht er grauen Himmel, Regentropfen klatschen an die Fenster. Als er morgens seinen Bus abholen wollte, kam die erste Überraschung: Sein Bus musste in den Service, Kanter fährt heute mit einem anderen. Und dann auch noch ein Software-Fehler, die Anzeige außen am Bus mit der Nummer 442 und die Ansagen der Haltestellen funktionieren nicht, auch nicht in den anderen Bussen des Busunternehmens. Zudem will der Kartenentwerter nicht so richtig. Pünktlich an den Haltestellen ist er trotzdem, nur von Kirchseeon nach Eglharting verliert er ein paar Minuten im Stau: "Das ist meistens so, eine Umgehung wäre so wichtig!"

"Ich bin einfach von Natur aus immer gut drauf"

Um 4.55 Uhr am Morgen klingelt sein Wecker. "Ich bin eigentlich Langschläfer", sagt er. Ein Morgenmuffel sei er aber dennoch nicht. Zumindest, wenn er morgens seinen Kaffee hatte. Und fünf Minuten Ruhe brauche er nach dem Aufstehen. "Dann läuft's", sagt er. Kanter wirkt, als wäre er immer gut gelaunt. Einen Gute-Laune-Tipp habe er aber nicht: "Ich bin einfach von Natur aus immer gut drauf."

Seine erste Runde beginnt nicht viel später, um fünf nach sechs Uhr in der Früh: Grafing Bahnhof - Grafing Stadt - Wiesham - Gsprait - Ebersberg - Egglburg - Kirchseeon - Eglharting - Buch - und wieder zurück. Bis zu 21 Haltestellen pro Richtung. Woche für Woche, von Montag bis Freitag. Um neun Uhr macht er seine erste Pause, um zwölf geht es dann weiter. In der Pause putzt er den Bus am Bahnhof in Grafing. "Im Winter habe ich sogar einen Abzieher dabei, um Schnee, Salz und Wasser wieder raus zu bekommen." Viertel vor sieben hat er Feierabend. Den Bus lässt er dann in Grafing am Bahnhof stehen. "Eine 13-Stunden-Schicht."

Seit zehn Jahren ist Kanter bei Larcher Touristik beschäftigt. Bei den Fahrgästen kommt er gut an: 2017 wurde er sogar zum Busfahrer des Jahres gewählt. Gerechnet habe er damit nicht: "Es gibt ja so viele Busfahrer im Landkreis." Manchmal schenken ihm Gäste Plätzchen oder Kuchen, "oder sie stellen mir einfach einen Becher Kaffee hin".

Längst kennt er die Gewohnheiten seiner Stammgäste

Mittlerweile kennt er seine Stammgäste und weiß, wann wer wohin fahren muss. Eine Frau mit zwei Taschen über der Schulter und Schirm unter dem Arm steigt ein. Noch bevor sie etwas sagen kann, fragt Kanter sie: "Guten Morgen! Einmal wie immer?" und nimmt ihre Münzen entgegen.

Seit wann er für diese Linie zuständig ist? Da ist sich Kanter zunächst nicht sicher. Er fragt bei einem seiner Stammgäste nach: "Daniel, seit wann fahre ich euch?" Kurzes Überlegen beim Fahrgast. "Drei Jahre auf jeden Fall, aber es könnten auch mehr sein!" Sie einigen sich schließlich darauf, dass es im Dezember vier Jahre werden. Daniel Sonnenschein ist schon lange sein Fahrgast. Dem 54-Jährigen bringt Kanter jeden Morgen die Zeitung mit. Sonnenschein wurde mit einer Spastik geboren und kann nur langsam laufen. Als er einmal den Bus verpasst hat, weil er sich davor noch die Zeitung kaufen wollte, hat Kanter einfach angefangen, sie ihm jeden Morgen zu kaufen. Die Zeitung bezahlt Sonnenschein dann einfach im Bus. Das ist für Kanter mittlerweile selbstverständlich geworden, seit zwei Jahren macht er das so.

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Eigentlich hat Kanter Konditor gelernt. Busfahrer wurde er, weil er unbedingt das Wohnmobil seiner Eltern fahren wollte und deshalb einen Lkw-Führerschein gemacht hat: "Mein Papa hat dann gesagt, mach doch den Busführerschein gleich mit, dann hast du noch eine Joboption." Das Busfahren habe ihm dann so viel Spaß gemacht, dass er als Linien-, Schul-, und Reisebusfahrer begonnen hat. Danach war er hauptsächlich im Reiseverkehr unterwegs, bis er schließlich "nur noch Linie", wie er sagt, fuhr. Angefangen hat er bei dem Busunternehmen Urscher, nach fünf Jahren wechselte er zu Larcher Touristik.

Seine Fahrgäste informiert er über seine Facebook-Gruppe

Seit August ist der 38-Jährige verlobt. Seine Verlobte Steffi hat er - natürlich - im Bus kennengelernt: "Anfangs ist sie mir gar nicht aufgefallen", erzählt er. Kanter habe sich nur gewundert, warum sie immer so griesgrämig schaut. "Dann habe ich angefangen, immer Grimassen zu schneiden, wenn Steffi eingestiegen ist. Schon am zweiten Tag hat auch sie mich angegrinst",sagt Kanter und wirkt ein bisschen stolz. Später haben die beiden sich zum Kaffeetrinken verabredet. Das alles ist jetzt ein halbes Jahr her. Steffi fährt immer noch bei ihm im Bus mit, erzählt er. "Aber jetzt steht sie während der Fahrt immer direkt neben meiner Fahrerkabine."

Für seine Fahrgäste hat Kanter sogar eine Facebook-Gruppe gegründet, damit er den Mitgliedern Verspätungen mitteilen kann. "Bahnreisende werden mit Durchsagen am Bahnhof informiert, an Bushaltestellen gibt es das nicht", erklärt er. Auch Fotos von verlorenen Gegenständen postet er in der Gruppe. Letztens habe jemand eine Ziehharmonika im Bus vergessen, "aber da wusste ich sofort, wem sie gehört!"

Kanter liebt seinen Beruf. Den großen Bus durch die Stadt zu lenken, fällt ihm leicht. "Das Busfahren hat man im Blut", sagt er. Als Geburtstagsgeschenk durfte er sogar eine Woche lang einen großen Gelenkbus, der aussieht wie eine Ziehharmonika, fahren. Allerdings wünsche er sich bessere Arbeitszeiten und einen besseren Verdienst. "Deswegen gibt es auch einen großen Busfahrer-Mangel, jedes Unternehmen sucht Personal", erklärt er.

Heute hat er im Bus eine Mappe mit Zeitungsartikeln über sich dabei. Als er ein bisschen in den Texten stöbert, findet er dann doch die Antwort: "Seit vier Jahren bin ich Busfahrer für diese Linie!"

Die Lokalausgaben der Süddeutschen Zeitung suchen im Oktober gemeinsam mit dem MVV den Busfahrer oder die Busfahrerin des Jahres. Teilnahmecoupons liegen in allen Regionalbussen aus. Ihren Favoriten oder ihre Favoritin können Fahrgäste aber auch per Mail vorschlagen: busfahrer-aktion@mvv-muenchen.de.

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